Empirischer Beleg für das Walk-Modell der Genevolution Junge Gene spurten zum Fitness-Gipfel
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Auch bei Genen sind die jungen agil und anpassungsfähig, die alten eher weniger. In der Modellvorstellung bewegen sich junge Gene schneller durch „Fitness-Landschaften“ und ermöglichen einem Organismus so, sich schneller an neue Bedingungen anzupassen. Einen Beweis für dieses Modell haben nun Forscher vom Max-Planck-Institut für Evolutionsbiologie mit Kollegen aus Großbritannien erbracht.

Plön, Sussex /UK – Neue Arten entstehen und entwickeln sich, weil Individuen Mutationen in ihrem Genom anhäufen. Einige davon haben keine Auswirkungen, andere führen zu Veränderungen, die ihren Trägern deutliche Wettbewerbsvorteile verschaffen. Schon 1932 führte der amerikanische Genetiker Sewall Wright eine Metapher für den Prozess der genetischen Anpassung ein, die jahrzehntelange theoretische und experimentelle Forschung in der Evolutionsbiologie inspirierte. Wright beschrieb das Modell der „Fitness-Landschaft“. Hier symbolisierte er sich entwickelnde Populationen als „Wanderer“, die sich auf einen Fitness-Gipfel zubewegen – so wie ein Bergsteiger, der langsam den Gipfel eines Berges erklimmt.
1998 wies der Evolutionsbiologe Harold Allen Orr nach, dass dieser „adaptive Spaziergang“ einer einfachen Regel des abnehmenden Ertrags folgt: Je weiter eine Population von ihrem Fitnessgipfel entfernt ist, desto größer sind die Schritte, die sie macht. Eine Vorhersage dieser Theorie ist, dass kürzlich entwickelte, also „junge“ Gene dazu neigen, mehr adaptive Mutationen mit größeren Auswirkungen anzuhäufen als ältere Gene, weil sie weiter von ihrem Fitnessgipfel entfernt sind. Genau diese Hypothese wollten Ana Filipa Moutinho und Julien Dutheil vom Max-Planck-Institut für Evolutionsbiologie zusammen mit Adam Eyre-Walker von der University of Sussex überprüfen.
Ein genetischer Spaziergang auf dem Prüfstand
Die Überprüfung dieser Hypothese erwies sich als äußerst schwierig. Denn Gene führen kein Tagebuch über ihre Entwicklung: Die historischen Aufzeichnungen über die in einem Gen angesammelten Mutationen sind in der Regel nicht verfügbar, und ihre Auswirkungen auf die Fitness sind weitgehend unbekannt. Außerdem können andere Eigenschaften von Genen, beispielsweise ihre Länge, den Effekt des Genalters verzerren. Daher schlugen die Autoren einen neuen Ansatz vor, um das adaptive Walk-Modell der Genevolution zu testen.
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Zunächst verwendeten sie populationsgenetische Modelle, die die Variation der Fitnesswirkung von Mutationen bewerten können. Dazu verglichen sie die Genome mehrerer Individuen einer Population und maßen die Rate der adaptiven Evolution in verschiedenen Genkategorien. Ebenso machten sie sich die Tatsache zunutze, dass nicht alle Gene in einem Genom gleich alt sind. Einige Gene sind jung und werden von nur wenigen eng verwandten Arten geteilt, während andere älter sind und von Arten geteilt werden, die sich vor Millionen von Jahren getrennt haben. Schließlich nutzten sie die Verteilung der Mutationen auf Gene unterschiedlichen Alters, um zu verstehen, wie sich adaptive Mutationen im Laufe der Zeit verbreiten.
Das adaptive Walk-Modell empirisch belegt
Ihre Arbeit führten die Forscher mit zwei Modellarten durch: der Fruchtfliege Drosophila melanogaster und der kleinen Blütenpflanze Arabidopsis thaliana. Die Studie zeigte, dass das Alter eines Gens die Geschwindigkeit der molekularen Anpassung stark beeinflusst und dass Mutationen in jungen Genen tendenziell größere Auswirkungen haben. Diese Ergebnisse liefern laut den Autoren den ersten eindeutigen empirischen Beweis dafür, dass die molekulare Evolution über einen langen Zeitraum hinweg einem adaptiven Wanderungsmodell folgt, und stützen die vor fast 100 Jahren vorgeschlagene Theorie der Fitnesslandschaft mit neuen Erkenntnissen.
Originalpublikation: Moutinho AF, Eyre-Walker A, Dutheil JY Strong evidence for the adaptive walk model of gene evolution in Drosophila and Arabidopsis, PLOS Biology (2022) 20(9): DOI: 10.1371/journal.pbio.3001775
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