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Synthetische Herstellung eines teuren Pflanzenhormons Aus dem Waffenschrank der Pflanzen nachgebaut

Von Jörg Heeren*

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Viele Pflanzen haben einen besonderen Schutzmechanismus: Sie produzieren das Hormon Jasmonsäure, wenn sie angegriffen werden, und machen ihre Blätter damit unappetitlich für ihre Fraßfeinde. Biologen der Universität Bielefeld wollen untersuchen, ob auch die Vorstufe dieses Hormons ähnliche Effekte hat. Dazu haben sie gemeinsam mit Chemikern nun eine neue, günstigere Syntheseroute entwickelt, die sich direkt an der Biochemie der Pflanzen orientiert.

Werden Pflanzen angeknabbert, produzieren viele das Hormon Jasmonsäure, das die Fraßfeinde abwehren soll (Symbolbild).
Werden Pflanzen angeknabbert, produzieren viele das Hormon Jasmonsäure, das die Fraßfeinde abwehren soll (Symbolbild).
(Bild: gemeinfrei, zoosnow / Pixabay)

Bielefeld – Pflanzen haben sich im Laufe der Evolution einige Tricks angeeignet, um sich gegen Fressfeinde zu wehren. Manche lassen spitze Stacheln und Dornen sprießen, andere setzen eher auf chemische Maßnahmen. „Jasmonsäure kann zum Beispiel die Freisetzung von giftigen Stoffen wie Nikotin in den Blättern anstoßen, die den Angreifern schaden“, erklärt der Biologe Professor Dr. Karl-Josef Dietz, Leiter der Arbeitsgruppe Biochemie und Physiologie der Pflanzen an der Universität Bielefeld.

Er erforscht, wie Pflanzen auf Stress reagieren und arbeitet daran, ihre Reaktion zu verändern und zu optimieren. „Damit können wir Pflanzen zum Beispiel auf die veränderten Umweltbedingungen infolge des Klimawandels vorbereiten.“ Wenn etwa die Käfer-Populationen durch das wärmere Klima zunehmen, könnte man Pflanzen beibringen, diesen Angreifern mit Bitterstoffen zu schaden.

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Wertvoller Naturstoff – 5000 Mal teurer als Gold

In seiner Forschung hat Dietz sich auf die Wirkung einer Vorform der Jasmonsäure konzentriert, der 12-Oxophytodiensäure, kurz 12-OPDA. Eine kostspielige Entscheidung. „12-OPDA ist nur im Milligramm-Bereich zu bekommen und kostet dann mehrere hundert Euro“, sagt der Biologe.

Warum dieser wissenschaftlich interessante Pflanzenstoff so teuer ist, erklärt Dietz‘ Kollege Professor Dr. Harald Gröger, Leiter der Arbeitsgruppe Industrielle Organische Chemie und Biotechnologie: „Der hohe Preis kommt durch die arbeitsintensive Herstellung zustande, da auf klassisch-chemischen Wege die Herstellung von 12-OPDA äußerst aufwändig und mit vielen Reaktionsstufen verbunden ist.“

Dreistufensynthese nach Vorbild der Pflanzen

Die Bielefelder Forscher haben nun gemeinsam ein neues synthetisches Verfahren entwickelt, um die Vorstufe der Jasmonsäure herzustellen. Es nutzt Enzyme – die Katalysatoren der Pflanzen – in einer für synthetische Zwecke optimierten Form. „Wichtig ist, dass diese Enzyme im richtigen Verhältnis eingesetzt werden“, sagt Jana Löwe, die Erstautorin der neuen Studie und Forscherin in Grögers Arbeitsgruppe.

Wie die Pflanzen, gingen die Forscher bei ihrer Synthese von Linolensäure aus, einer leicht zugänglichen Fettsäure, die zum Beispiel aus Rapsöl gewonnen wird. Damit führten sie eine Folge von drei Enzymreaktionen durch: Das erste Enzym baut Sauerstoff aus der Luft in die Linolensäure ein. Darauf aufbauend erzeugt das zweite Enzym ein hochlabiles Zwischenprodukt, das schließlich vom dritten Enzym in 12-OPDA umgewandelt wird. „Die Schwierigkeit war bisher die empfindliche, kurzlebige Zwischenstufe, die durch das zweite Enzym entsteht. Wenn hier nicht sofort das dritte Enzym hinzugefügt wird, entstehen nicht brauchbare Produkte“, erklärt Gröger.

Stoffbibliothek mit Relevanz auch für Parfümherstellung

Die Forscher lösten das Problem, indem sie Bakterien als Erzeuger der Enzyme für die zweite und letzte Stufe der Reaktion verwendeten – in Verbindung mit einem aus Sojabohnen stammenden kommerziellen Enzym für die erste Reaktionsstufe. Die Bakterien (Escherichia coli) haben sie dazu genetisch so verändert, dass sie die beiden Enzyme in den erforderlichen Mengen bereitstellen. „Sobald die labile Zwischenstufe gebildet wird, ist das benötigte Enzym sofort zur Stelle und sorgt für die Herstellung von 12-OPDA“, sagt Erstautorin Löwe.

Danach kann das 12-OPDA direkt in biologischen Studien eingesetzt oder in weitere Stoffe umgewandelt werden, die zum Beispiel für Dietz‘ Experimente gebraucht werden. Auch dafür hat Löwe ein Verfahren entwickelt. Damit steht den Forschern eine Bibliothek von Abkömmlingen von 12-OPDA für pflanzenphysiologische Untersuchungen zur Verfügung. „Durch weitere Reaktionen könnte mit dem 12-OPDA darüber hinaus zukünftig in effizienter Weise sogar Methyldihydrojasmonat hergestellt werden“, sagt Gröger. „Das ist eine Substanz, die als Inhaltsstoff für viele bekannte Parfüms benötigt wird.“

Originalpublikation: Jana Löwe, Karl-Josef Dietz, Harald Gröger: From a biosynthetic pathway toward a biocatalytic process and chemocatalytic modifications: Three-step enzymatic cascade to the plant metabolite cis-(+)-12-OPDA and metathesis-derived products, Advanced Science, veröffentlicht am 29.05.2020; DOI: 10.1002/advs.201902973

* J. Heeren, Universität Bielefeld, 33615 Bielefeld

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