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Zielgenaues Isolieren von Biomolekülen Eine Nano-Angel für Proteine

Von Florian Klebs*

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Proteine bilden komplexe 3D-Strukturen, die sich nur schwer entschlüsseln lassen. Zwar ist dies mithilfe der Kryo-Elektronenmikroskopie möglich, jedoch bedarf es dazu einer hochreinen Probe aus nur einer einzelnen Proteinsorte. Forscher aus Frankfurt und Jena haben nun Nano-Angeln hergestellt, mit denen sich gezielt bestimmte Proteine aus Mischungen fischen lassen. So können deren Strukturen und Funktionen leichter untersucht werden, was ein tieferes Verständnis von Krankheiten ermöglicht.

Das neue Nanoblatt-Verfahren: Der zu untersuchende Proteinkomplex (gelb) wird mithilfe einer Markierung (rote Kette mit Fünfecken) über einen Nickelkomplex an das smarte Nanoblatt gebunden. Unerwünschte Proteine (grau) werden durch das Hydrogel (schwarzes Geflecht) abgestoßen. Nach dem Einfrieren des gesamten Gebildes inklusive eines dünnen Wasserfilms kann es mit Elektronen durchleuchtet werden, um Bilder der gebundenen Proteine zu erhalten. Daraus kann ein Computer die 3D-Struktur des Proteins berechnen.
Das neue Nanoblatt-Verfahren: Der zu untersuchende Proteinkomplex (gelb) wird mithilfe einer Markierung (rote Kette mit Fünfecken) über einen Nickelkomplex an das smarte Nanoblatt gebunden. Unerwünschte Proteine (grau) werden durch das Hydrogel (schwarzes Geflecht) abgestoßen. Nach dem Einfrieren des gesamten Gebildes inklusive eines dünnen Wasserfilms kann es mit Elektronen durchleuchtet werden, um Bilder der gebundenen Proteine zu erhalten. Daraus kann ein Computer die 3D-Struktur des Proteins berechnen.
(Bild: AG Turchanin/Uni Jena)

Frankfurt, Jena – Eine Art Köder, um gezielt Proteinkomplexe aus Mischungen fischen zu können, hat ein interdisziplinäres Team aus Frankfurt und Jena entwickelt. Dank dieses Köders ist ein gewünschtes Protein wesentlich schneller für weitere Untersuchungen im Elektronenmikroskop verfügbar. Die Proteinangel funktioniert mit einer neuartigen Schicht aus hauchdünnem molekularem Kohlenstoff: ein so genanntes „smartes Nanoblatt“, wie die Forscher schreiben. Damit sollen sich beispielsweise Krankheiten und deren Behandlung mit Medikamenten besser erforschen lassen.

„Mit unserem Verfahren lassen sich innerhalb einer Woche neuartige Proteine aus Mischungen isolieren und charakterisieren“, sagt Daniel Rhinow vom Frankfurter Max-Planck-Institut für Biophysik. „Bisher war allein die Isolierung der reinen Proteine oft Teil einer mehrjährigen Doktorarbeit“. Zusammen mit Andreas Terfort (Goethe-Universität Frankfurt) und Andrey Turchanin (Friedrich-Schiller-Universität Jena) entstand vor einigen Jahren die Idee, die gewünschten Proteine direkt aus Mischungen herauszufischen, indem man ein Nanoblatt mit Erkennungsstellen ausrüstet, an die das Zielprotein bindet. Nun ist es den Wissenschaftlern gelungen, Proteine dank eines „smarten Nanoblatt“ umgehend für eine Untersuchung im Kryo-Elektronenmikroskop zugänglich zu machen.

Strukturaufklärung mittels Schockfroster

Die Kryo-Elektronenmikroskopie (Kryo-EM) basiert auf dem Schockgefrieren einer Probe bei Temperaturen unter -150 °C. Dabei behält das Protein seine Struktur, störende Fixierungs- oder Färbemittel sind nicht nötig, und die Elektronen können das vereiste Objekt leicht durchstrahlen. Es entstehen hochaufgelöste dreidimensionale Aufnahmen kleinster Strukturen – etwa von Viren und DNA, bis fast hinab zur Größenordnung eines Wasserstoffatoms.

Zur Vorbereitung werden die Proteine in einer äußerst dünnen Wasserschicht auf einem winzigen Metallnetz schockgefroren. Bislang mussten die Proben vor einer elektronenmikroskopischen Untersuchung aufwändig und oft unter großen Verlusten gereinigt werden. Denn nur wenn lediglich eine Sorte von Proteinen in der Wasserschicht gebunden ist, ist die elektronenmikroskopische Untersuchung erfolgreich.

Nanoblätter als Köder für Proteine

Das neue Nanoblatt-Verfahren: Der zu untersuchende Proteinkomplex (gelb) wird mithilfe einer Markierung (rote Kette mit Fünfecken) über einen Nickelkomplex an das smarte Nanoblatt gebunden. Unerwünschte Proteine (grau) werden durch das Hydrogel (schwarzes Geflecht) abgestoßen. Nach dem Einfrieren des gesamten Gebildes inklusive eines dünnen Wasserfilms kann es mit Elektronen durchleuchtet werden, um Bilder der gebundenen Proteine zu erhalten. Daraus kann ein Computer die 3D-Struktur des Proteins berechnen.
Das neue Nanoblatt-Verfahren: Der zu untersuchende Proteinkomplex (gelb) wird mithilfe einer Markierung (rote Kette mit Fünfecken) über einen Nickelkomplex an das smarte Nanoblatt gebunden. Unerwünschte Proteine (grau) werden durch das Hydrogel (schwarzes Geflecht) abgestoßen. Nach dem Einfrieren des gesamten Gebildes inklusive eines dünnen Wasserfilms kann es mit Elektronen durchleuchtet werden, um Bilder der gebundenen Proteine zu erhalten. Daraus kann ein Computer die 3D-Struktur des Proteins berechnen.
(Bild: AG Turchanin/Uni Jena)

Die Gruppe um Turchanin setzt nun Nanoblätter ein, die lediglich einen Nanometer dünn sind und aus einer vernetzten, molekularen, selbst-organisierenden Monoschicht bestehen. Dieses Nanoblatt versehen die Forscher mit einem Gelbildner als Grundlage für den zum Gefrieren notwendigen dünnen Wasserfilm. Daran binden sie eine Erkennungsgruppe (eine spezielle Nitriloessigsäure-Verbindung mit Nickelionen).

Das Team um Rhinow nutzt die so präparierten „smarten Nanoblätter“, um gezielt Proteine aus einer Mischung zu fischen. Sie wurden vorab mit einer Histidin-Kette markiert, mit der sie an die Erkennungsgruppe binden; alle anderen störenden Teilchen lassen sich abspülen. Das Nanoblatt mit dem gebundenen Protein kann anschließend direkt mit dem Elektronenmikroskop untersucht werden.

Schnellere Proteinanalyse möglich

Das neue Verfahren erleichtert die Probenvorbereitung zur Kryo-EM. „Unsere smarten Nanoblätter sind besonders leistungsfähig, weil die Hydrogelschicht den notwendigen dünnen Wasserfilm stabilisiert und gleichzeitig die unspezifische Bindung störender Teilchen unterdrückt,“ sagt Julian Scherr von der Goethe-Universität. „Damit kann die molekulare Strukturbiologie nun viel schneller Proteinstrukturen und -funktionen erforschen“. Mit daraus gewonnenen Erkenntnissen lassen sich beispielsweise Krankheiten und deren Behandlung mit Medikamenten besser verstehen.

Das Team hat sich die neuen Nanoblätter patentieren lassen und auch schon einen Hersteller gefunden, der dieses Werkzeug auf den Markt bringen will.

Originalpublikation: Julian Scherr, Zian Tang, Maria Küllmer, Sebastian Balser, Alexander Stefan Scholz, Andreas Winter, Kristian Parey, Alexander Rittner, Martin Grininger, Volker Zickermann, Daniel Rhinow, Andreas Terfort und Andrey Turchanin: Smart Molecular Nanosheets for Advanced Preparation of Biological Samples in Electron Cryo-Microscopy, ACS Nano 2020; DOI: 10.1021/acsnano.0c03052

* F. Klebs, Universität Hohenheim, 70599 Stuttgart

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