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Chiralität in wässriger Phase messen Mit gedrehtem Licht der Händigkeit von Teilchen auf der Spur

Von Dr. Agatha Frischmuth*

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In der Chemie können schon kleine Unterschiede im Molekül großen Einfluss haben. Wenn sich etwa zwei Moleküle gleichen wie die linke Hand der rechten, hat das eine mitunter eine medizinische Wirkung, das andere hingegen keine oder sogar eine schädliche. Um solche chiralen Moleküle in wässriger Phase zu identifizieren, haben Forscher am Fritz-Haber-Institut eine neue Methode mit Röntgenstrahlung erprobt.

Mit links- oder rechtsdrehendem Röntgenlicht lassen sich die spiegelbildlichen Formen chiraler Moleküle auch in der flüssigen Phase identifizieren.
Mit links- oder rechtsdrehendem Röntgenlicht lassen sich die spiegelbildlichen Formen chiraler Moleküle auch in der flüssigen Phase identifizieren.
(Bild: Stephan Thürmer/University of Kyoto)

Chirale Moleküle kommen in der Natur sehr häufig vor. Zucker besteht aus chiralen Molekülen, ebenso wie viele Aminosäuren, auch unser Körper ist aus diesen Bausteinen aufgebaut. Chiralität bedeutet, dass solche Moleküle chemisch in zwei Formen vorkommen, deren geometrische Strukturen sich wie Bild und Spiegelbild verhalten. Sie haben die gleiche Masse und die gleichen Bestandteile, sind aber nicht identisch. Spiegelt man die eine Form, so passt sie genau auf die andere – einfach aufeinandergelegt passen die beiden Formen jedoch nicht.

Trotz dieser Symmetrie haben sie sehr unterschiedliche Eigenschaften. Man nehme z. B. das chirale Molekül Carvon: eine Form riecht nach Minze, die andere nach Kümmel. Das ist besonders in der Herstellung von Arzneimitteln wichtig, da immerhin sieben der zehn häufigsten Medikamente chirale Moleküle enthalten. Normalerweise hat jedoch nur eine der beiden Formen die gewünschte Wirksamkeit, während die andere unnötigen Ballast darstellt und die Wirksamkeit des Medikaments beeinträchtigt. Um effiziente und sichere Arzneimittel herzustellen, ist es wichtig, die richtige Form zu identifizieren und zu verwenden.

Forschung in der Flüssig-Phase

Aufgrund ihrer Ähnlichkeit ist es jedoch nicht einfach, die beiden Formen zu unterscheiden. Für biologische Prozesse ist v. a. die Unterscheidung von chiralen Molekülen in einer wässrigen Umgebung wichtig, weil die Wechselwirkung mit der Umgebung die Moleküle chemisch verändern kann. Wissenschaftler des Aquachiral-Projekts am Fritz-Haber-Institut (FHI) haben nun erstmals einen Weg gefunden, eine besonders detaillierte Unterscheidung von Molekülen in der Flüssig-Phase mittels Röntgenstrahlung eines Synchrotron-Teilchenbeschleunigers zu ermöglichen.

Dafür untersuchten sie flüssiges Fenchon, das in Fenchelöl und vielen anderen ätherischen Ölen vorkommt. Um es analysieren zu können, brachten sie es in die Form eines haarfeinen Strahls und bestrahlten ihn am Deutschen Elektronen-Synchroton (DESY) in Hamburg mit weicher Röntgenstrahlung. „Diese Röntgenstrahlen haben sehr energetische Photonen“, erklärt Dr. Bernd Winter, der das vom Europäischen Forschungsrat geförderte Aquachiral-Projekt leitet. „Wenn diese Photonen auf den Flüssigkeitsstrahl treffen, werden Elektronen erzeugt. An denen können wir dann messen, welche Form des Moleküls in dem Strahl enthalten ist.“

Genauere Ergebnisse mit stärkerer Strahlung

Neu an dieser Methode ist die Art der Strahlung. Die passt sich nämlich den „Händigkeiten“ der chiralen Moleküle an, also den unterschiedlichen Formen (man spricht von so genannten Händigkeiten, weil der Prototyp für Chiralität die menschlichen Hände sind). Diese lässt sich am besten mit zirkularer Röntgenstrahlung identifizieren, die ebenfalls „händig“ ist. „Es gibt gewissermaßen links- und rechts-drehende Moleküle und die bestrahlen wir mit Röntgenlicht, das sich ebenfalls rechts oder links herumdreht wie eine Schraube“, sagt Uwe Hergenhahn, wissenschaftlicher Mitarbeiter in der Abteilung Molekülphysik am FHI.

Aus den Flugwinkeln der Elektronen, die sich so bilden, leiten die Forscher die Händigkeit des Moleküls ab. „Diese Art des zirkularen Röntgenlichts, die unter anderem auf Louis Pasteur zurückgeht, war schon länger bekannt. Doch das PETRA III Synchrotron schafft noch stärkere Strahlung mit viel genaueren Ergebnissen als je zuvor“, erklärt Florian Trinter, Postdoktorand am FHI und assoziierter Beamline Wissenschaftler am DESY in Hamburg.

Diese Methode ist ein wichtiger Schritt für bessere Analysen biologischer und organischer chiraler Moleküle, die in der Zukunft auch für sicherere Ergebnisse in der Biochemie und Pharmazie sorgen können. Nachdem es möglich geworden ist, diese Experimente an Flüssigkeiten durchzuführen, möchten die Mitarbeiter des Aquachiral-Projekts als nächsten Schritt Moleküle in der Umgebung untersuchen, in der sie in lebenden Organismen vorkommen, z. B. in Wasser.

Originalpubliaktion: Pohl, M. N.; Malerz, S.; Trinter, F.; Lee, C.; Kolbeck, C.; Wilkinson, I.; Thürmer, S.; Neumark, D. M.; Nahon, L.; Powis, I. et al.: Photoelectron circular dichroism in angle-resolved photoemission from liquid fenchone, Physical Chemistry Chemical Physics 24 (14), S. 8081 - 8092 (2022): DOI: 10.1039/D1CP05748K

* Dr. A. Frischmuth

(ID:48369622)

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