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Evolution der Ernährung Wieso Käse und Sauerkraut dem Immunsystem helfen

Autor / Redakteur: Peggy Darius* / Christian Lüttmann

Sauerkraut und Käse haben etwas gemein: Milchsäurebakterien, die für die Fermentation sorgen. Schon lange weiß man, dass die Mikroben für das menschliche Immunsystem förderlich sind. Woher dieser Effekt kommt, haben nun Forscher der Universität Leipzig entdeckt. Eine Ernährungsumstellung in der Evolutionsgeschichte des Menschen spielt dabei eine entscheidende Rolle…

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Diese Immunzellen exprimieren den HCA3-Rezeptor, der nur bei Menschanaffen und Menschen vorkommt. Kern und Cytoskelett sind gefärbt.
Diese Immunzellen exprimieren den HCA3-Rezeptor, der nur bei Menschanaffen und Menschen vorkommt. Kern und Cytoskelett sind gefärbt.
(Bild: Claudia Stäubert)

Leipzig – Milchsäurebakterien vollbringen erstaunliche Arbeit: Sie verwandeln Milch in Käse und Kohl in Sauerkraut. Die Bakterien erweitern aber nicht nur unseren Speiseplan, sondern wirken auch gesundheitsfördernd auf den menschlichen Organismus. Mit fermentierter Nahrung aufgenommen oder als dauerhafte „Gäste“ im Darm unterstützen sie das Immunsystem von Menschen und Menschenaffen. Wissenschaftler der Universität Leipzig haben nun erstmals die molekularen Mechanismen beschrieben, wie Milchsäurebakterien mit unserem Körper interagieren.

Exklusiver Rezeptor für Menschenaffen und Menschen

Zunächst untersuchten die Forscher Proteine auf der Oberfläche von Zellen, die als Rezeptoren für Hydroxycarboxylsäure (HCA) fungieren. Die meisten Säugetiere haben lediglich zwei Arten von diesem Rezeptor, nur bei Menschen und Menschenaffen gibt es noch einen dritten, den HCA3. „Wir haben evolutionäre, pharmakologische, immunologische und analytische Methoden kombiniert und untersucht, warum dieser Rezeptor uns während der Evolution erhalten geblieben ist“, sagt Studienleiterin Dr. Claudia Stäubert vom Rudolf-Schönheimer-Institut für Biochemie der Universität Leipzig.

Ernährungsumstellung mit Folgen

Unsere menschlichen Vorfahren lebten zu einer Zeit großer Veränderungen auf der Erde, die auch ihren Lebensraum und damit das Nahrungsangebot beeinflussten. Diese führten zu einem neuen Lebensstil, der dadurch gekennzeichnet war, dass weniger frisches Obst verfügbar war und mehr herabgefallene fermentierte Früchte aufgenommen werden mussten. In diesem Szenario stellte der Rezeptor HCA3 möglicherweise einen entscheidenden Vorteil dar. „Wir haben im Zuge dieser Studie entdeckt, dass eine Substanz, die in hohen Konzentrationen in fermentierter Nahrung wie Sauerkraut vorkommt, den Rezeptor HCA3 aktiviert und so die Funktion des menschlichen Immunsystems beeinflusst“, erklärt Stäubert.

Botenstoff identifiziert

Die Wissenschaftler um Stäubert belegen mit ihrer Studie, dass nach dem Genuss von Sauerkraut eine Substanz namens D-Phenylmilchsäure im Blut nachgewiesen werden kann – und zwar in Konzentrationen, die ausreichen, um den Rezeptor HCA3 zu stimulieren. „Unsere evolutionären und funktionellen Analysen stützen die Hypothese, dass dieser Rezeptor in Menschen und großen Menschenaffen während der Evolution als neues Signalsystem erhalten geblieben ist, um Funktionen des Immunsystems anzusprechen“, resümiert Stäubert. Die neu entdeckte Substanz D-Phenylmilchsäure teilt dem Immunsystem und den Fettzellen über den Rezeptor mit, dass zum einen Fremdstoffe und zum anderen Energie in den Körper gelangt sind.

„Unzählige Studien zeigen positive Effekte auf, die durch Milchsäurebakterien und fermentierte Nahrungsmittel vermittelt werden. Wir sind überzeugt davon, dass der HCA3 für einige dieser Effekte verantwortlich sein muss“, sagt Stäubert. Kommende Forschungsarbeiten werden der Frage nachgehen, wie genau D-Phenylmilchsäure das Immunsystem und die Energiespeicherung beeinflusst, um herauszufinden ob der HCA3 auch als therapeutischer Angriffspunkt z.B. zur Behandlung des Reizdarmsyndroms dienen könnte.

Die Studie vom Rudolf-Schönheimer-Institut für Biochemie mit Direktor Prof. Dr. med. Torsten Schöneberg wurde in Zusammenarbeit mit dem Institut für Laboratoriumsmedizin, Klinische Chemie und Molekulare Diagnostik des Universitätsklinikums Leipzig, Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung - UFZ und dem Deutschen Zentrum für integrative Biodiversitätsforschung (iDiv) durchgeführt.

Originalpublikation: Anna Peters, Petra Krumbholz, Elisabeth Jäger, Anna Heintz-Buschart, Mehmet Volkan Çakir, Sven Rothemund, Alexander Gaudl, Uta Ceglarek, Torsten Schöneberg, Claudia Stäubert: "Metabolites of lactic acid bacteria present in fermented foods are highly potent agonists of human hydroxycarboxylic acid receptor 3. PLOS Genetics, 2019; DOI: 10.1371/journal.pgen.1008145

* P. Darius, Universität Leipzig, 04109 Leipzig

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