Rheologie
Am Technologie-Institut Innovent in Jena beschäftigt man sich mit der Entwicklung von Verfahren für Oberflächenbeschichtungen. Worauf es bei solchen Beschichtungen ankommt und was die Rheologie zu diesen Lösungen beitragen kann, erklären die beiden geschäftsführenden Direktoren von Innovent Dr. Arnd Schimanski und Dr. Bernd Grünler im LP-Exklusivinterview.
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LaborPraxis: Dr. Grünler, Dr. Schimanski, gibt es Industriezweige, die sich typischerweise an Sie wenden? Wie kommen Unternehmen wie der Porzellanhersteller Kahla zu Ihnen?
Dr. Bernd Grünler: Da wir uns mit Oberflächen beschäftigen und für die interdisziplinäre Lösungskompetenz bekannt sind, haben wir Zugang zu allen möglichen Industriezweigen – jedes Material hat eine Oberfläche. Die Medizintechnik, Automobilindustrie, Kunststoffindustrie, Verpackungsindustrie – bei uns geben sich verschiedene Branchen die Hand. Man merkt bei Innovent immer, wo sich die Märkte gerade hinbewegen. Was Kahla betrifft: Einer der Gründer von Innovent, Prof. Hans-Jürgen Tiller, und der Geschäftsführer von Kahla-Porzellan, Günther Raithel, sind ins Gespräch gekommen. Wir halten sehr viel von persönlichen Kontakten, deswegen haben wir ja auch als Kommunikationsplattform die ThGOT, die Thüringer Grenz- und Oberflächentage, ins Leben gerufen. Dort können sich Forschung und Wirtschaft austauschen, ihre Anliegen diskutieren und jeweils das Institut finden, das ihnen weiterhelfen kann.
LaborPraxis: Wer wählt bei Innovent die Verfahren aus, die für die Lösung einer Aufgabe eingesetzt werden?
Dr. Grünler: Die Frage des Kunden entscheidet, welche Geräte eingesetzt werden. Zu diesem Zweck werden auch neue Geräte angeschafft, je nach Bedarf.
Dr. Arnd Schimanski: Ein Kunde hat zum Beispiel vor kurzem nach einem Zetapotenzialmessgerät gefragt. Er würde auf dieses Verfahren gern zurückgreifen können. Diese Technologie passt gut in das bereits vorhandene Portfolio: Kontaktwinkel, XPS (X-ray photoelectron spectroscopy) etc. Wir werden neue Erkenntnisse über unsere eigenen bisherigen Technologien erhalten und Effekte untersuchen können, die wir bislang noch nicht untersuchen konnten. Wir können in neue Bereiche und neue Geschäftsfelder vordringen. Gerade im Bereich der Oberflächenfunktionalisierung, also wenn wir wirklich ganz bestimmte Funktionen auf Oberflächen erzeugen wollen, ist das Verfahren sehr wichtig. Wir sind bereits mit dem Hersteller Anton Paar in Kontakt, weil wir schon gute Erfahrungen mit einem anderen Anton-Paar-Gerät, einem Rheometer, das wir hier im Haus sehr oft einsetzen, gemacht haben.
LaborPraxis: Die Rheologie hat ja auch eine große Rolle bei der Entwicklung der Tassen-Beschichtung für Kahla gespielt ...
Dr. Schimanski: Ja, die Eindringtiefe der Fasern in den Klebstoff wird von der Viskosität des Klebstoffs beeinflusst. Der Klebstoff muss so eingestellt sein, dass die Fasern im elektrostatischen Feld bis zu einer bestimmten Tiefe in den Flock eindringen, bevor die Aushärtung stattfindet. Es ist also wichtig, dass der Klebstoff stehen bleibt, wenn das Bauteil besprüht wird. Dann erst wird die Faser hinzugefügt; die Schichtdicke muss passen. Bei klebetechnischen Fragen ist das Rheometer immer besonders wichtig. Kunden wollen für eine Anwendung ganz bestimmte Klebstoffe, die besonders dick oder besonders dünn applizieren und bestimmte Verlaufseigenschaften haben. Da helfen uns die rheologischen Eigenschaften. Ein Klebefilmhersteller wollte z.B. von uns untersuchen lassen, wie Veränderungen im Prozess sich auf die rheologischen Eigenschaften der Klebefilme auswirken. Der Kunde wollte herausfinden, ob die Klebstoffe zum Kriechen neigen. Das Bauteil sollte ja nach drei Jahren noch an der gleichen Stelle sitzen. Mit der Rheologie kann man eben die Kriechneigung untersuchen.
Dr. Grünler: Auch die Polymere, die wir selbst herstellen, untersuchen wir in Bezug auf ihre rheologischen Eigenschaften. Die Polymere, die wir produzieren, sind meistens für den Einsatz im Körper entwickelt, d.h. bioabbaubare oder nicht bioabbaubare Polymere als Beschichtungsmaterialien für Implantate oder als Stentmaterialien – in diesem Fall sind solche Kennwerte von größter Bedeutung: Wie ist das Temperaturverhalten und wie verändern sich die rheologischen Eigenschaften?
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