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Nervensystem

Wie Bienen riechen

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Das Experiment zur Untersuchung der Geruchsinformations-Verarbeitung

„Ziemlich mühsam“ sei der Einstieg in die Untersuchungen deshalb gewesen, erinnert sich Brill. Allein die Vorarbeiten hätten sich über rund zwei Jahre hingezogen. Von dem Moment an, ab dem die Technik stand, liefen die Experimente jedoch zur Zufriedenheit der Wissenschaftler. Innerhalb kürzester Zeit konnten sie einen gewaltigen Schatz an Daten sammeln. Bei dessen Auswertung wurden sie unterstützt von dem Neuroinformatiker Martin Nawrot (FU Berlin / Bernstein Center für Computational Neuroscience Berlin).

In ihren Experimenten haben Rößler und Brill Bienen unterschiedlichste Gerüche präsentiert: mal typische Blumendüfte, mal Pheromone – also Botenstoffe, mit denen die Tiere kommunizieren, mal soziale Gerüche aus der Alltagsumwelt einer Honigbiene: Wachs, Honig, verlassene Waben. Währenddessen haben sie mit extrem feinen Sonden, selbst gebaute Elektroden aus Drähten deren Durchmesser (15 µm) gerade einmal dem Fünftel eines menschlichen Haares entspricht, die Aktivität vieler Nervenzellen in beiden Nervenstränge gemessen.

Die Ergebnisse der Untersuchungen

„Unsere Untersuchungen haben gezeigt, dass beide Nervenstränge in einem weiten Bereich überlappende Aktivitätsmuster zeigen. Das spricht dafür, dass die Informationen parallel verarbeitet werden“, fasst Wolfgang Rößler die Ergebnisse zusammen. Damit sei die Vermutung widerlegt, die Stränge könnten für unterschiedliche Dufttypen zuständig sein.

Allerdings fanden die Wissenschaftler auch Unterschiede zwischen den Strängen: So leitet der eine sehr allgemein Informationen weiter – jede einzelne Nervenzelle, aus denen er sich zusammensetzt, reagiert auf viele unterschiedliche Düfte. Der andere arbeitet sehr viel spezifischer: Hier ist eine Nervenzelle für jeweils einen Duft oder wenige Düfte zuständig. Dafür geht es auf diesem Pfad etwas langsamer – wenn auch nur im Millisekundenbereich.

Die „Was-Bahn“ und die „Wann-Bahn“: So haben die Wissenschaftler die beiden Nervenpfade benannt. Während die eine Bahn der Biene sagt, welchen Duft sie gerade wahrnimmt, liefert die andere Bahn die dazugehörige zeitliche Information. Aus ihr kann das Tier herauslesen, wo genau der Duft herkommt.

Weitere Arbeiten notwendig

Das Verarbeitungsprinzip eignet sich nach Rößlers Worten möglicherweise auch besonders gut dazu, Duftmischungen in kürzester Zeit zu analysieren. Das ist für Bienen von besonderer Bedeutung, da jeder Bienenstock seinen eigenen, für ihn typischen Geruch besitzt. Dafür verantwortlich sind zwar eine Größenordnung von etwa 25 Substanzen auf der Körperoberfläche; sie unterscheiden sich aber von Volk zu Volk durch ihr jeweiliges Mischungsverhältnis. Ob Bienen tatsächlich Duftmischungen über die Parallelverarbeitung besonders gut erkennen können, ist allerdings noch eine Hypothese, die in Zukunft überprüft werden müsse, so Rößler.

Überhaupt warnt Rößler vor allzu großer Euphorie: Der „olfaktorische Code“ sei mit dieser Arbeit noch nicht geknackt. Aber ein wichtiger Schritt in dieser Richtung sei geschafft.

Finanziell gefördert wurde das Projekt im deutschlandweiten DFG-Schwerpunktprogramm „Integrative Analysis of Olfaction“ (SPP 1392).

Originalpublikation: Parallel Processing via a Dual Olfactory Pathway in the Honeybee. Martin F. Brill, Tobias Rosenbaum, Isabelle Reus, Christoph J. Kleineidam, Martin P. Nawrot und Wolfgang Rössler. Journal of Neuroscience. 6. Februar 2013. DOI:10.1523/JNEUROSCI.4268-12.2013

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