Prozessoptimierung Die drei Stufen der Labordigitalisierung
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Seit einigen Jahren ist Automatisierung eines der wichtigsten Themen für das moderne Labor. Dieses Vorhaben lässt sich in drei Stufen unterteilen. Mit jeder Stufe wächst der Grad der Digitalisierung im Labor, und aus individuellen Dateninseln entsteht ein leistungsstarkes Netzwerk. Ein fiktives Fallbeispiel zeigt, wie solch ein Digitalisierungsprozess abläuft.

Für ein erfolgreiches Projekt zur Digitalisierung eines Labors zählt die strukturierte Planung und Vorbereitung. Am besten teilt der Verantwortliche das Gesamtprojekt in kleinere Pakete, was eine höhere Akzeptanz Im Unternehmen erzielt. Zudem lassen sich so Erfolgsfaktoren leichter messen und Etappenziele werden schneller erreicht. Ein weiterer Vorteil dieser Vorgehensweise ist die höhere Kosteneffektivität und Budgetsicherheit.
Die drei Stufen der Laborautomatisierung lassen sich wie folgt darstellen:
- Stufe 1: Anbindung von Messgeräten und automatisierte Datenübertragung
- Stufe 2: Automatisierung von Laborprozessen inklusive mobiler Datenerfassung
- Stufe 3: Rohdatenarchivierung
Diese Reihenfolge ist aber nicht festgelegt, sie kann auch anders angeordnet sein. Entscheidend ist, dass jede Stufe einen Teilerfolg beinhaltet und das Gesamtziel „Laborautomatisierung“ einen großen Schritt näher bringt.
1: Messgeräte anbinden, Daten übertragen
Die Basis für diese Projektphase ist ein Laborinformations- und Management System (LIMS), in dem alle Daten in einer zentralen Datenbank abgelegt werden. Das LIMS bildet quasi das zentrale Nervensystem des Labors ab. Die meisten Systeme beinhalten Standardfunktionen zum Anschluss von Messgeräten wie Laborwaagen, die sich per einfacher Konfiguration (GAMP5 Cat.4) parametrisieren lassen. Besonders moderne LIM-Systeme erlauben es, sowohl moderne als auch ältere Laborgeräte zu integrieren. Dazu liefern einige Hersteller kompakte Anschlussboxen, die einen Mini-PC beinhalten und bereits vorkonfiguriert ausgeliefert werden. An diese Boxen schließen Anwender ihre Messgeräte per USB, RS232 oder LAN an und stellen somit eine elektronische Weiterleitung der Messdaten her.
In dieser ersten Stufe der Digitalisierung werden alle Messgeräte angebunden, die eine elektronische Datenübertragung erlauben. Der Messwert wird vom Messgerät abgerufen und in die Ergebniserfassung eingetragen. Man unterscheidet hier noch zwischen einfachen und komplexen Messgeräten. Bei Letzteren werden üblicherweise Dateien eingelesen und über ein so genanntes Parsing Script interpretiert und den Proben zugeordnet. In beiden Varianten wird über das LIMS der Gerätestatus geprüft, wobei gegebenenfalls Werte abgelehnt werden, sollte ein Gerät nicht mehr qualifiziert bzw. kalibriert sein. Damit ist die Basis für eine Laborautomatisierung geschaffen, die große Vorteile durch eine geprüfte und fehlerreduzierte Datenübertragung bietet. Auf dem Weg zum digitalisierten Labor sind somit ca. 30 Prozent der Strecke absolviert.
2: Laborprozesse automatisieren
Die zweite Ausbaustufe der Labordigitalisierung befasst sich mit den Prozessen im Labor. Ständig wiederkehrende Laborabläufe mag ein erfahrener Mitarbeiter zwar wie aus dem Effeff beherrschen – sie zu digitalisieren kann aber komplizierter sein als erwartet. Hier hat sich eine Methode etabliert, die ursprünglich aus den USA stammt: das so genannte Lab Execution System (LES) oder auch Method Execution System (MES). Es strukturiert eine analytische Methode und sichert seine Abarbeitung, mit dem Ziel, gerade neuen Angestellten die Arbeit im Labor zu erleichtern. In den vergangenen Jahren ist besonders beim LES die Möglichkeit der mobilen Datenerfassung in den Fokus gerückt. Der Mitarbeiter findet auf dem Tablet die für ihn vorgesehene Methode und startet den Ablauf. Wie unter Digitalisierungsstufe 1 beschrieben, liefern die Messgeräte alle Werte elektronisch und zeigen diese auf dem Tablet an. Der Mitarbeiter bewertet das Ergebnis und wird Schritt für Schritt durch die Methode geführt. Hierbei kann er sich die genaue Durchführung der Arbeitsanweisung (SOP) auf dem Tablet anzeigen lassen und wählt für den nächsten Schritt das passende Gerät aus. Die LES/LIMS-Software hat diese Schritte in den Stammdaten vorgeplant – der Labormitarbeiter führt sie lediglich dort aus, wo er sich gerade befindet.
Diese Art der Abbildung der Laborprozesse führt zu einer deutlichen Effizienzsteigerung. Früher wurden Daten in einem Laborjournal erfasst, waren eher unstrukturiert und boten kaum Möglichkeiten zur Datenrecherche. Durch eine moderne LES-Funktionalität erreicht das Labor heutzutage einen höheren Qualitätsstandard und erfüllt die regulatorischen Auflagen von GxP, CFR21 Part11, ISO17025 und weiteren Richtlinien. Neben der Zeitersparnis reduziert ein LES auch Fehlerquellen, die in einem modernen Labor auf ein Mindestmaß verringert werden sollten. Hier wird das Tablet zum ständigen Begleiter und mobilen Datenerfassungsgerät des Labormitarbeiters. Die Anbieter in der Laborinformatik stellen hierbei unterschiedliche Plattformen zur Verfügung. Besonders flexibel sind diese Lösungen, wenn sie sowohl online als auch offline Daten erfassen können. Damit haben Benutzer ein breiteres Einsatzspektrum, da das Tablet auch Daten ohne ein verfügbares Netzwerk Daten erfassen kann. Wenn die Datenerfassung z. B. im Freiland erfolgen soll (Probenahme) oder in einem Lagerraum in Betriebsnähe (Ex-Schutz), gibt es dort oft kein Netzwerk. Dafür verfügen viele moderne Produkte über eine Offlinedatenbank, die sich zu einem späteren Zeitpunkt mit der zentralen Datenbank synchronisiert. Diese Softwareprodukte verfügen i. d. R. auch über weitergehende Funktionen wie das Erzeugen von Fotos und das Einscannen von Barcodes. Höhere Flexibilität erhält man durch die Eingabe von Freitexten und Kommentaren, die bei manchen Betriebssystemen (z. B. Android) sogar per Spracherfassung möglich sind.
Mit dieser zweiten Stufe zur Abbildung der Laborprozesse und der gesteuerten Ausführung der Methoden ist ein weiterer Meilenstein beim Projekt der Labordigitalisierung erreicht und der Gesamtfortschritt liegt nun etwa bei 70 Prozent.
3: Rohdaten archivieren – „für die Ewigkeit“
Bereits seit vielen Jahren ist Rohdatenarchivierung im Labor ein wichtiger Bestandteil der Digitalisierung. Messgeräte liefern Daten als digitale Messwerte (Stufe 1), aber auch in Form von Dateien unterschiedlichster Bauart. Ein wichtiger Vermittler zwischen den unterschiedlichen Formaten ist hier der seit Jahrzehnten etablierte ASCII-Standard, der Daten in einem Industriestandard darstellt, sodass sie sich mit einem beliebigen Texteditor öffnen und interpretieren lassen. Hierbei ist zu erwarten, dass auch in Zukunft diese Daten lesbar sein werden. Die Rohdatenarchivierung betrifft lediglich das Ablegen und Verfügbarhalten dieser Daten, z. B. in einer relationalen Datenbank. Gängige LIM-Systeme verfügen über die Ablage solcher Daten im so genannten BLOB/CLOB-Format. Wenn vor der Ablage der Daten so genannte Metadaten extrahiert wurden, können diese Metadaten hilfreich für die Recherche innerhalb dieser Rohdaten sein. Auch hierbei bietet jedes gängige LIMS eine so genannte Volltextsuche, die eine Rohdatenbank nach bestimmten Kriterien durchsucht. Neben den ASCII- Dateien können auch XML-, PDF- oder PDF-A-Dateien archiviert und für eine Datenrecherche zur Verfügung gestellt werden.
Etwas komplexer wird die Situation, wenn es um proprietäre Dateiformate geht, deren Darstellung nur mit einer speziellen Software möglich ist. Sofern diese Software verfügbar ist, stellt das kein besonderes Risiko dar. Der Anwender öffnet diese Dateien z. B. mit der in Windows eingebetteten OLE-Funktionalität (Object Link & Embedding) und startet die Applikation, die mit der Dateiendung verknüpft ist. Doch was ist, wenn diese spezielle Software in Zukunft nicht mehr zur Verfügung steht? Dann steigt das Risiko, bereits archivierte Rohdaten weiterhin öffnen zu können. Um dieses Risiko zu minimieren beziehungsweise auf Null zu setzen, haben sich bereits zwei generische Dateiformate etabliert: AnIML (Analytical Information Markup Language) und ADF (Allotrope data files). Mehr Infos zu AnIML und ADF finden Sie in der online-Version dieses Artikels.
In AnIML sowie ADF ist die vorherige Konvertierung der Daten erforderlich. Im Idealfall werden die Daten vom Messgerätehersteller im jeweiligen Fileformat bereitgestellt. Zukünftig wäre es wünschenswert, wenn jedes Messgerät, welches größere Datenmengen in Form von Dateien erzeugt, eines der beiden oder beide Formate unterstützt.
Mit dieser dritten Stufe ist das Projektziel „Digitalisierung im Labor“ erreicht. Nun ist der komplette Lebenszyklus der Daten sichergestellt – von der Erzeugung über die Prozesse bis hin zur Archivierung.
* G. von Dahlen, iCD System GmbH, 50933 Köln
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