Zusätzliche Erderwärmung durch Priming-Effekt Mikroben im Permafrost könnten Klimawandel beschleunigen
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Wenn der Permafrostboden aufblüht, ist das schlecht fürs Klima: Im angetauten Boden wurzeln Pflanzen und aktivieren so Mikroben, die wiederum Treibhausgase freisetzen. Dieser so genannte Priming-Effekt ist zwar schon länger bekannt, könnte aber unser verbleibendes „Kohlenstoff-Budget“ stärker reduzieren als bisher angenommen. Zu diesem Schluss kommt eine neue Studie von Forschern aus Wien.

Wien/Österreich – Permafrost ist dauerhaft gefrorener Boden, in dem mehr Kohlenstoff gespeichert ist als in allen Pflanzen und der Atmosphäre zusammen auf der Erde vorkommt. Taut der Permafrost in der Arktis auf, könnten immense Mengen Kohlenstoff freigesetzt werden. Wie viel genau, wird in Klimamodellen berechnet.
Wie Pflanzenwachstum den Klimawandel befeuern kann
Wissenschaftler gingen bisher davon aus, dass bis zum Jahr 2100 etwa 100 Gigatonnen Kohlenstoff aus dem tauenden Permafrost freigesetzt werden. Das ist 140 Mal so viel wie die CO2-Emissionen von ganz Deutschland aus dem Jahr 2019. Schon, wenn nur ein kleiner Teil des Permafrostbodens im Sommer auftaut, kann dies drastische Folgen für das Klima haben Die rapide steigenden Temperaturen in der Arktis beschleunigen sowohl das Auftauen wie auch die Treibhausgasemissionen. Jetzt muss die Prognose der Emissionen nach oben korrigiert werden, wie ein internationales Forschungsteam mit Beteiligung der Universität Wien in einer aktuellen Studie zeigt.
Der Grund für die höher einzuordnende CO2-Freigabe ist ausgerechnet etwas, das sonst oft als erste Maßnahme gegen den Klimawandel genannt wird: Pflanzen. Sie können im aufgetauten Permafrost wurzeln und geben dabei Kohlenstoff – etwa in Form von Zuckern – an Mikroorganismen im Boden ab. Die Mikroben können dadurch mehr Humus zersetzen und setzen somit mehr Treibhausgase aus dem Boden frei. Dieser Effekt heißt Priming-Effekt.
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Erderwärmung
Klimagefahr durch schwindenden Permafrostboden
Kleine Welt mit großer Wirkung
Die Mikrowelt hat massive Auswirkungen auf den Klimawandel „Der Priming-Effekt ist schon seit den 1950er Jahren bekannt. Wir haben jetzt erstmals in ausführlichen Modellrechnungen nachgewiesen, dass er große Auswirkungen auf die gesamte Kohlenstoffmenge der Atmosphäre hat – dass also die Interaktion von Mikroorganismen und Wurzeln im Maßstab von Mikrometern eine globale Wirkung zeigt“, so Birgit Wild, eine der beiden Erstautorinnen und Assistenzprofessorin an der Universität Stockholm.
Für die Studie haben die Forscher Informationen über mikrobielle Aktivitäten und Wurzelverteilungen mit Daten zu Kohlenstoffkonzentrationen im Boden kombiniert. „Das hat uns letztlich erlaubt, die Auswirkungen des Priming-Effekts auf die Treibhausgas-Emissionen zu berechnen“, sagt Andreas Richter, stellvertretender Leiter des Zentrums für Mikrobiologie und Umweltsystemwissenschaften der Universität Wien, der gemeinsam mit Wild als einer der ersten weltweit in der Arktis zum Thema Priming geforscht hat.
Weniger Spielraum zum Stoppen der Erderwärmung
Die Ergebnisse der Studie zeigen, dass der Priming-Effekt die Atmungsaktivität der Mikroorganismen im Boden um etwa zwölf Prozent erhöht. Das bewirke laut den Forschern, dass bis zum Jahr 2100 zusätzlich etwa 40 Gigatonnen Kohlenstoff aus dem schmelzenden Permafrost in die Atmosphäre entweichen könnten. Wie das Team verdeutlicht, entspricht dies etwa einem Viertel des verbleibenden „Kohlenstoff-Budgets“, das der Mensch zur Verfügung hat, um die Erde nicht mehr als 1,5 °C zu erwärmen. „Wir Menschen haben also noch weniger Spielraum als gedacht“, fasst Richter zusammen.
Originalpublikation: Frida Keuper, Birgit Wild, Matti Kummu, Christian Beer, Gesche Blume-Werry, Sébastien Fontaine, Konstantin Gavazov, Norman Gentsch, Georg Guggenberger, Gustaf Hugelius, Mika Jalava, Charles Koven, Eveline J. Krab, Peter Kuhry, Sylvain Monteux, Andreas Richter, Tanvir Shahzad, James T. Weedon, Ellen Dorrepaal: Carbon loss from northern circumpolar permafrost soils amplified by rhizosphere priming, Nature Geoscience (2020); DOI: 10.1038/s41561-020-0607-0
* A. Frey, Universität Wien, 1010 Wien/Österreich
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