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Demenz-Erkrankung Hirnzellen vermüllen mit „Alzheimer-Protein“

Von Meike Drießen*

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Alzheimer wird oft mit so genannten Plaques im Gehirn in Verbindung gebracht. Diese Proteinablagerungen an Neuronen sind aber wahrscheinlich nicht allein für die Erkrankung verantwortlich. So gibt eine neue Studie von Forschern der Ruhr-Universität Bochum Hinweise darauf, dass bestimmte Proteinreste auch ins Innere der Zellen eindringen und zu deren Absterben führen können.

Sophia Meermeyer von der Ruhr-Universität Bochum untersucht am Mikroskop eine Zellkulturprobe.
Sophia Meermeyer von der Ruhr-Universität Bochum untersucht am Mikroskop eine Zellkulturprobe.
(Bild: Roberto Schirdewahn)

Bochum – Die Alzheimer-Erkrankung ist mit über 50 Millionen Betroffenen die häufigste Form der Demenz und betrifft vorwiegend Menschen über 65 Jahre. Auch wenn über die Entstehung der Krankheit noch wenig bekannt ist, weiß man immerhin, dass sich im Gehirn von Alzheimer-Patienten Plaques aus fehlgefalteten Proteinen bilden und dass vermehrt Nervenzellen des Gehirns absterben.

„Erstaunlich ist aber, dass diese Plaques und der Verlust von Nervenzellen nicht zwangsläufig mit den Symptomen von Alzheimer wie Vergesslichkeit einhergehen müssen“, sagt Dr. Thorsten Müller, Leiter der Arbeitsgruppe Cell Signalling am Lehrstuhl Molekulare Biochemie der Ruhr- Universität Bochum (RUB). „Untersuchungen an hochbetagten Nonnen haben ergeben, dass sie bis zu ihrem Tod fast unbeeinträchtigt ihren täglichen Verrichtungen nachgehen konnten, obwohl – wie sich später zeigte – in ihrem Gehirn die für Alzheimer typischen Plaques aufzufinden waren.“

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Proteinreste in Nervenzellen

Müller und sein Team haben andere Auffälligkeiten als Ursache für die Erkrankung in Verdacht: Vor einigen Jahren gelang es ihnen nachzuweisen, dass sich neben den Plaques außerhalb von Nervenzellen auch in den Kernen der Zellen womöglich schädliche Proteinreste ansammeln. Sie könnten dazu führen, dass die Nervenzellen absterben.

Ein wichtiges Puzzlestück ist das Amyloiden-Vorläuferprotein APP – die Vorstufe des im Körper vorhandenen Eiweißes Beta-Amyloid. APP ist eingebettet in die Zellmembran der Nervenzellen und ragt sowohl innen als auch außen heraus. Normalerweise wird es nahe der Mitte einmal gespalten. Der Teil innerhalb der Nervenzellen ist instabil und zerfällt. Bei Alzheimerpatienten finden allerdings zwei Spaltungen statt, sodass drei Proteinfragmente übrigbleiben. Und genau hier könnte ein Faktor für die Alzheimer-Erkrankung liegen, wie die RUB-Forscher in Zellkulturexperimenten herausfanden.

Bisherige Ergebnisse nur aus Zellkulturen

Während die beiden außerhalb der Zellmembran liegenden APP-Spaltprodukte verklumpen und die typischen Alzheimer-Plaques bilden, bleibt der dritte Spaltrest im Zellinneren. Er ist allerdings stabiler als der Enzymrest bei Gesunden, sodass er sich mit anderen Proteinen zu Aggregaten zusammenlagern und in den Zellkern wandern kann. Dies führt nach Erkenntnis der RUB-Forscher über mehrere Zwischenschritte schließlich zum Absterben der Zelle.

Mit der Schlussfolgerung, dass das tatsächlich der Weg ist, auf dem Alzheimer entsteht, ist Müller aber sehr vorsichtig. Denn zwischen Zellkultur und lebendem Gehirn besteht ein großer Unterschied. In Zellkultur setzen wir zum Beispiel Unmengen APP ein, um unsere Untersuchungen durchzuführen“, erklärt er. „Die Tests laufen also unter künstlichen Bedingungen ab, die mit den physiologischen Verhältnissen nichts zu tun haben.“

Eine kurze Animation der RUB-Forscher veranschaulicht, wie APP bei Gesunden und bei Alzheimer-Erkrankten gespalten wird:

Forschung mit Mini-Gehirnen

Für ihre Studie untersuchten die Wissenschaftler sowohl Gehirnproben älterer verstorbener Personen als auch selbst generiertes neuronales Gewebe aus induzierten pluripotenten Stammzellen. „Diese Mini-Gehirne, so genannte Zerebrale Organoide, spiegeln die Embryonal- und Entwicklungsphase eines Gehirns relativ akkurat wider“, erklärt Gruppenleiter Müller. Ihr Ergebnis: in den vergleichsweisen jungen Zerebralen Organoiden waren keine nukleären Aggregate zu finden, wohingegen in Gehirnproben älterer Patienten solche „Proteinklumpen“ vorhanden waren. „Daraus schließen wir, dass der Prozess abhängig vom Alter ist“, sagt Müller.

Originalpublikation: David Marks et al.: Amyloid precursor protein elevates fusion of promyelocytic leukemia nuclear bodies in human hippocampal areas with high plaque load, Acta Neuropathologica Communications, 2021 Apr 13;9(1):66.; DOI: 10.1186/s40478-021-01174-x

* M. Drießen, Ruhr-Universität Bochum, 44801 Bochum

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