Leben im Abgas des Ozeans Rauch von Unterwasservulkanen beherbergt neue Bakterienart
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Das Leben in der Unterwasserwelt kann geschmückt sein von farbenprächtigen Korallen und saftigen Seegraswiesen – oder von heißen, schwefeligen Abgasen. In solchem Rauch von arktischen Unterwasservulkanen haben Forscher nun eine neue Bakterienart entdeckt. Sie hat sich auf die unwirtliche Umgebung spezialisiert und nutzt die freigesetzte Geoenergie zum Überleben.

Tief im Ozean, an den Grenzen tektonischer Platten, bilden Unterwasservulkane so genannte hydrothermale Quellen. An diesen Quellen tritt heiße, sauerstofffreie Flüssigkeit aus, die große Mengen an Metallen wie Eisen, Mangan oder Kupfer enthält. Wenn sich das heiße Wasser mit dem umgebenden kalten und sauerstoffhaltigen Seewasser mischt, entstehen hydrothermale Schwaden mit rauchähnlichen Partikeln aus Metallsulfid. Diese Schwaden steigen Hunderte von Metern über dem Meeresboden auf und verteilen sich Tausende von Kilometern. Hydrothermale Schwaden scheinen ein riskanter Ort zu sein, um dort heimisch zu werden. Das hindert bestimmte Bakterien aber nicht daran, genau dort zu wachsen und zu gedeihen, wie Forscher nun in einer Studie im Fachmagazin Nature Microbiology berichten.
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Exotischer Stoffwechsel aufgedeckt
„Heiße” Mikrobe oder die Hummel unter den Mikroorganismen
„Wir haben die Bakterien der Gattung Sulfurimonas genau unter die Lupe genommen“, sagt Erstautor Massimiliano Molari vom Max-Planck-Institut für Marine Mikrobiologie in Bremen (MPI Bremen). Von diesen Bakterien war bisher nur bekannt, dass sie in sauerstoffar-men Lebensräumen wachsen. Gensequenzen von ihnen wurden vereinzelt aber auch in hydrothermalen Schwaden nachgewiesen. „Man ging davon aus, dass sie aus den Lebensräumen rund um die heißen Quellen am Meeresboden dorthin gespült wurden. Wir fragten uns aber, ob nicht die Schwaden selbst ein geeigneter Wohnort für manche Mitglieder der Sulfurimonas-Gruppe sein könnten.“
Proben aus der Tiefe des arktischen Meeres
Gemeinsam mit Kollegen des Alfred-Wegener-Instituts, Helmholtz-Zentrum für Polar- und Meeresforschung (AWI) in Bremerhaven und des Marum Zentrum für Marine Umweltwissenschaften der Universität Bremen machte sich Molari daher auf eine Forschungsreise zu hydrothermalen Quellen in der zentralen Arktis und im Südatlantik, um die Hypothese der hydrothermalen Schwaden lebenden Bakterien zu überprüfen.
„Wir sammelten unsere Proben in extrem abgelegenen Regionen von besonders langsamen Spreizungsrücken, die noch nie untersucht worden waren“, sagt Antje Boetius, Gruppenleiterin am Max-Planck-Institut für Marine Mikrobiologie und Direktorin des AWI, die die Arktis-Missionen leitete. „Es ist sehr kompliziert, Proben aus hydrothermalen Ablagerungen zu gewinnen, da sie schwer zu lokalisieren sind. Noch schwieriger wird es, wenn sich die Schwaden in Tiefen von mehr als 2.500 Metern und unter dem arktischen Meereis oder in den stürmischen Zonen des Südpolarmeeres befinden.“ An Bord des Forschungsschiffs Polarstern gelang es den Forschern dennoch, Proben zu sammeln und anhand dieser die Zusammensetzung und den Stoffwechsel der Bakterien zu untersuchen.
Genetisch an Extreme angepasst
Molari and seine Kollegen identifizierten eine neue Sulfurimonas-Art namens USulfurimonas pluma (das hochgestellte „U“ steht für unkultiviert, also nicht im Labor kultiviert), die in den kalten, sauerstoffgesättigten Hydrothermalfahnen lebt. Dieses Bakterium nutzt Wasserstoff aus der Schwade als Energiequelle. Die Forscher untersuchten auch das Genom der Mikroorganismen und stellten fest, dass es stark reduziert ist. Es fehlen Gene, die für andere Arten typisch sind. Mit anderen Genen sind sie aber gut ausgestattet, um in dieser dynamischen Umgebung wachsen zu können.
„Wir vermuten, dass die Hydrothermalschwade nicht nur Mikroorganismen aus hydrothermalen Schloten verbreitet, sondern auch eine ökologische Verbindung zwischen dem offenen Ozean und den Lebensräumen auf dem Meeresboden herstellen kann“, sagt MPI-Forscher Molari. „Unsere phylogenetische Analyse deutet darauf hin, dass USulfurimonas pluma von einem Vorfahren abstammen könnte, der mit hydrothermalen Schloten assoziiert war, aber eine höhere Sauerstofftoleranz entwickelte und sich dann über die Ozeane verbreitete. Dies muss jedoch noch weiter untersucht werden.“
Ein Blick auf die Genomdaten aus anderen Schwaden zeigte, dass USulfurimonas pluma in solchen Lebensräumen überall auf der Welt wächst. „Offensichtlich haben sie eine ökologische Nische in kalten, sauerstoffgesättigten und wasserstoffreichen Hydrothermalschwaden gefunden“, sagt Molari. „Wir müssen wohl unsere Vorstellungen über die ökologische Rolle von Sulfurimonas in der Tiefsee überdenken. Sie könnte viel wichtiger sein, als wir bisher dachten.“ (clu)
Originalpublikation: Massimiliano Molari, Christiane Hassenrueck, Rafael Laso-Pérez, Gunter Wegener, Pierre Offre, Stefano Scilipoti, and Antje Boetius: A hydrogenotrophic Sulfurimonas is glo-bally abundant in deep-sea oxygen-saturated hydrothermal plumes. Nature Microbiology, March 2023; DOI: 10.1038/s41564-023-01342-w
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