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Marmorholz nach Vorlage Künstlerische Pilze

Quelle: Pressemitteilung |

Können Pilze schreiben? Die Antwort lautet: krakelig ja. Zumindest, wenn man sie anleitet. Denn Empa-Forscher haben eine Technik entwickelt, mit der sie Pilze verschiedene Muster, Bilder oder sogar Buchstaben ins Holz zeichnen lassen. So entstehen kunstvolle Werkstücke, die für hochwertige Möbel verwendet werden können.

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In einem speziell entwickelten Verfahren ist es einem Team um Empa-Forscher Francis Schwarze gelungen, den Marmorierungsprozess verschiedener Holzarten zu steuern und so Bilder wie einen Sonnenuntergang im besiedelten Holz zu erzeugen.
In einem speziell entwickelten Verfahren ist es einem Team um Empa-Forscher Francis Schwarze gelungen, den Marmorierungsprozess verschiedener Holzarten zu steuern und so Bilder wie einen Sonnenuntergang im besiedelten Holz zu erzeugen.
(Bild: Empa)

Dübendorf/Schweiz – Feine schwarze Linien ziehen sich elegant über das Ziffernblatt aus hellem, fein gemasertem Holz von Esche, Buche und Ahorn. Obwohl dieses verschlungene Muster ein Bild der Gelassenheit bietet, ist es in Wirklichkeit das Ergebnis eines heftigen Kampfes. Die Linien markieren Grenzen, an denen verschiedene Pilzkulturen aneinandergeraten sind und sich Territorien und Ressourcen im Holz streitig gemacht haben. Die feinen Fäden der Pilzgemeinschaft schützen nicht nur ihre Kolonie, sondern hindern auch Bakterien und Insekten daran, in ihr Reich einzudringen, indem sie ihre Gegner in die Schranken weisen. Darüber hinaus sorgt diese Verteidigungsstrategie für eine ideale Feuchtigkeit im Lebensraum, die dem Pilz das Gedeihen ermöglicht.

Musterbildende Kunst

In der Natur ist es eine der Aufgaben von Pilzen, den Zerfall von Holz zu bewirken – und obwohl dieser natürliche Vorgang einfach erscheinen mag, ist er in Wirklichkeit ziemlich spektakulär: Jedes zerfallende Stück Holz ist einzigartig mit Farben und Linien gemustert. Diese Eigenschaft macht faulendes Holz seit Jahrtausenden zu einer begehrten Ressource, insbesondere für die Herstellung von optisch ansprechenden Möbeln. Natürlich gewonnenes Faulholz vom Waldboden braucht jedoch mehrere Jahre, um durch Pilze verursachte Muster zu entwickeln. Zudem gibt es keine Garantie, dass die Qualität des Holzes für die Verarbeitung zu einem funktionalen Gegenstand ausreicht.

Empa-Forscher der Abteilung „Cellulose & Wood Materials“ um Francis Schwarze haben nun eine Technologie entwickelt, mit der einheimische Laubhölzer wie Esche, Buche und Ahorn gezielt mit Pilzkulturen behandelt werden können, sodass sich bestimmte Muster im Holz ausbilden – und dabei die Stabilität und Form des Holzes erhalten bleibt.

Die besten Holzveredler

Schwarzes Team identifizierte mehrere in der Natur vorkommende Pilze und analysierte diese im Labor, wobei die Pilze mit den besten Eigenschaften als Holzveredler ausgewählt wurden. Je nach Kombination der Pilzarten entstanden im Holz dunkle, durch das Pigment Melanin verursachte Linien. Melanin ist wasserabweisend, antimikrobiell und schützt den Pilz vor natürlichen Gegenspielern (z. B. Bakterien).

Übung macht den Meister – Wie Erstklässler ist auch der Pilz noch etwas wackelig beim Schreiben bestimmter Buchstaben. Empa-Forscher Tine Kalac ist es erstmals gelungen, Pilze Wörter im Holz schreiben zu lassen.
Übung macht den Meister – Wie Erstklässler ist auch der Pilz noch etwas wackelig beim Schreiben bestimmter Buchstaben. Empa-Forscher Tine Kalac ist es erstmals gelungen, Pilze Wörter im Holz schreiben zu lassen.
(Bild: Empa)

Die Forscher haben es aber nicht nur geschafft, überhaupt Maserung ins Holz zu bringen – sie fanden auch einen Weg, die Muster je nach Pilzart zu steuern, was zu unterschiedlichen Ergebnissen führte: manche Linien waren zerstreut, andere nahezu geometrisch perfekt. Und zu guter Letzt konnten die Forscher die Pilze sogar den Empa-Schriftzug ins Holz schreiben lassen (s. Bild).

Pilzmuster verändern nicht nur das Aussehen des Holzes

Während das Wachstum der Pilze kontrolliert werden kann, um das gewünschte optische Ergebnis zu erzielen, hat das entwickelte Verfahren auch einen Vorteil für die Holzverarbeitung. Die meisten Pilze können Holz erst dann besiedeln und abbauen, wenn sich eine Fasersättigung einstellt, also wenn eine Holzfeuchtigkeit von >28-33 % vorliegt. In diesem Fall liegt frei verfügbares Wasser im Inneren der Zellen vor, welches zum Wachstum der meisten Pilzarten essenziell ist. Der Vorteil der eingesetzten Pilze ist, dass sie Holz auch bei einer geringen Holzfeuchte von 20 % besiedeln können, da sie in der Abwesenheit von Wasser in die Zellwänden eindringen und dort das gebundene Wasser für ihr Wachstum nutzen. Somit sind sie kompetitiver und die Gefahr von Verunreinigungen wird stark verringert. Ein weiterer Vorteil ist, dass nach Abschluss der Pilzbehandlung die Holzfeuchte nach wie vor sehr gering ist und somit weniger Energie für die Holztrocknung erforderlich ist.

Eine Uhr mit einem Durchmesser von einem Meter, hergestellt aus marmoriertem Eschen-, Buchen- und Ahornholz unter Verwendung des Moderfäulepilzes Kretzschmaria deusta: Das Holz wurde unter kontrollierten Bedingungen hergestellt und ist von schwarzen Linien durchzogen – mit dem Industriepartner Koster Holzwelten AG entstand so ein Unikat.
Eine Uhr mit einem Durchmesser von einem Meter, hergestellt aus marmoriertem Eschen-, Buchen- und Ahornholz unter Verwendung des Moderfäulepilzes Kretzschmaria deusta: Das Holz wurde unter kontrollierten Bedingungen hergestellt und ist von schwarzen Linien durchzogen – mit dem Industriepartner Koster Holzwelten AG entstand so ein Unikat.
(Bild: Empa)

Hinter dem Holz-Projekt von Schwarze stehen zwei Beweggründe: Zum einen soll die hohe Kundennachfrage nach hochwertigen Marmorholz im Möbelmarkt besser gedeckt werden. Zum anderen werden in der Schweiz Baumarten, die sich für Marmorholz eignen, normalerweise verbrannt. Die in Frage kommenden Baumarten – Esche, Buche und Ahorn – haben aufgrund ihrer unregelmäßigen Wuchsformen und einer scheinbar unattraktiven Färbung nur begrenzte Absatzmöglichkeiten außerhalb der Verwendung als Energieholz. Andererseits eignen sich gerade sie für eine „Veredelung“ per Pilzmuster zu Marmorholz und für den Einsatz in der Möbelindustrie.

Originalpublikation: H. Morris, K.T. Smith, S.C. Robinson et al.: The dark side of fungal competition and resource capture in wood: Zone line spalting from science to application, Materials and Design 201 (2021); DOI: 10.1016/j.matdes.2021.109480

(ID:47831174)