Wirkstoffe gezielt in die Zelle bringen Ein neuer Türöffner für die Krebstherapie
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Die medikamentöse Behandlung von Krebs ist umso effektiver, je zielgenauer die Wirkstoffe verabreicht werden. Dazu müssen sie durch die schützende Zellmembran hindurch, was sich als schwierige Aufgabe gestaltet. Eine neue Methode haben nun Forscher aus Kanada im Mausmodell erprobt: Sie nutzen eine Art Seifen-Effekt, um die Membran für Wirkstoffe durchlässiger zu machen.

Eines der großen Ziele in der Krebstherapie ist es, Medikamente in Nanopaketen verpackt in Tumorzellen zu bringen, wo sie ihre tödliche Wirkung entfalten. Die Zellmembran ist jedoch wählerisch, wen sie durchlässt. Den Türöffner für molekulare Stoffe spielen Rezeptoren auf der Membran, aber den exakten molekularen „Schlüssel“ dafür zu schneidern, ist aufwändig. Eine andere Möglichkeit bieten so genannte Liposomen. Diese nanometergroßen Lipidkügelchen lösen sich leichter in der Zellmembran und können tödliche Fracht wie Krebsmedikamente mitnehmen. Aber auch hier sind Türöffner hilfreich, um die Effizienz des Zelleintritts zu steigern.
Als einen solchen Wegbereiter haben Gang Zheng und seine Kollegen vom Princess Margaret Cancer Centre und der Universität von Toronto in Kanada das Reagenz Ethylendiamintetraessigsäure (EDTA) ins Visier genommen. EDTA ist in der Lage, Metallionen fest zu binden und somit ihrer Umgebung zu entziehen, man spricht hier vom Chelatisierungseffekt. In der Medizin wird EDTA beispielsweise für die Entgiftung bei Aufnahme von Schwerionen, etwa von Blei, Cadmium oder Quecksilber, eingesetzt.
Höherer Therapieerfolg dank EDTA?
Zheng und sein Team vermuteten, dass EDTA über den Chelatisierungseffekt auch beim Lösen von Liposomen in die Zellmembran helfen könnte. „Wir wissen, dass EDTA durch Chelatisierung von Metallen wie Calcium die Bakterienmembran permeabilisiert. Unser Gedanke war es nun, dass ein EDTA-Lipid-Konjugat in einer für menschlichen Zellen ungiftigen Konzentration die Zellaufnahme von Liposomen verbessern könnte“, beschreibt Zheng die Idee der Gruppe.
Das Team baute daher eine EDTA-Lipid-Verbindung in wirkstoffbepackte Liposomen ein, um diese in Tumorzellen einzubringen. Das Experiment zeigte tatsächlich eine drastisch verbesserte Internalisierung, sowohl bei Zelllinien als auch im Mausmodell. In Tumor-infizierten Mäusen verkleinerte sich der Tumor durch den in die Liposomen eingebrachte Wirkstoff (Porphyrinderivate, die in der photodynamischen Therapie eingesetzt werden) erheblich und die Überlebensrate stieg deutlich.
Flüssigere Zellmembran
Zur Überraschung der Forscher hatte der Chelatisierungseffekt mit der verbesserten Internalisierung aber nichts zu tun. „Dieser Prozess ist vollständig unabhängig von der Chelatisierung“, beschreibt Zheng den Befund. Vielmehr entdeckte die Gruppe, dass das EDTA die Membran wie eine Art Seife flüssiger machte. Die erhöhte Flexibilität ermöglicht eine verstärkte Aufnahme der Nanopartikel. Mit dem neu entdeckten Mechanismus wollen die Forscher nun eine neue, allgemeine EDTA-Lipid-basierte Strategie zur Zellaufnahme von liposomalen Nanopartikeln für medizinische Anwendungen entwickeln. (clu)
Originalpublikation: Tiffany Ho, Dr. Keegan Guidolin, Dr. Ali Makky, Michael Valic, Lili Ding, Jiachuan Bu, Mark Zheng, Dr. Miffy H. Y. Cheng, Jeremy Yau, Dr. Juan Chen, Prof. Dr. Gang Zheng: Novel Strategy to Drive the Intracellular Uptake of Lipid Nanoparticles for Photodynamic Therapy, Angewandte Chemie, first published: 21 February 2023; DOI: 10.1002/ange.202218218
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