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CRISPR/Cas gegen Sichelzellkrankheit Genschere im Einsatz: weltweit erste Therapie in Großbritannien zugelassen

Quelle: dpa Lesedauer: 3 min |

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Die „Genschere“ CRISPR/Cas9 kommt erstmals in einem zugelassenen Medikament zum Einsatz. Ein neues Präparat in Großbritannien ermöglicht nun die Behandlung genetisch bedingter Bluterkrankungen wie der Sichelzellkrankheit. Dies könnte der erste Schritt für viele weitere therapeutische Anwendungen der Genschere sein.

Genetisch bedingte Bluterkrankungen können in Großbritannien seit November 2023 mit dem weltweit ersten Medikament auf Basis der Genschere CRISPR/Cas9 therapiert werden (Symbolbild).
Genetisch bedingte Bluterkrankungen können in Großbritannien seit November 2023 mit dem weltweit ersten Medikament auf Basis der Genschere CRISPR/Cas9 therapiert werden (Symbolbild).
(Bild: Елена Бутусова - stock.adobe.com)

(dpa) In Großbritannien ist das weltweit erste Medikament zugelassen worden, das auf der Genscheren-Technologie CRISPR/Cas9 basiert. Das gab die Arzneimittelbehörde MHRA (Medicines and Healthcare products Regulatory Agency) am 16. November 2023 bekannt. Das Medikament mit dem Namen „Casgevy“ ist demnach für die Behandlung der Sichelzellkrankheit und der Beta-Thalassämie bei Patienten ab zwölf Jahren zugelassen worden. Beiden genetisch bedingten Bluterkrankungen liegen Fehler im Gen für Hämoglobin zugrunde, dem eisenhaltigen Proteinkomplex, der in roten Blutkörperchen für die Aufnahme von Sauerstoff zuständig ist.

Nobelpreistechnik in medizinischer Anwendung

Die so genannte Genschere CRISPR/Cas kann gezielt auf einzelne Gene ausgerichtet werden, um diese zu entfernen bzw. neue Gene in eine Schnittstelle einzusetzen. Die Entwicklerinnen der Methode, Emmanuelle Charpentier und Jennifer A. Doudna, hatten dafür 2020 den Chemie-Nobelpreis erhalten.

Das nun zugelassene Medikament Casgevy diene dazu, die fehlerhaften Gene in Knochenmark-Stammzellen der Patienten zu verändern, damit sie funktionierendes Hämoglobin produzieren können, hieß es in einer Mitteilung der MHRA. Dafür werden Stammzellen dem Knochenmark entnommen, im Labor bearbeitet und dann wieder in den Patienten eingesetzt. Für die Therapie ist ein mehrwöchiger Krankenhausaufenthalt notwendig. Das Ergebnis habe aber das Potenzial, lebenslang zu wirken, hieß es weiter.

Therapie von bislang unheilbaren Erbkrankheiten

Die Sichelzellkrankheit kann zu schweren Schmerzanfällen, ernsthaften und lebensgefährlichen Infektionen und Anämie, einem auch als Blutarmut bezeichneten Mangel an Sauerstoff im Blut führen. Patienten mit Beta-Thalassämie leiden ebenfalls an Anämie und benötigen häufig Bluttransfusionen in Abständen von drei bis fünf Wochen.

„Bisher war eine Knochenmarktransplantation – die von einem gut passenden Spender kommen muss und das Risiko einer Abstoßung mit sich bringt – die einzige dauerhafte Behandlungsoption“, erklärt Julian Beach, Interims-Exekutivdirektor der Abteilung Healthcare Quality and Access der MHRA. Mit dem neuen Medikament ist nun erstmals eine Behandlungsalternative verfügbar.

Bis zu 97 Prozent Erfolgsquote in klinischer Studie

Welche Chancen sich aus dem neuen Medikament ergeben, verdeutlichen die ersten Studienergebnisse: Von 28 Patienten mit der Sichelzellkrankheit, die in einer klinischen Studie mit dem Medikament behandelt wurden, waren den Angaben zufolge zu 97 Prozent mindestens ein Jahr lang frei von schweren Schmerzanfällen. Bei der klinischen Studie mit Beta-Thalassämie-Patienten, die auf Bluttransfusionen angewiesen sind, brauchten demnach 93 Prozent (39 von 42 Patienten) für mindestens zwölf Monate keine Transfusion roter Blutzellen. Bei den übrigen drei Patienten war zumindest eine 70-prozentige Reduzierung der Bluttransfusionen möglich.

Hergestellt wird das Medikament in einer Kooperation der Unternehmen Vertex und CRISPR Therapeutics, die ihren Hauptsitz in den USA und der Schweiz haben. Einer Mitteilung der beiden Unternehmen zufolge dürften in Großbritannien derzeit etwa 2.000 Menschen für die Behandlung mit „Casgevy“ infrage kommen.

Langfristige Wirkung muss noch erforscht werden

Eine verbreitete Anwendung der neuen Behandlungsmethode ist aber noch unwahrscheinlich. So weist etwa Joachim Kunz vom Universitätsklinikum Heidelberg darauf hin, dass die Therapie „extrem komplex ist und eine aufwendige Logistik erfordert.“ Aufgrund der benötigten Ressourcen werde sie absehbar nicht unbegrenzt skalierbar sein, sondern nur für eine begrenzte Zahl von Patienten pro Jahr zur Verfügung stehen, ordnet der Experte ein.

Die aktuellen klinischen Studien zur Crispr-Therapie seien zwar vielversprechend, aber selbst die zuerst behandelten Patienten seien erst etwa vier Jahre nachbeobachtet worden. „Auch wenn es bisher keine Hinweise darauf gibt, könnte es sein, dass die Wirkung der Gentherapie über die Jahre nachlässt, weil beispielsweise die Lebensdauer der manipulierten Blutstammzellen verkürzt ist“, gibt Kunz zu bedenken.

Weitere Informationen: Carissa Wong: UK first to approve CRISPR treatment for diseases: what you need to know, Nature Article, 16 November 2023; DOI: 10.1038/d41586-023-03590-6

(ID:49794547)

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