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Antibiotika aus Naturstoffen Mit Bioengineering gegen multiresistente Keime

Quelle: Pressemitteilung Goethe-Universität Frankfurt am Main

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Ein neues Biosynthese-Verfahren öffnet den Weg zu bisher ungenutzten Antibiotika aus Naturstoffen. Die beteiligten Forscher haben als Machbarkeitsbeweis ein in der Natur vorkommendes Antibiotikum gezielt fluoriert und so als Medikament nutzbar gemacht.

Wissenschaftler der Goethe-Universität haben ein Enzym erzeugt, das über mehrere nacheinander ausgeführte Reaktionen fluorierte Antibiotika herstellen kann. Zur Veranschaulichung sind die unterschiedlichen Bereiche des Hybrids, die hierbei zusammenwirken, in verschiedenen Farben dargestellt.
Wissenschaftler der Goethe-Universität haben ein Enzym erzeugt, das über mehrere nacheinander ausgeführte Reaktionen fluorierte Antibiotika herstellen kann. Zur Veranschaulichung sind die unterschiedlichen Bereiche des Hybrids, die hierbei zusammenwirken, in verschiedenen Farben dargestellt.
(Bild: Grininger)

Frankfurt a. M. – Mikroorganismen und Pilze stellen oft komplexe Naturstoffe her, um sich einen Wachstumsvorteil zu verschaffen. Diese Moleküle sind zum Teil auch für den Menschen interessant, weil sie etwa antibakterielle Eigenschaften haben. Eine Möglichkeit, um solche Naturstoffe in Medikamente umzuwandeln, ist ihre Modifikation mit einem oder mehreren Fluoratomen.

Seit Jahrzehnten werden medizinische Wirkstoffe mit Fluor chemisch verändert, etwa u sie leichter für den Körper verfügbar machen oder die Verweildauer im Organismus zu verändern. Mittlerweile enthalten nahezu die Hälfte der von der US-amerikanischen Arzneimittelbehörde FDA zugelassenen Medikamente mit kleinen Wirkstoffmolekülen (bis ca. 100 Atome) mindestens ein gebundenes Fluoratom. Darunter befinden sich so unterschiedliche Medikamente wie Cholesterinsenker, Antidepressiva und Antibiotika.

Im Fall des Antibiotikums Erythromycin bringt das angehängte Fluor entscheidende Vorteile: Das neue Erythromycin ist im Körper einfacher verfügbar und wirkt besser gegen Krankheitskeime, die eine Resistenz gegen Erythromycin entwickelt haben. Die synthetisch-chemischen Verfahren, mit denen sich Fluor in Naturstoffe einbauen lässt. sind allerdings sehr aufwändig und aufgrund der dafür notwendigen Chemikalien und Reaktionsbedingungen oftmals „brachial“, sagt Martin Grininger, Professor für Organische Chemie und Chemische Biologie an der Goethe-Universität. „Das führt zum Beispiel dazu, dass man in der Auswahl der Position, an die das Fluor angefügt werden soll, sehr eingeschränkt ist“, ergänzt der Forscher.

Ein Fluoratom, tausende neue Medikamente

Einem deutsch-amerikanischen Wissenschaftsteam um Grininger ist es jetzt gelungen, sich die Biosynthese eines Antibiotika-produzierenden Bakteriums zunutze zu machen. Hierbei wird das Fluoratom als Teil eines kleinen Substrats während der biologischen Synthese eines Makrolid-Antibiotikums eingebaut. „Wir schleusen die fluorierte Einheit während des Herstellungsprozesses ein, das ist effektiv und elegant“, sagt Grininger. „Denn es erlaubt die sehr flexible Positionierung des Fluors im Naturstoff, wodurch dessen Wirksamkeit beeinflusst werden kann.“

Dazu führte das Team eine Untereinheit des Enzyms namens Fettsäuresynthase in das bakterielle Protein ein. Das Enzym wirkt natürlicherweise an der Biosynthese von Fetten und Fettsäuren in Mäusen mit. Die Fettsäuresynthase sei wenig wählerisch in der Verarbeitung der Vorprodukte, die auch für die Herstellung von Antibiotika in Bakterien wichtig sind, erklärt Projektleiter Dr. Alexander Rittner.

Mit intelligentem Proteindesign gelang es dem Team, einen Teil des Mäuseenzyms in den entsprechenden Biosyntheseweg des Antibiotikums zu integrieren. „Das Spannende ist, dass wir mit dem Erythromycin einen Vertreter einer ungeheuer großen Stoffklasse fluorieren konnten, den so genannten Polyketiden“, sagt Rittner. „Es sind rund 10.000 Polyketide bekannt, und viele werden als Naturstoffmedikamente genutzt. zum Beispiel als Antibiotika, Immunsuppressiva oder Krebsmittel. Unser neues Verfahren hat daher ein riesiges Potenzial zur chemischen Optimierung dieser Naturstoffgruppe – bei den Antibiotika vor allem die Überwindung von Resistenzen.“

Dauerauftrag Antibiotikaentwicklung

Schon seit einigen Jahren forscht Grininger an der maßgeschneiderten Biosynthese von Polyketiden. „Die erfolgreiche Fluorierung eines Makrolid-Antibiotikums ist ein Durchbruch, für den wir viel getan haben und auf den ich jetzt sehr stolz bin“, sagt er. „Gleichzeitig ist es ein Aufbruch: Wir arbeiten bereits daran, die antibiotische Wirkung verschiedener fluorierter Erythromycin-Verbindungen und weiterer fluorierter Polyketide zu testen und werden die neue Technologie auf weitere Fluormotive ausweiten.“

Die Suche nach Resistenzen-überwindenden Medikamenten ist eine Daueraufgabe, denn – abhängig von der Häufigkeit des Einsatzes – ist es normal, dass sich früher oder später Resistenzen bilden. Vor diesem Hintergrund versteht Dr. Mirko Joppe aus Griningers Arbeitsgruppe seine Arbeit auch als gesellschaftlichen Auftrag. „Die Forschung an Antibiotika ist aus verschiedenen Gründen wirtschaftlich nicht lukrativ. Es ist daher die Aufgabe der Universitäten diese Lücke zu füllen, um gemeinsam mit Pharmaunternehmen neue Antibiotika zu entwickeln. Unsere Technologie kann einfach und schnell neue Antibiotika generieren und bietet nun ideale Anknüpfungspunkte für Projekte mit industriellen Partnern“.

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Originalpublikation: Alexander Rittner, Mirko Joppe, Jennifer J. Schmidt, Lara Maria Mayer, Simon Reiners, Elia Heid, Dietmar Herzberg, David H. Sherman, Martin Grininger: Chemoenzymatic synthesis of fluorinated polyketides. Nature Chemistry (2022); DOI: 10.1038/s41557-022-00996-z

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