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Babys mit Akzent Babys schreien je nach Muttersprache unterschiedlich

Redakteur: Olaf Spörkel

Ein internationales Wissenschaftlerteam konnte zeigen, dass französische Säuglinge bereits in den ersten Tagen ihres Lebens anders schreien als deutsche Neugeborene.

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Leipzig – Forscher des Leipziger Max-Planck-Instituts für Kognitions- und Neurowissenschaften, des Zentrums für vorsprachliche Entwicklung und Entwicklungsstörungen (ZVES) am Universitätsklinikum Würzburg sowie des Laboratoire de Sciences Cognitives et Psycholinguistique der Ecole Normale Supérieure in Paris haben gemeinsam das Schreien von Babys miteinander verglichen. Bei ihren Untersuchungen analysierten sie Tonaufnahmen von je 30 französischen und deutschen Säuglingen im Alter zwischen zwei und fünf Tagen. Wie die Forscher berichten, schreien deutsche Neugeborene demnach eher mit fallender Tonhöhe während französische Babys häufiger ansteigende Schreimelodien produzieren. Nach Meinung der Wissenschaftler liegt der Grund dafür vermutlich in den unterschiedlichen Betonungsmustern der beiden Sprachen, die bereits im Mutterleib wahrgenommen und später reproduziert werden.

Föten sind aufmerksame Zuhörer

„Der Hörsinn ist das erste sensorische System, das sich ausbildet“, sagt MPI-Direktorin Angela Friederici. „Besonders die Stimme der Mutter wird schon früh wahrgenommen.“ Allerdings hört ein Fötus im Mutterleib durch das ihn umgebende Fruchtwasser nur eingeschränkt. „Was durchdringt, sind vor allem Melodie und Intonation der jeweiligen Sprache.“ Schon 2007 hatte ein Forscherteam um Friederici nachgewiesen, dass die Betonungsmuster der jeweiligen Muttersprache bereits bei vier Monate alten Säuglingen im Gehirn abgespeichert sind.

„Im Französischen werden sehr viele Wörter zum Ende hin betont, sodass die Sprachmelodie ansteigt, im Deutschen ist es meist umgekehrt“, erläutert Friederici. Ein Einfluss auf die aktive Lautproduktion von Neugeborenen galt bisher als unwahrscheinlich. Bisher ging die Forschung davon aus, dass die Schreimelodie allein durch Aufbau und Abfallen des Atemdrucks bestimmt sei und nicht vom Gehirn beeinflusst werde. Wie die Analyse von mehr als 20 Stunden Babygeschrei aus deutschen und französischen Geburtsstationen nun gezeigt hat, handelt es sich hierbei wohl um einen Irrtum.

Charakteristische Melodiemuster

Wie die Analysen unter Leitung der Psychologin Kathleen Wermke am ZVES ergaben, produzierten die Neugeborenen diejenigen Melodiemuster bevorzugt, die für ihre jeweiligen Muttersprachen typisch sind. Nach Ansicht der Forscher könnte die frühe Sensibilität für sprachmelodische Eigenschaften den Säuglingen beim Erlernen ihrer Muttersprache helfen. „Wenn sie beginnen, erste Sprachlaute zu formen, können sie auf den bereits bekannten Melodiemustern aufbauen und müssen dadurch nicht bei Null anfangen“, sagt die Neuropsychologin. Die evolutionären Wurzeln dieses Verhaltens liegen nach Ansicht der Forscher jedoch noch weit vor der Entstehung der gesprochenen Sprache.

Originalveröffentlichung: Mampe, B. et al.: Newborns’ cry melody is shaped by their native language; Current Biology, 5. November 2009

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