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CHROMATOGRAPHIE Damit Leitungsrohre das Trinkwasser nicht belasten

Redakteur: Gerd Kielburger

Es gibt Fachleute, die den Hang zum Wassersparen zumindest teilweise in Frage stellen. Wissend, Trinkwasser ist das wichtigste Lebensmittel überhaupt und global betrachtet eine äußerst begrenzte Ressource, fordern sie: Wasser müsse fließen - zumindest in der kommunalen Trinkwasserversorgung. Stagniert das Trinkwasser in Leitungen, kann es in Abhängigkeit des verwendeten Leitungsmaterials entweder Korrosionsprodukte aufnehmen, sofern Leitungen aus Metall installiert wurden, oder organische Komponenten, kommen Kunststoffrohre zur Anwendung. Migrationen belasten das Trinkwasser nicht nur physikalisch oder chemisch, sondern auch mikrobiologisch, da sie und ihre Reaktionsprodukte die im Wasser vorhandene Zahl an Keimen auf ungesunde Art und Weise erhöhen können.?

Ob und wenn ja, welche Inhaltsstoffe handelsübliche Kunststoffrohrleitungen freisetzen oder Wasser geruchlich belasten, das hat Dr. Andreas Koch vom Hygiene-Institut Gelsenkirchen untersucht.?Koch untersuchte Kunststoffrohre unterschiedlicher Werkstofftypen, darunter zwei Rohre aus Polyvinylchlorid (PVC), sechs Verbundrohre mit einer Innenschicht aus vernetztem Polyethylen (PE-X) beziehungsweise Polyethylen (PE), drei PE-Xa- bzw. PE-Xc-, also unterschiedlich vernetzte PE-Rohre, und je ein Rohr aus Polybutylen (PB) und Polypropylen (PP); alle Rohre hatten einen Innendurchmesser von 11 bis 17 mm. Die erforderlichen Prüfwässer stellte der Chemiker auf Basis der DIN EN 1420, „Bestimmung des Geruchs und Geschmacks von Wasser in Rohrleitungssystemen“, in einem mehrstufigen Stagnationsversuch her: die Rohre wurden bei 23 °C sowohl mit entmineralisiertem als auch mit gechlortem Wasser (1 mg Chlor/L Wasser) behandelt (Stagnationszeiten: 3 x 72h); die Warmwasserprüfung erfolgte unter gleichen Bedingungen bei 60 °C (Stagnationszeit 3 x 24h). ?GC/MS-Analyse und olfaktorische Detektion?Zur Anreicherung der Kohlenwasserstoffe aus den Prüfwässern nutzte der Wissenschaftler die statische Headspace-Technik und die Flüssig-Flüssig-Extraktion. Die Kombination sei sinnvoll, „um eine möglichst große Anzahl von Substanzen nachzuweisen, die aus Polymermaterialien migrieren können. Geruchsstoffe müssen schließlich eine gewisse Flüchtigkeit besitzen“, erklärt Koch, andernfalls könnten sie keine Geruchswahrnehmung auslösen. Nach der automatisierten Probenvorbereitung und Probenaufgabe erfolgte die Auftrennung gaschromatographisch und die Identifizierung der Geruchskomponenten mittels massenselektiver Detektion. Um neben der qualitativen beziehungsweise quantitativen Analyse eine geruchliche Bewertung vornehmen zu können, kam ein Olfactory-Detector-Port (ODP) von Gerstel zum Einsatz. Dr. Andreas Koch: „Der olfaktorische Detektor erlaubt es, parallel zum Chromatogramm ein Olfaktogramm aufzunehmen: Wird von der Testperson ein Geruch wahrgenommen, kann sie einen Signalgeber betätigen und eine mündliche Geruchsbeschreibung aufzeichnen. Parallel zur GC/MS-ODP-Analyse ließ er den Geruchsschwellenwert „TON“ (Threshold Odour Number) der Prüfwässer bestimmen nach DIN EN 1622 mittels eines Panels aus fünf sensorisch geschulten Testpersonen; der Geruchsschwellenwert TON ist definiert als Vedünnungsverhältnis, oberhalb dessen bei der Probe kein Geruch wahrnehmbar ist. Geruchsfreies Wasser etwa hat einen TON von Eins. Der Grenzwert gemäß deutscher Trinkwasser-Verordnung beträgt 2 bei 12 °C und 3 bei 25°C Wassertemperatur.?TOC-Konzentration gibt einen ersten Überblick?Ob organische Inhaltsstoffe in den Prüfwässern vorliegen, wurde über die TOC-Konzentration (TOC = Total Organic Carbon) ermittelt. Die Beurteilung erfolgte nach den Empfehlungen für Kunststoffe und andere nichtmetallische Werkstoffe, die mit Trinkwasser in Kontakt kommen (KTW-Empfehlungen), und dem darin beschrieben Grenzwert für Rohre von ?2,5 mg/m2 x d; der TOC-Grenzwert gilt für das Prüfwasser der dritten Versuchsstufe des Kaltwassertestes (23°C). ?Neun der 13 geprüften Rohre erfüllten im Kaltwasserversuch die Anforderungen der KTW-Empfehlung - in Kontakt mit entmineralisiertem Wasser und mit gechlortem Wasser; der Materialflächenwert lag in der maßgeblichen dritten Versuchsstufe in diesen Fällen unter dem Grenzwert. In den übrigen fünf Rohren wurde im Kontakt mit entmineralisiertem Wasser TOC-Gehalte bis zu 14 mg/m2 x d und in Kontakt mit gechlortem Wasser bis max. 16 mg/m2 x d gemessen. Im Warmwassertest (60°C) wurden nach dreitägiger Stagnationszeit (3 x 24 h) hingegen TOC-Konzentrationen bis zu 158 mg/m2 x d gefunden. ?Die Headspace-GC/MS-Analyse ergab: leicht-flüchtige Verbindungen migrieren vor allem aus unvernetzten oder vernetzten Polyethylenmaterialien (PE/PE-X) und nur in geringen Mengen aus den untersuchten PVC-, Polybutylen- oder Polypropylenmaterialien. Die vernetzten PE-Rohrtypen wiesen eine mehr oder weniger hohe Konzentration an 2-Methyl-2-propanol (tert-Butanol) auf: „Bis auf eine Ausnahme fanden sich in den Migraten der PE-X-Rohrtypen tert-Butylmethylether (MTBE) und/oder tert-Butylethylether (ETBE)“, sagt Koch. Dabei und auch beim 2-Methyl-2-propanol handle es sich wahrscheinlich um Reaktionsprodukte des als Initiator für die radikalische Polymerisation zugegebenen Di-tert-butylperoxids. In verschiedenen Prüfwässern von Verbundrohren fand Koch auch Toluol. ?Der Wissenschaftler stellte fest, dass sich Substanzen, die mittels Headspace-GC/MS in den Prüfwässern des Kaltwasserversuchs nachgewiesen wurden, auch im gechlorten Prüfwasser und im Prüfwasser des Warmwasserversuchs fanden. Die gemessenen Konzentrationen waren im warmen Wasser häufig um den Faktor zehn größer. Die erhöhte Temperatur sorgt vermutlich dafür, dass sehr leichtflüchtige Verbindungen wie 2-Propanon während der Stagnationsphase verloren gehen. Die in Prüfwässern mittels Headspace-GC/MS bestimmten Substanzen Tetrahydrofuran, Toluol und Di-tert-butylperoxid wurden auch in den Extrakten der Flüssig-flüssig-Extraktion gefunden. Die Flüssigextrakte der Prüfwässer des Warmwasserversuchs wiesen in der Regel die größte Zahl an detektierbaren Verbindungen auf und zwar mit den höchsten Konzentrationen. Dr. Andreas Koch: „Vergleicht man die Anzahl und die Konzentrationen der detektierten Verbindungen der beiden Kaltwasserversuche, fällt auf: In Kontakt mit gechlortem Wasser scheinen mehr Substanzen in höheren Konzentrationen zu eluieren.“?Die Mehrzahl der Prüfwässer enthielten Verbindungen, die sich den Antioxidantien zuordnen ließen, etwa 2,4-Di-tert-butylphenol, ein Abbauprodukt des Polymeradditivs Irgafos 168Ò, oder 2,6-Di-tert-butyl-p-benzochinon, ein Abbauprodukt der Additive Irganox 1010 und Irganox 1076. Dr. Andreas Koch: „Die übrigen Phenolverbindungen, die wir nachweisen konnten, sind wie das Methyl-3-(3,5-di-tert-butyl-4-hydroxyphenyl)-propionat und die 3-(3,5-Di-tert-butyl-4-hydroxyphenyl)-propionsäure vermutlich Abbauprodukte der Irganox-Additive beziehungsweise des als Additiv verwendeten BHTs.“ ?Prüfpanel versus olfaktorischer Detektor?Vergleicht man die Geruchsschwellenwerte der Prüfwässer, die vom Prüfpanel bestimmt wurden, mit den Anforderungen der KTW-Empfehlung, nach der der Geruchsschwellenwert von 2 in der dritten Stufe des Kaltwasserversuchs nicht überschritten werden darf, dann erfüllen die Anforderungen lediglich vier Rohre im Kaltwassertest (23 °C) in Kontakt mit entmineralisiertem Wasser. Die festgestellte erhöhte Migration von organischen Inhaltsstoffen im Kontakt des Rohrmaterials mit chlorhaltigem Wasser beziehungsweise bei erhöhten Temperaturen (60 °C) wurde durch die ermittelten Geruchs-schwellenwerte fast durchweg bestätigt. In den Prüfwässern der PVC-Rohre ließen sich keine Geruchsstoffe nachweisen. Im Prüfwasser des PP-Materials hingegen wurde ein erhöhter Geruchsschwellenwert festgestellt; die GC/MS-Analyse identifizierte o-tert-Butylphenol als Geruchsstoff. Das getestete PB-Material wies im Warmwasserversuch vergleichsweise geringere Geruchsschwellenwerte auf (TON zwischen 32 und 8). Mittels Headspace-Technik und ODP-Detektor wurden ebenfalls keine Geruchsstoffe festgestellt. Die Flüssig-Flüssig-Extraktion allerdings erbrachte den Nachweis des Geruchsstoffs o-tert-Butylphenol. In den Migraten mehrerer Verbundrohre wurde Toluol gefunden, das auch mit dem ODP identifiziert wurde. In sechs von dreizehn untersuchten Prüfwässern konnten durch Headspace-GC/MS-ODP-Messung Geruchsstoffe identifiziert werden. In sechs PE-X-Rohren wurden tert-Butylmethylether und/oder tert-Butylethylether als Geruchsstoffe olfaktorisch erkannt. Die massenspektrometrische Identifizierung von Geruchsstoffen mittels ODP aus den Flüssigextrakten gelang in Prüfwässern (2x24h) von sieben Rohrmaterialien, etwa Toluol, o-tert-Butylphenol und m-tert-Butylphenol. Die erhöhte Migration organischer Inhaltsstoffe im Kontakt des Rohrmaterials mit chlorhaltigem Wasser beziehungsweise bei erhöhten Temperaturen (60 °C) wird durch die ermittelten Geruchsschwellenwerte fast durchweg bestätigt, lediglich jeweils zwei der dreizehn geprüften Rohrqualitäten wiesen in der 3. Versuchsstufe Geruchsschwellenwerte unter zwei auf.?Idealer Nachweis von Geruchsstoffen organischen Ursprungs in Trinkwasser?In Verbindung von Headspace-Technik und Flüssig-Flüssig-Extraktion lässt sich eine große Anzahl von Substanzen nachweisen, die aus Polymermaterialien ins Trinkwasser migrieren können. „Die Kombination beider Techniken erweist sich als sinnvoll“, sagt Koch. Die sichere Identifizierung und Quantifizierung der massenspektrometrisch nachgewiesenen Substanzen durch den Vergleich von Retentionszeiten mit Standards dürften sich aufgrund der Vielzahl resultierender Peaks in einem Chromatogramm häufig als zeitaufwändig erweisen. Vielfach seien Standards kommerziell auch nicht erhältlich. Der Einsatz der MSD/ODP-Technik ermöglicht die Identifizierung von Geruchskomponenten aus einem Substanzgemisch des Prüfwassers. „Es zeigte sich jedoch, dass sich nicht in allen Prüfwässern, die einen erhöhten Geruchsschwellenwert besaßen, Geruchsstoffe nachweisen ließen“, sagt Dr. Andreas Koch.

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