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Elektro-Nase erkennt Gerüche Können Maschinen riechen?

Autor / Redakteur: Monika Landgraf* / Christian Lüttmann

Frisch gemahlener Kaffee, Popcorn oder Rauch – was unsere Nase leicht unterscheiden kann, soll nun auch eine künstliche Nase schaffen. Der am Karlsruher Institut für Technologie (KIT) entwickelte neue Sensor könnte in Zukunft verdorbene Lebensmittel oder schwelende Kabel erschnuppern – und dies viel früher als sein biologisches Pendant.

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Die menschliche Nase nimmt komplexe Gasgemische – also Gerüche – wahr.
Die menschliche Nase nimmt komplexe Gasgemische – also Gerüche – wahr.
(Bild: Amadeus Bramsiepe, KIT)

Karlsruhe – Die Nase des Menschen besteht aus etwa zehn Millionen Riechzellen, mit rund 400 unterschiedlichen Geruchsrezeptoren. Diese Rezeptoren nehmen die Gerüche wahr und erzeugen ein spezifisches Signalmuster. Das Gehirn ordnet das Signalmuster einem bestimmten Geruch zu. „Wir haben uns die biologische Nase als Vorbild genommen“, sagt Dr. Martin Sommer, der das Projekt Smelldect am Institut für Mikrostrukturtechnik des Karlsruher Instituts für Technologie (KIT) betreut. „Bei unserer elektronischen Nase reagieren Nanofasern auf komplexe Gasgemische – also Gerüche – und bilden ebenfalls Signalmuster, anhand derer der Sensor diese erkennt.“ Das Ziel des Projekts ist es, einen preiswerten massen- und alltagstauglichen Geruchssensor zu entwickeln.

Nanodrähte statt Sinneszellen

Die elektronische Nase ist nur wenige Zentimeter groß. Sie enthält die gesamte Betriebselektronik, inklusive der Technologie zur Auswertung der Gase. Die „Nase“ besteht aus einem Sensorchip, auf dem Nanodrähte aus Zinndioxid auf vielen einzelnen Sensoren angebracht sind.

Spezifische Signalmuster errechnet der Chip über die Widerstandsänderungen der Einzelsensoren. Diese hängen von den Molekülen aus der Umgebungsluft ab, sind für verschiedene Gerüche jeweils unterschiedlich – und damit charakteristisch und wiedererkennbar. Wurde dieses Muster vorher in den Chip programmiert, kann es der Geruchssensor innerhalb von Sekunden erkennen.

Hoher Widerstand ist zwecklos

Die künstliche Nase erkennt Gerüche über minimale Änderungen des elektrischen Widerstands in den Nanodrähten. Die Änderung, die Duftmoleküle beim Anlagern auf der Zinndioxid-Oberfläche der Drähte hervorrufen, ist jedoch sehr gering und kaum messbar. Daher haben die Entwickler der künstlichen Nase eine Leuchtdiode in das Sensorgehäuse integriert. Sie bestrahlt die Nanodrähte mit UV-Licht und senkt dadurch den ursprünglich sehr hohen elektrischen Widerstand des Zinndioxids. Erst so können die kleinen Widerstandsänderungen überhaupt ermittelt werden, wie die Forscher sagen. „Nimmt der Sensor einen Geruch wahr, sinkt der Widerstand noch weiter. Verschwindet der Geruch, dann stellen sich die ursprünglichen Verhältnisse mit entsprechend hohem elektrischen Widerstand wieder ein, sodass die ‚Nase‘ für weitere Geruchsmessungen bereit ist“, so Sommer.

Geruchstraining

Der Sensorchip kann eine Vielzahl unterschiedlicher Gerüche erlernen und ist damit vielseitig einsetzbar: ob im Haushalt zur Kontrolle der Raumluft oder als Brandmelder, beim Einkaufen, um zu erkennen, wie frisch Fisch oder Fleisch ist, in der Qualitätsendkontrolle beispielsweise von Honig oder als Nase für einen Roboter. „Die Schwierigkeit ist, dass Geruch nicht gleich Geruch ist. Eine Rose beispielsweise riecht bei Sonnenschein anders als bei Regen“, so der Physiker. „Deshalb trainieren wir die elektronische Nase momentan für spezifische Einsatzzwecke, die aber universell wählbar sind.“

Schnuppernde Elektrogeräte?

Die Wissenschaftler des KIT wollen einen möglichst preiswerten Sensor entwickeln, um ihn massentauglich zu machen. „So könnte man die elektronische Nase in Zukunft beispielsweise in alle Elektrogeräte einbauen, um Kabelbränden vorzubeugen. Oder wir statten Smartphones damit aus. Jeder hätte dann beim Einkaufen seine eigene, hochsensible elektronische Nase dabei“, sagt Sommer.

Bei der industriellen Herstellung und dem Vertrieb unterstützen die Projektpartner JVI-Elektronik und Fire Eater das KIT. Beide haben bereits 2015 zusammen mit dem KIT im EU-Projekt Smoke Sense einen intelligenten Brandmelder auf Basis einer elektronischen Nase entwickelten. Er spürt Schwel- und Brandgase auf und bietet eine zuverlässige Analyse, um welches brennende Material es sich handelt.

* M. Landgraf, Karlsruher Institut für Technologie (KIT), 76131 Karlsruhe

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