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Nachhaltige Textilien Aus Pilz statt Kuhhaut: Potenzial von veganem Leder

Von Pia Gärtner*

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Sofa, Jacke, Handtasche – in vielen Bereichen der Textil- und Möbelindustrie ist Leder ein oft eingesetztes Material. Doch der „Stoff“ wird zunehmend kritisch gesehen, steht doch die Frage nach dem Tierwohl mehr und mehr im Vordergrund. Und auch Kunstleder ist unter Nachhaltigkeitsaspekten mitunter kein guter Ersatz. Eine vegane und nachhaltige Alternative wäre Leder auf Pilzbasis. Forscher aus Wien haben das Potential von „Pilz-Leder“ in einem Übersichtsartikel beleuchtet.

Aus Pilzen gewonnenen lederartigen Materialien haben beträchtliches Potenzial vor allem im Bezug auf ihre Nachhaltigkeit.
Aus Pilzen gewonnenen lederartigen Materialien haben beträchtliches Potenzial vor allem im Bezug auf ihre Nachhaltigkeit.
(Bild: Alexander Bismarck)

Wien/Österreich – Traditionelles Leder wird aus Tieren gewonnen. Zwar kann Leder als Nebenprodukt der Fleischgewinnung angesehen werden, doch die Tierhaltung wie auch der Prozess der Ledergewinnung gelten zunehmend als ethisch bedenklich und umweltproblematisch (z.B. Entwaldung für mehr Weideflächen, Treibhausgasemissionen, Nutzung von problematischen Stoffen beim Prozess der Gerbung). Kunstleder ist zwar in Bezug auf das Tierwohl besser, bringt dafür aber andere Probleme. Denn zur Herstellung synthetischer Ledermaterialien aus Kunststoffen wie Polyvinylchlorid (PVC) und Polyurethan braucht man Chemikalien, die aus fossilen Rohstoffen stammen.

„Hier kommen aus Pilzen gewonnene lederartige Materialien ins Spiel, die CO2-neutral sind und am Ende der Nutzungsdauer in der Regel auch vollständig biologisch abbaubar sind“, sagt Alexander Bismarck von der Fakultät für Chemie der Universität Wien. In einem Übersichtsartikel zeigt er mit seinem Kollegen Mitchell Jones das beträchtliche Potenzial der aus Pilzen gewonnen erneuerbaren nachhaltigen Textilien auf.

Pilzfasern als Lederimitat

Die Produktion von Lederersatzmaterialien aus Pilzen ist über die Wiederverwertung kostengünstiger land- und forstwirtschaftlicher Nebenprodukte wie Sägemehl möglich. Diese vermeintlichen Abfallstoffe dienen als Grundlage für das Pilzmycel, also die länglichen, röhrenförmigen Strukturen, die das vegetative Wachstum von Fadenpilzen fördern.

Nach einer Zeit des Wachstums kann die Pilz-Biomasse geerntet und physikalisch und chemisch behandelt werden, z.B. durch Pressen oder Vernetzen. „Im Endergebnis ähneln diese Schichten aus Pilzbiomasse optisch Leder und sie bringen vergleichbare Materialeigenschaften und haptische Merkmale mit“, sagt Bismarck. Erste Biotech-Unternehmen vermarkten bereits die aus Pilzen gewonnen Materialien.

Das Lederersatzmaterial aus Pilzen erhält vor allem vollständig biologisch abbaubares Chitin, u.a. als Stabilisator des Materials, und andere Polysaccharide wie Glucane. In eigenen Studien untersuchten Bismarck und Jones bereits selbst Champignons (A. bisporus) und Rötende Blätterwirrlinge (D. confragosa) zur Herstellung von Pilzpapieren und schaumartigen Baumaterialien, z.B. zur Dämmung.

Gute Zukunftsaussichten für nachhaltiges „Leder“

In dem aktuellen Übersichtartikel untersuchen die Forscher die Nachhaltigkeit von Rinder- und Kunstleder und stellen erste Entwicklungen und Kommerzialisierungen von aus Pilzen gewonnen Lederersatzstoffen vor. Zu den größten Herausforderungen in der Produktion lederartiger Materialien aus Pilzen zählt es den Autoren zufolge, homogene und konsistente Mycel-Matten herzustellen, „die ein gleichmäßiges Wachstum und eine konsistente Dicke, Farbe und mechanische Eigenschaften aufweisen.“

Die Produktion dieser Materialien sei bisher vor allem unternehmerisch getrieben gewesen: Pilze als kosteneffiziente sowie sozial- und umweltgerechte Alternative zu Rinds- wie auch Kunstleder sei vor allem für nachhaltigkeitsbewusste Konsumenten und Unternehmen interessant. Zudem sei es auch für die wachsende Gruppe von Veganern von Interesse, schreiben die Forscher: „Erhebliche Fortschritte in dieser Technologie und die wachsende Anzahl von Unternehmen, die Lederalternativen auf Pilz-Biomasse-Basis herstellen, lassen vermuten, dass dieses neue Material eine beträchtliche Rolle in der Zukunft ethisch und ökologisch verantwortlicher Textilien spielen wird.“

Originalpublikation: Mitchell Jones, Antoni Gandia, Sabu John und Alexander Bismarck: Leather-like material biofabrication using fungi, Nature Sustainability 2020, DOI: 10.1038/s41893-020-00606-1

* P. Gärtner, Universität Wien, 1010 Wien/Österreich

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