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Schmarotzer mit Potenzial Biologischer Superkleber aus heimischen Mistelbeeren

Von Juliane Jury

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Die Mistel ist gewissermaßen ein Parasit, der seinen Wirtsbäumen Wasser und Nährsalze entzieht. Doch die Pflanze kann noch mehr: nämlich kleben. Sie hat sogar das Potential als biologischer Supekleber in verschiedenen Bereichen Anwendung zu finden.

Nahaufnahme der Mistelbeere
Nahaufnahme der Mistelbeere
(Bild: Nils Horbelt/Max-Planck-Institut für Kolloid- und Grenzflächenforschung)

Die Weißbeerige Mistel kann hierzulande zu einer regelrechten Plage werden. Der strauchartige Halbschmarotzer wächst auf den Ästen und gelegentlich Stämmen verschiedener Gehölze und entzieht diesen Wasser und darin gelöste Nährsalze. Doch die Pflanze hat darüber hinaus Potenzial: Ein Forscherteam des Max-Planck-Instituts für Kolloid- und Grenzflächenforschung (MPIKG) und der McGill Universität in Kanada hat nun starke Klebeeigenschaften der Weißbeerigen Mistel entdeckt. Die flexiblen Fasern der Mistelbeere haften sowohl an Haut und Knorpel als auch an verschiedenen synthetischen Materialien und könnten durch einfache Verarbeitung Anwendung in vielen Bereichen finden, beispielsweise als Wundverschlussmittel in der Biomedizin.

Für ihre Forschung holten die Materialwissenschaftler um Prof. Dr. Peter Fratzl die Mistelbeeren selbst von den Bäumen. Von seinem Bürofenster aus kann der Direktor der Abteilung Biomaterialien die vielen grünen Mitesser sehen. „Misteln wachsen überall in großer Zahl, so auch am Max-Planck-Campus, sie sind biologisch abbaubar und erneuerbar,“ sagt Peter Fratzl und ergänzt: „Erstmals wird nun untersucht, wie man die hervorragenden Klebeeigenschaften für potenziell medizinische oder technische Verwendungen nutzbar machen kann.“

Vorteile des biologischen Klebstoffs: Er haftet sehr gut und ist unter feuchten Bedingungen leicht zu lösen

Um die Klebeeigenschaften zu beobachten, trug der Materialwissenschaftler und frühere Schreiner Dr. Nils Horbelt im Selbstversuch den Mistelkleber drei Tage an den Fingern: „Anschließend konnte ich das Viscin durch einfaches Aneinanderreiben der Finger wieder ablösen.“ Jede Mistelbeere kann einen bis zu zwei Meter langen klebrigen Faden, das sogenannte Viscin produzieren – einen natürlichen Zelluloseklebstoff. Damit können die Samen der halbparasitären Pflanze an ihren Wirtspflanzen haften.

Mistelplage
Mistelplage
(Bild: Nils Horbelt/Max-Planck-Institut für Kolloid- und Grenzflächenforschung)

Die Forscher in der ehemaligen Arbeitsgruppe von Dr. Matthew Harrington, der inzwischen auf eine Professur an der McGill University in Kanada gewechselt ist, entdeckten, dass Viscinfasern durch einfache Verarbeitung im nassen Zustand zu dünnen Filmen gedehnt beziehungsweise zu 3D-Strukturen zusammengefügt werden können. Dieser natürliche Superkleber könnte möglicherweise Anwendung als Wundverschlussmittel finden, zudem haftet er auch an Metallen, Glas und Kunststoffen. Spannend ist auch die Tatsache, dass die Klebeeigenschaften unter feuchten Bedingungen vollständig reversibel sind.

„Es bleiben noch viele Fragen zu diesem sehr außergewöhnlichen Material offen,“ sagt Nils Horbelt, Erstautor der vorliegenden Studie. In einem nächsten Schritt wird nun die Chemie hinter diesem quellfähigen, extrem klebrigen Material untersucht, um den Klebeprozess in einem zweiten Schritt imitieren zu können.

Originalpublikation: Horbelt, Nils; Fratzl, Peter; Harrington, Matthew J.: Mistletoe viscin - a hygro- and mechano-responsive cellulose-based adhesive for diverse material applications, PNAS Nexus, Volume 1, Issue 1, March 2022, pgac026, https://doi.org/10.1093/pnasnexus/pgac026

* J. Jury, Max-Planck-Institut für Kolloid- und Grenzflächenforschung, 14476 Potsdam

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