English China

Blauer Phosphor Ein Nichtmetall offenbart metallische Eigenschaften

Redakteur: Christian Lüttmann

Lupenreine Diamanten und aschgraue Bleistiftminen sind völlig verschieden in ihren Eigenschaften, bestehen aber beide ausschließlich aus Kohlenstoff. Auch Phosphor kommt in vielen verschiedenen Modifikationen vor. Nun haben Forscher in Modellrechnungen eine neue Form des Phosphors nachgewiesen, die sich als atomar dünner, metallischer Leiter für hocheffiziente Transistoren eignet.

Anbieter zum Thema

Auf Hochleistungsrechnern haben die Wissenschaftler eine zweischichtige Bienenwabenstruktur mit kleinen Auswölbungen aus blauem Phosphor modelliert. Diese Verbindung ist äußerst stabil und besitzt durch den geringen Abstand zwischen den beiden Schichten metallische Eigenschaften.
Auf Hochleistungsrechnern haben die Wissenschaftler eine zweischichtige Bienenwabenstruktur mit kleinen Auswölbungen aus blauem Phosphor modelliert. Diese Verbindung ist äußerst stabil und besitzt durch den geringen Abstand zwischen den beiden Schichten metallische Eigenschaften.
(Bild: Jessica Arcudia)

Dresden – Das chemische Element Phosphor gilt als eines der grundlegenden Elemente für alle Lebewesen. Phosphorverbindungen sind am Aufbau und der Funktion von Organismen beteiligt, jeder Mensch trägt knapp ein Kilo davon in seinem Körper. Und auch außerhalb unseres Körpers sind wir von Phosphaten und Phosphonaten umgeben: in unserer Nahrung, in Wasch- und Düngemitteln oder in Medikamenten.

Phosphor kommt in mehreren Modifikationen vor, die äußerst unterschiedliche Eigenschaften aufweisen. Unter Normalbedingungen unterscheidet man weißen, violetten, roten und schwarzen Phosphor (s. Bildergalerie). Im Jahr 2014 modellierte ein Team der amerikanischen Michigan State University erstmals auch den „Blauen Phosphor“, der zwei Jahre später experimentell hergestellt wurde.

Das Phosphor-Pendant zu Graphen

Blauer Phosphor ist ein so genanntes zweidimensionales Material. Aufgrund seiner einschichtigen, bienenwabenartigen Struktur erinnert es an das wohl bekannteste 2D-Material: Graphen. Analog zu diesem benannte man es anschließend auch Blaues Phosphoren (engl. blue phosphorene). Dieses neuartige Halbleiter-Material wurde seitdem als äußerst vielversprechender Kandidat für optoelektronische Bauelemente untersucht.

Wie alle Bauelemente muss auch Blaues Phosphoren mit Strom versorgt werden, der üblicherweise über Metallelektroden in das Material gelangt. An der Schnittstelle von Metall und Halbleiter treten gezwungenermaßen Energieverluste auf, man spricht auch von der Schottky-Barriere.

Die besonderen Eigenschaften von blauem Phosphoren

Der Chemiker Prof. Thomas Heine von der TU Dresden hat nun in Kooperation mit mexikanischen Wissenschaftlern eine einzigartige Entdeckung gemacht: Dem interdisziplinären Team gelang es, mittels Berechnungen auf Hochleistungscomputern eine zweischichtige Bienenwabenstruktur aus Blauem Phosphor zu modellieren. Diese zweischichtige Verbindung besitzt kleine Auswölbungen und ist äußerst stabil. Wie das Team überraschend feststellte, verfügt das Nichtmetall in dieser Struktur aufgrund des äußerst geringen Abstands zwischen den zwei Schichten über metallische Eigenschaften.

Blaues Phosphoren ist folglich als Einzellage halbleitend, als Doppellage jedoch metallisch. Solche metallischen 2D-Materialien sind sehr selten. Und bisher ist noch kein anderes Material bekannt, das nur aus einem einzigen Element besteht und solch einen Eigenschaftswechsel vom Halbleiter zum Metall aufweist, der nur durch Stapeln von zwei Monolagen auftritt. Somit lässt sich aus nur einem chemischen Element ein elektronisches oder optoelektronisches Bauelement für die Anwendung in Transistoren oder Photozellen realisieren. Da in diesen Bauelementen keine Schnittstelle zwischen Halbleiter und Metall auftritt, ist eine höhere Effizienz zu erwarten, weil die Schottky-Barriere deutlich verringert ist.

Anwendungsmöglichkeiten in der Elektronik

Die Faszination der neuentdeckten Phosphor-Modifikation beschreibt Studienleiter Heine: „Stellen Sie sich vor, Sie legen zwei Lagen Papier aufeinander und auf einmal glänzt das Doppelblatt metallisch wie Goldfolie. Genau das ist uns gelungen.“ Entscheidend für den Erfolg der Studie war die enge Zusammenarbeit verschiedener Fachbereiche. „Mit einem topologisch-mathematischen Modell konnten wir unter Mithilfe der theoretischen Chemie ein neues Material im Computer entwerfen und dessen physikalische Eigenschaften vorhersagen. Anwendungen im Bereich der Nano- und Optoelektronik sind zu erwarten“, erläutert Heine.

Originalpublikation: Jessica Arcudia, Roman Kempt, Miguel Eduardo Cifuentes-Quintal, Thomas Heine, und Gabriel Merino: Blue phosphorene bilayer is a two-dimensional metal - and an unambiguous classification scheme for buckled hexagonal bilayers, Phys. Rev. Lett. 125, 196401 – Published 3 November 2020; DOI: 10.1103/PhysRevLett.125.196401

(ID:46974263)