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Wächter über Qualität
Neben dem Impact-Faktor, der Rückschlüsse auf die Reichweite eines Journals erlaubt, gibt es ein Instrument, das tatsächlich als Qualitätssicherung gedacht ist. Der Schutzmechanismus, der die Veröffentlichung von Scheinstudien oder gefälschten Ergebnissen verhindern soll, ist das so genannte Peer-Review: Ein mehrstufiger Prozess, bei dem Wissenschaftler innerhalb ihres Fachgebietes fremde Einreichungen im Detail kontrollieren. Dabei werden im Idealfall alle präsentierten Daten, alle zugrunde liegenden Methoden und alle Quellenangaben genauestens auf Richtigkeit überprüft. Auch ob die vorgestellten Daten wirklich neu sind und die Wissenschaft voran bringen, ist Gegenstand eines gewissenhaften Peer-Reviews. Doch genau dieses Kontrollinstrument ignorieren Raubverlage und winken Einreichungen ohne ernsthafte fachliche Kontrolle durch, obwohl sie behaupten, Peer-Reviews durchzuführen.
Wenn auf diese Weise – irrtümlich oder bewusst – falsche Forschungsergebnisse publiziert werden, ist die Gefahr groß, dass diese sich in Fach- und Populärmedien rasch verbreiten und so einer breiteren Öffentlichkeit zugänglich werden. Schließlich verlassen sich Redaktionen im Regelfall auf die Korrektheit publizierter Studien. Hinzu kommt, dass sich vermeintlich sensationelle Forschungsergebnisse besser zur Schlagzeile eignen als die mutmaßlich weniger spektakulären. Getreu dem sicher fragwürdigen, dennoch verbreiteten Motto der Medienwelt „If it bleeds it leads“, setzen sich daher oft die Meldungen durch, die erwartungsgemäß am meisten gelesen, geklickt und geteilt werden. Im Buhlen um die Leser- und „Userschaft“, um Abonnenten, Zuhörer oder Zuschauer, bleibt so Sachlichkeit und Qualität so manches Mal auf der Strecke.
Gerade in Anbetracht der zunehmenden Verbreitung von Raubverlagen scheint es aber von Nöten, besonders kritisch und verantwortungsvoll mit dem Weiterverbreiten neuer Studienergebnisse umzugehen. Gesunder Menschenverstand und kritisches Hinterfragen sind erste Schritte, um unseriöse Forschung auszusieben. Weitere Unterstützung sollen Listen bringen: Whitelists von vertrauenswürdigen Zeitschriften und Blacklists von zu meidenden Raubverlagen sind dazu gedacht, Forschern wie auch ihren „Sprachrohren“ zu helfen, die Qualität der Verlage einzuordnen. Ob das dem Erfolg der Raubverlage Einhalt gebieten kann, bleibt abzuwarten – zumal diese, nachdem sie aufgeflogen sind, oft unter anderem Namen wieder auftauchen.
Aufklären über Raubverlage
Die Wissenschaft entwickelt sich weiter. Nicht nur die Technologien, sondern auch die Art, wie mit neuen Erkenntnissen umgegangen wird, haben sich geändert. Forscher verschanzen sich nicht mehr in ihrem Elfenbeinturm, sondern suchen vermehrt den Kontakt zur Öffentlichkeit. Das ist sehr zu begrüßen, führt aber eben auch dazu, dass sich eine Schraube aus Sensationsgier und Publikationsdruck dreht, bei der etwas Entscheidendes an Bedeutung zu verlieren droht: Die Qualität der Forschung.
In dem Wettrennen um immer neue sensationelle Forschungsdurchbrüche haben Raubverleger ein lukratives Geschäftsmodell gefunden: Sie bieten Wissenschaftlern einen Weg, ihre Ergebnisse trotz eines Überangebots an Publikationen zu veröffentlichen. Einen Anspruch auf Qualität pflegen diese Verlage jedoch nicht. Fehlerhafte oder gar bewusst manipulierte Studienergebnisse finden so leicht den Weg in die Medien und von dort ins öffentliche Bewusstsein. Letztlich schadet dies dem allgemeinen Ruf der Wissenschaft.
Vielleicht kann man den Raubverlagen ihre Geschäftsgrundlage entziehen, indem man über deren Existenz und Praktiken aufklärt und die Forscher und Redakteure anderer Verlage so sensibilisiert. Doch Aufklärung allein wird wohl kaum genügen, das Geschäft mit den ungeprüften Veröffentlichungen zu unterbinden: Denn dafür spielen zu viele Facetten wie der Publikationsdruck der Forscher und die Sensationsgier von Lesern und Verlagen eine Rolle.
Hier finden Sie den Leitartikel zu derReportageder Süddeutschen Zeitung und des NDR.
* C. Lüttmann, Redaktion LABORRAXIS, E-Mail christian.luettmann@vogel.de
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