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VCI: Jahresbilanz der Chemieindustrie 2018 Noch die Kurve gekriegt: Pharma-Zahlen retten Jahresbilanz

Redakteur: Dominik Stephan

Die Deutsche Chemieindustrie knackt 2018 erstmals den Umsatzrekord von 200 Milliarden Euro. Möglich macht das der anhaltende Pharmaboom – denn gerade das Brot- und Butter-Geschäft mit Grundstoffen und Basischemikalien schwächelt.

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Plädoyer für Zusammenarbeit: Der VCI-Präsident betont, dass nur ein wirtschaftlich starkes und politisch geeintes Europa von den USA und China als Partner auf Augenhöhe akzeptiert würde. Einzelne europäische Nationalstaaten hätten keine Chance, auf der Weltbühne Gehör zu finden.
Plädoyer für Zusammenarbeit: Der VCI-Präsident betont, dass nur ein wirtschaftlich starkes und politisch geeintes Europa von den USA und China als Partner auf Augenhöhe akzeptiert würde. Einzelne europäische Nationalstaaten hätten keine Chance, auf der Weltbühne Gehör zu finden.
(Bild: VCI/Andreas Döring)

Kein leichter Job für Hans van Bylen, Vorstandsvorsitzender von Henkel und neuer Präsident des VCI: Muss er doch nach einem starken Jahresauftakt verkünden, dass die Chemieindustrie 2018 hinter den Erwartungen zurück bleibt. Zwar klettert der Umsatz auf 204 Milliarden Euro, so wie es der Verband als Jahresziel vorgegeben hatte. Doch möglich machen diesen Rekordwert vor allem um 2 % gestiegene Preise für Chemikalien – das Produktionsvolumen bleibt mit 2,5 % deutlich unter dem 3,5 %-Ziel, welches der VCI noch im Herbst für möglich hielt.

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Dennoch: „Die Branche kann für 2018 eine positive Bilanz ziehen“, erklärt van Bylen bei der Vorstellung der Jahreszahlen in Frankfurt. „Trotzdem ist die konjunkturelle Lage nicht ungetrübt.“ Zu schaffen macht der Chemie vor allem eine Schwäche wichtiger Kundenbranchen, wie etwa der Automobilindustrie. Während die Autobauer um neue Zulassungsverfahren ringen, stagniert die Produktion neuer Fahrzeuge und damit der Absatz von Polymeren, Farben, Lacken und Beschichtungen.

Pharmaboom wird zum Wachstums-Wirkstoff

Um 2,5 % ging das Produktionsvolumen anorganischer Grundstoffe gegenüber dem Vorjahr zurück, erklärte van Bylen. Polymere und Petrochemie gaben um 2 % nach. Auch Seifen, Waschmittel und Kosmetik konnten die Kauflaune der Konsumenten nicht 1:1 in klingende Münze umwandeln und lagen 3 % unter dem Vorjahreswert.

Gerettet wurde die Bilanz des Sektors vor allem von der boomenden Pharmakonjunktur. Um satte 11,5 % legte der Ausstoß von Pillen, Salben und Medikamenten 2018 zu. Doch auch die Fein- und Spezialchemikalien konnten mit einer Produktionssteigerung um 1,5 % gegenüber 2018 dem Trend trotzen.

An diesem Bild soll sich auch 2019 nicht viel ändern: Lediglich 1,5 % Produktionswachstum und einen um 2,5 % gesteigerten Umsatz erwartet der VCI im kommenden Jahr. Immerhin soll die Chemie nicht noch weiter nachgeben, sondern auf dem Niveau von 2018 stagnieren. Die Preise sollen im gleichen Zeitraum um etwa 1 % steigen. Zugrunde liegt den Modellrechnungen ein Ölpreis von etwa 60-70 Dollar je Barrel.

Zugleich erreichen die Beschäftigtenzahlen der Branche neue Höchstwerte: 462.000 Menschen arbeiten 2018 in der Produktion von Chemikalien und Pharmazeutika, 2 % mehr als 2017. Sorgen bereitet der Industrie der demografische Wandel, in Folge dessen in den nächsten Jahren etwa 100.000 Spezialisten altersbedingt die Betriebe verlassen. Trotzdem scheint der Fachkräftemangel noch nicht in der Branche angekommen: Lediglich bei Auszubildenden, IT-Experten und bestimmten Ingenieuren gibt es kleinere Engpässe, so van Bylen.

Brexit, Trump und Co: Chemie vor ungewissen Zeiten

Und damit nicht genug: Auch die internationalen Geschäfte sind keineswegs ungetrübt. Drohende Zollschranken zwischen den USA und der EU betreffen wesentliche Abnehmerbranchen für chemische Erzeugnisse. Zugleich trübt der Handelskonflikt der Amerikaner mit der Volksrepublik China die Stimmung. Doch besonders der Brexit bereitet der Branche Kopfschmerzen: Immerhin exportiert Deutschland Chemikalien im Wert von über elf Milliarden Euro auf die Insel und importiert von dort chemische Erzeugnisse und Pharmaprodukte im Wert von etwa sechs Milliarden Euro.

Fachkräftemangel in technischen Berufen verschärft sich (Bildergalerie Marktbarometer)
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Doch damit könnte bald Schluss sein: Ohne Handelsabkommen würden sich an den Fährhäfen die LKW stauen. Zölle, Höhere Kosten und Umschlagzeiten wären noch die günstigsten Folgen des Brexits. Käme es zu keiner entsprechenden Einigung, würden die Briten beim Austritt aus der EU auch den Wirkbereich des europäischen Chemikalienrechtes verlassen. Damit könnten britische Chemikalien in der EU nicht mehr ohne weiteres in Verkehr gebracht werden, befürchtet VCI-Hauptgeschäftsführer Utz Tillmann. „Damit könnte der Warentransport zwischen Großbritannien und der EU zum Stillstand kommen“, erklärte Tillmann in Frankfurt.

Die "Chemie ist Zukunft" – Aber hat sie auch eine?

Dabei darf nicht vergessen werden, dass die Branche sich auf einen enormen Strukturwandel vorbereitet. Neue Technologien und Geschäftsmodelle sollen die Branche für das neue Zeitalter der vernetzten Produktion fitmachen. Entsprechend vollmundig klangen noch 2018 die Investitionsankündigungen. Jetzt werden diese aber von angekündigten Sparmaßnahmen der großen Branchenplayer flankiert.

Damit die deutsche Chemie nicht international ins Hintertreffen gerät, macht sich der VCI für steuerliche Forschungsförderung stark. „Chemie ist Zukunft“, erklärt van Bylen. Immerhin seien Zukunftsthemen wie Elektromobilität, Leichtbau oder Energieeffizienz ohne die Enabler aus der Retorte nicht zu haben.

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