Forschung im Dialog: Immunologie Was kann unser Immunsystem leisten?
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Den Krebs besiegen. Unser Herz am Laufen halten, das ganze Leben prägen. Das Immunsystem ist Dreh- und Angelpunkt von unserer Gesundheit und so vielem mehr. Immunforscher haben bei einem Pressegespräch in Würzburg Einblicke in ihre spannende Arbeit gegeben und erklärt, was wir schon wissen und was es noch zu entdecken gibt.

Im Vorfeld des Tages der Immunologie am 29. April haben Forscher aus verschiedenen Fachbereichen der Max-Planck-Forschungsgruppe und des Universitätsklinikums Würzburg einen Blick hinter die Kulissen gewährt und zeigten, was die Immunologie in den Bereichen Systemimmunologie, Neonatologie, Onkologie und Kardiologie schon leistet und noch leisten kann. Das hybride Pressegespräch am 26. April wurde von der Vogel Stiftung Dr. Eckernkamp gemeinsam mit der Max-Planck-Forschungsgruppe für Systemimmunologie an der Universität Würzburg organisiert.
Das Immunsystem vor Ort
Professor Georg Gasteiger und Professor Wolfgang Kastenmüller untersuchen, wo das Immunsystem aktiv ist – es wirkt nämlich auch an Stellen, wo man es nicht vermutet. „Es ist faszinierend, dass sich manche Immunzellen schon vor der Geburt und in den ersten Lebenswochen in bestimmten Geweben ansiedeln, ein fester Bestandteil davon werden und die Entwicklung und Funktion dieser Gewebe beeinflussen“, sagt Kastenmüller. Man findet das Immunsystem in allen Geweben, es kommuniziert mit dem Nervensystem, reguliert unseren Stoffwechsel, sorgt für einen regelmäßigen Herzschlag und steuert die Gewebeerneuerung. Es ist unermüdlich im Einsatz, um uns aktiv gesund zu erhalten.
Gasteiger erklärt: „Wir untersuchen, wie sich diese Zellen vor Ort auf so unterschiedliche Umgebungen wie Haut, Lunge, Darm, Leber oder Fettgewebe spezialisieren, und wie das Immunsystem die Entwicklung und Funktion des Körpers im gesunden beeinflusst. Das ist die Grundlage, um Veränderungen bei Krankheiten zu erkennen, und um neue Ansätze zu entwickeln, wie man diese Veränderungen wieder korrigieren könnte.“
Wie Einflüsse auf Neugeborene das Immunsystem lebenslang lenken
Neonatologin und Immunologin Dorothee Viemann forscht an der frühen Prägung und wie Einflüsse auf Neugeborene das Immunsystem lebenslang lenken: „Sämtliche Umwelteinflüsse in den ersten Wochen und Monaten nach der Geburt beeinflussen das Immunsystem ein Leben lang und entscheiden maßgeblich über die Entwicklung von Gesundheit und Krankheit. Dabei gilt auch für das Immunsystem: Was Hänschen nicht lernt, lernt Hans nimmer mehr.“ Denn gerät es auf die falsche Bahn, sind große Kraftanstrengungen und Therapien nötig, um es im Erwachsenenalter wieder einzufangen. Es können sich beispielsweise chronische Erkrankungen entwickeln.
Damit Kinderärzte Eltern sichere Empfehlungen an Eltern geben können, wie diese das Immunsystem ihres Kindes stärken sollen, versuchen Forscher besser und individuell zu verstehen, welches Kind welche Faktoren zur Immunreifung benötigt. Als Beispiel dafür nannte Viemann Muttermilch als die beste Nahrung für Säuglinge. Sie enthält unter anderem so genannte S100 Alarmine, die eine wichtige Rolle bei der neonatalen Prägung spielen.
Zellen als lebende Krebsmedikamente
Professor Michael Hudecek, Lehrstuhl für Zelluläre Immuntherapie, Medizinische Klinik und Poliklinik II am Uniklinikum Würzburg, forscht an CAR T-Zellen, auch Smart Cells genannt. Sein Ziel ist es auch herauszufinden, wie diese programmierten Zellen als lebende Medikamente eingesetzt werden können, die Krebszellen aufspüren und bekämpfen. Er hat die neue Form der Therapie von Anfang an mitentwickelt und mitbegleitet: „Die Immuntherapie mit CAR-T Zellen ist eine transformative Behandlung in der Krebsmedizin. CAR T-Zellen, die Würzburger Forscher mitentwickelt haben, wurden weltweit bei über 1.000 Patientinnen und Patienten mit Leukämie und Lymphknotenkrebs erfolgreich eingesetzt.“
Viele der behandelten Patienten sind inzwischen krankheitsfrei. Die so genannte zelluläre Immuntherapie ist eine neue Medikamentenkategorie, mit denen Betroffene, die auf Chemotherapie nicht mehr ansprechen, eine Heilungschance erhalten. Auch in weiteren Bereichen ist die Anwendung denkbar. „Wir freuen uns über ein neues Leuchtturm-Projekt, in dem wir diese Zelltherapie bei Organ- und Hirntumoren einsetzen werden“, sagt Hudecek. Und auch weitere Felder sind geplant: Die Forscher arbeiten intensiv an neuen Konzepten, um mit CAR T-Zellen in Zukunft auch Autoimmunerkrankungen, kardiologische und neurologische Erkrankungen behandeln zu können.
Schützt ein gutes Immunsystem vor Herzinfarkten?
Über die regenerative Macht des Immunsystems sprach Professor Stefan Frantz, Direktor der Medizinischen Klinik I am Uniklinikum Würzburg und ging näher auf die Heilungschancen nach einem Herzinfarkt ein: „Am Herzen ist ein intaktes Immunsystem für dessen Funktion und Reparatur von Schädigungen elementar.“ Auch wenn keine Krankheit vorliegt, braucht der Körper das Immunsystem für überlebenswichtige Funktionen: Das Immunsystem beeinflusst zum Beispiel, wie schnell das Herz altert. Und bei jedem Herzschlag müssen Makrophagen – Zellen des Immunsystems – anwesend sein, damit die Reizweiterleitung beim Herzschlag funktioniert.
Nach einem Herzinfarkt liegt eine Art „Wunde“ vor. Hier dringen Immunzellen in das Herz ein und sorgen für die Wundheilung. Diese Zellen kommen beispielsweise aus Knochenmark und Milz. Für eine adäquate Heilung nach einem Herzinfarkt, muss dann das Immunsystem in guter Balance sein. Fällt die Immunreaktion zu stark aus, reagiert das Herz mit einer Verschlechterung der Pumpfunktion. „Diese Verbindung zwischen Herz und Immunsystem ist noch nicht lange bekannt und erst durch revolutionierende technische Entwicklungen möglich geworden, beispielsweise durch Single Cell Sequencing“, erklärt Frantz.
Würzburg als Immunologie-Hub
Die Würzburger Universitätsklinik hat sich auch vor der Pandemie bereits als wichtiger Forschungsstandort im Bereich Immunologie hervorgetan und diese Kompetenzen in den letzten Jahren stark ausgebaut. Die Vogel Stiftung Dr. Eckernkamp unterstützt viele medizinische Forschungsprojekte und bemüht sich dabei um seriöse Gesundheitsinformationen für die Öffentlichkeit. „In den letzten drei Jahren haben wir gelernt, Erkenntnisse aus der Grundlagenforschung unmittelbar an den Patienten zu bringen. Durch die Pandemie ging ein Ruck durch die Gesellschaft, man hat die Notwendigkeit dieser engen Zusammenarbeit erkannt. Davon sollten wir lernen und jetzt Wege finden, für die Zukunft eine enge Kollaboration auszubauen“, resümiert Gasteiger.
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