Strukturanalyse von Lignin Das Geheimnis von Polymeren auf Holzbasis
Das Nebenprodukt Lignin aus der Papierindustrie kann als Basis für nachhaltig hergestellte Kunststoffe dienen – wird aber bisher kaum dafür genutzt. Denn als Naturstoff sind seine Eigenschaften je nach Zusammensetzung unterschiedlich. Forscher aus Schweden haben das Biopolymer nun mit Röntgenstrahlen durchleuchtet, um dessen Materialeigenschaften besser zu verstehen.
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Stockholm/Schweden – Während beim Menschen das Rückgrat für Stabilität sorgt, übernimmt dies bei Pflanzen Lignin. Das Biopolymer ist für die Festigkeit von Pflanzen und deren Verholzen verantwortlich. Bei der Papierproduktion wird es von der Zellulose abgetrennt und fällt dort als Abfallprodukt an – es wird zum Teil zur Energieerzeugung einfach verbrannt.
Dabei könnte der Naturstoff in der Kunststoffproduktion eine entscheidende Rolle spielen. „Jedes Jahr werden Millionen Tonnen davon produziert, die als kontinuierlicher Rohstoffstrom für neue Produkte zur Verfügung stehen könnten“, sagt Forschungsleiter Prof. Mats Johansson von der Königlichen Technischen Hochschule (KTH) Stockholm in Schweden. Er hat mit seinem Team untersucht, wie die innere molekulare Struktur verschiedener Lignin-Anteile mit den Materialeigenschaften der daraus produzierten Kunststoffe zusammenhängt.
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Ultradünne Zellulosefilme
Das Papier aus der Sprühdose
Röntgenanalyse zeigt variierende Eigenschaften
Erste Anwendungen von Hartplastik (Duroplast) auf Lignin-Basis sind bereits seit einiger Zeit verfügbar, jedoch mit einigen Schwierigkeiten: Denn die Materialeigenschaften variieren oft und lassen sich bislang schlecht steuern.
An der Röntgenlichtquelle PETRA III des Deutschen Elektronen-Synchrotrons DESY hat das schwedische Team nun die Nanostruktur verschiedener Anteile von kommerziell erhältlichem Lignin durchleuchtet. „Dabei hat sich gezeigt, dass es Lignin-Anteile mit größeren und kleineren Domänen gibt“, berichtet Hauptautor Marcus Jawerth von der KTH. „Das hat je nach Anwendung Vorteile: Es macht das Lignin härter oder weicher, indem sich die so genannte Glasübergangstemperatur ändert, bei der das Biopolymer einen zähflüssigen Zustand annimmt.“
Die Röntgenanalyse ergab unter anderem, dass solche Lignin-Varianten besonders stabil sind, bei denen die zentralen Benzol-Ringe T-förmig aufeinander stehen. „Die molekulare Struktur beeinflusst die makroskopischen mechanischen Eigenschaften“, sagt DESY-Forscher Prof. Stephan Roth. „Es ist das erste Mal, dass dies charakterisiert wurde.“
Nebenprodukt Lignin als Rohstoffquelle erschließen
Als Naturprodukt besitzt Lignin zahlreiche unterschiedliche Konfigurationen. Weitere Untersuchungen sollen nun einen systematischen Überblick darüber liefern, wie verschiedene Parameter die Lignin-Eigenschaften beeinflussen. „Das ist enorm wichtig, um die Materialien reproduzierbar herzustellen und vor allem die Materialeigenschaften vorherzusagen“, betont Roth. „Wenn man das Material industriell einsetzen möchte, muss man die molekulare Struktur verstehen und mit den mechanischen Eigenschaften korrelieren.“
Bis zu zwei Drittel des bei der Papierproduktion anfallenden Lignins können nach Meinung von KTH-Wissenschaftler Jawerth in Polyester umgewandelt werden und damit als Rohstoff für die Kunststoffindustrie dienen. „Lignin gehört mit Zellulose und Chitin zu den häufigsten organischen Verbindungen der Erde und hat enormes Potenzial, erdölbasierte Plastik-Rohstoffe zu ersetzen“, betont er. „Zum Verbrennen ist es viel zu wertvoll.“
Originalpublikation: Marcus E. Jawerth, Calvin J. Brett, Cédric Terrier, Per T. Larsson, Martin Lawoko, Stephan V. Roth, Stefan Lundmark & Mats Johansson: Mechanical and Morphological Properties of Lignin-based Thermosets, Applied Polymer Materials, 2020, 2, 2, 668-676; DOI: 10.1021/acsapm.9b01007
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