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Spin-Off bindet Kohlendioxid in Betonbruch Betongold 2.0: Geht es künftig weniger klimaschädlich?

Von Ori Schipper*

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Die weltweite Zementproduktion entlässt etwa viermal so viel Kohlendioxid in die Luft wie der gesamte globale Flugverkehr. Ein Schweizer ETH-Spin-Off setzt nun genau dort an. Mit einer neuen Technologie wollen die Gründer Kohlendioxid aus der Luft in Betonbruch dauerhaft binden und zu einem neuen Gestein verarbeiten, das als Basis für frischen Beton dienen kann.

Klimaschädliches Betongold: Die weltweite Zementproduktion entlässt etwa viermal so viel Kohlendioxid in die Luft wie der gesamte globale Flugverkehr. (Symbolbild)
Klimaschädliches Betongold: Die weltweite Zementproduktion entlässt etwa viermal so viel Kohlendioxid in die Luft wie der gesamte globale Flugverkehr. (Symbolbild)
(Bild: gemeinfrei)

Zürich/Schweiz – „Im Baubereich wird zwar viel geforscht, trotzdem hat die Industrie bisher nur kleine Emissionsreduktionen erzielt, weil ein großer Teil der Erkenntnisse schubladisiert wird und nicht zur Anwendung gelangt“, sagt Johannes Tiefenthaler, einer der Gründer des ETH-​Spin-Offs Neustark und Doktorand am dortigen Departement Maschinenbau und Verfahrenstechnik. „Ich möchte meine Energie, die ich in mein Doktorat stecke, verwenden, um etwas zu bewirken“. Schon während seiner Masterarbeit hat sich Tiefenthaler mit verschiedenen Möglichkeiten beschäftigt, wie man Kohlendioxid mit mineralischen Stoffen reagieren lassen und als Kalkstein binden kann.

Eigentlich gibt es genug mineralische Stoffe auf der Erde, um mehrere Hundert Milliarden Tonnen Kohlendioxid zu binden, doch weil diese Materialien – etwa Magnesiumsilikate – nicht besonders reaktiv seien, müssten sie zuvor auf 700 °C aufgeheizt werden, sagt Tiefenthaler. Im Gegensatz dazu habe sich Betongranulat als hochreaktiv erwiesen, wegen der insgesamt riesigen Oberfläche der vielen millimeterkleinen Partikel. Auch ohne Vorbehandlung formt der Betonbruch mit dem Kohlendioxid sehr stabile chemische Verbindungen.

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Verfeinerte Eigenschaften des Abbruchmaterials Beton

Der Clou von Neustarks Technologie: Sie bindet CO2 in den Poren und an der Oberfläche von Betongranulat als Kalkstein. Dieses aufgewertete Granulat kann nun als Sand-​ und Kiesersatz in frischen Beton gemischt werden. Dank dem aufgewerteten Granulat benötigt man dafür weniger Zement - bei gleichbleibenden Eigenschaften.

„Mich hat gereizt, dass die Lösung nicht erst in fünf oder zehn Jahren, sondern schon jetzt greifbar ist“, sagt der zweite Jungunternehmer, der Betriebswirt Valentin Gutknecht.

Vor der Gründung war Gutknecht beim ETH-​Spin-off Climeworks – dem Pionierunternehmen für die Entfernung von Kohlendioxid aus der Umgebungsluft – mitverantwortlich für das Marketing und den Verkauf. Bei Neustark läge die Herausforderung vor allem darin, zwischen vielen Themenbereichen zu jonglieren, sagt Gutknecht. Sie müssten nicht nur die Betoneigenschaften im Griff haben, sondern sich auch auf den verschlungenen Pfaden der CO2-​Zertifizierungen zurechtfinden.

Vorerst hätten sie sich für eine containerbasierte Lösung entschieden, sagt Tiefenthaler. In einem vom Bundesamt für Umwelt und der Klimastiftung Schweiz unterstützten Projekt gehe es nun darum, den Wertzuwachs entlang der ganzen Wertschöpfungskette zu demonstrieren: Das Kohlendioxid soll von einer Biogas-Auftrennungsanlage des Abwasserreinigungswerk Arabern in Herrenschwanden kommen. Mit diesem (für den Transport verflüssigten) Kohlendioxid behandelt Neustark in seiner Pilotanlage den Betonbruch.

Kohlendioxid-Emissionen rückgängig machen

Die weltweite Zementproduktion entlässt etwa viermal so viel Kohlendioxid in die Luft wie der gesamte globale Flugverkehr. Wenn die Technologie von Neustark also hilft, den Zementbedarf im Bauwesen zu senken, verbessert sich dessen CO2-​Bilanz, weil ein Teil der Emissionen aus der Herstellung vermieden werden kann.

Doch Gutknecht und Tiefenthaler weisen beide auf einen zusätzlichen Aspekt hin: Mit ihrem Trick, Kohlendioxid aus der Luft zu holen – und es in die Poren des Betongranulats zu stopfen und dort als Kalkstein dauerhaft zu binden, können sie CO2-​Emissionen sogar rückgängig machen.

„Es gibt nur ganz wenige technische Ansätze für echte negative Emissionen“, sagt Tiefenthaler. Die Anwendung dieser Ansätze hält sich bislang in Grenzen, insbesondere weil überzeugende Anreiz-​ und Geschäftsmodelle fehlen. „In dieser Hinsicht ist unser Vorgehen einmalig, weil wir zeigen, dass sich mit dem Binden von Kohlendioxid ein Mehrwert schaffen lässt. Und dass negative Emissionen nicht nur Kosten, sondern sogar einen wirtschaftlichen Gewinn bringen können“, sagt Gutknecht.

* O. Schipper: ETH Zürich, 8092 Zürich/Schweiz

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