Wo Antibiotika versagen, müssen neue Lösungen her. Ein Ansatz für die Bekämpfung multiresistenter Krankenhauskeime sind die Nanopartikel von Forschern der Empa und ETH Zürich. Die Partikel können in befallene Körperzellen eindringen und Erreger eliminieren, die sich dort vor herkömmlichen Antibiotika verstecken.
Tödlicher Kontakt: Forscher der Empa und der ETH Zürich haben Nanopartikel (rot) entwickelt, die resistente Bakterien (gelb) abtöten können.
Zürich/Schweiz – Beim Wettrüsten „Menschheit gegen Bakterien“ sind viele Bakterien einen Schritt voraus. Unsere einstigen Wunderwaffen, die Antibiotika, versagen immer häufiger bei Keimen, die trickreiche Manöver einsetzen, um sich vor der Wirkung der Medikamente zu schützen. Einige Arten ziehen sich sogar ins Innere menschlicher Körperzellen zurück, wo sie dann vom Immunsystem unbehelligt bleiben. Zu diesen besonders gefürchteten Erregern gehören so genannte multiresistente Staphylokokken (MRSA), die lebensgefährliche Krankheiten wie Blutvergiftungen oder Lungenentzündungen hervorrufen können.
Um die Keime in ihrem Versteck aufzuspüren und unschädlich zu machen, hat ein Team von Forschern der Empa und der ETH Zürich nun Nanopartikel entwickelt, die einen anderen Wirkmechanismus als herkömmliche Antibiotika nutzen: Während Antibiotika schlecht in Körperzellen eindringen können, gelingt es diesen Nanopartikeln aufgrund ihrer geringen Größe und Beschaffenheit, ins Innere der befallenen Zelle einzudringen. Dort angekommen, bekämpfen sie die Bakterien.
Die neuartige Waffe gegen Erreger besteht Cer-Oxid, das in seiner Nanopartikel-Form antibakteriell und entzündungshemmend wirkt. Die Nanopartikel kombinierten die Forscher mit einem bioaktiven Keramikwerkstoff, so genanntem Bioglas. Interessant ist Bioglas für die Medizin, da es vielseitige regenerative Eigenschaften hat und beispielsweise für den Wiederaufbau von Knochen und Weichteilen eingesetzt wird.
Mittels Flammensynthese wurden schließlich Nanopartikel-Hybride aus Ceroxid und Bioglas hergestellt. Die Partikel wurden bereits erfolgreich als Wundkleber eingesetzt. Dank der Nanopartikel können Blutungen gestoppt, Entzündungen gedämpft und die Wundheilung beschleunigt werden. Zudem zeigen die neuartigen Partikel eine signifikante Wirkung gegen Bakterien, während die Behandlung für menschliche Zellen gut verträglich ist.
Wenn aus harmlosen Bakterien gefährliche Keime werden
Unter den Bakterien gibt es einige besonders trickreiche Krankheitserreger, die in Körperzellen eindringen und dort für das Immunsystem unsichtbar sind. So überdauern sie Zeiten, in denen die Körperabwehr in Alarmbereitschaft ist. Auch für Staphylokokken ist dieses Phänomen bekannt. Sie können sich in Zellen der Haut, des Bindegewebes, der Knochen und des Immunsystems zurückziehen. Der Mechanismus dieser Persistenz ist noch nicht völlig geklärt.
Staphylokokken sind meist harmlose Keime, die auf der Haut und auf Schleimhäuten vorkommen können. Unter bestimmten Bedingungen aber fluten die Bakterien den Körper und lösen schwere Entzündungen aus bis hin zu einem toxischen Schock oder einer Blutvergiftung. Dadurch sind Staphylokokken die Haupttodesursache durch Infektionen mit nur einem einzigen Erregertypen.
Besonders prekär ist die zunehmende Zahl an Staphylokokken-Infektionen, die nicht mehr auf eine Behandlung mit Antibiotika ansprechen. MRSA, multiresistente Keime, sind v. a. in Krankenhäusern gefürchtet, wo sie als nosokomiale Erreger schlecht behandelbare Wundinfektionen hervorrufen oder Katheter und Geräte besiedeln. Insgesamt kommt es in der in Deutschland zu 400.000 bis 600.000 nosokomialen Infektionen pro Jahr, davon verlaufen 10.000 bis 20.000 tödlich, wie eine Schätzung des Robert-Koch-Instituts ergibt.
Bakterien im Zellinnern auflösen
Die Wechselwirkungen zwischen den Hybrid-Nanopartikeln, den Körperzellen und den Keimen konnten die Forscher u. a. anhand von Elektronenmikroskopie-Untersuchungen aufzeigen. Wurden infizierte Zellen mit den Nanopartikeln behandelt, begannen sich die Bakterien im Inneren der Zellen aufzulösen. Wenn die Wissenschaftler jedoch die Aufnahme der Hybrid-Partikel blockierten, stoppte auch der antibakterielle Effekt.
Der genaue Wirkmechanismus der Cerium-haltigen Partikel ist derzeit noch nicht vollständig geklärt. Erwiesen ist, dass auch andere Metalle antimikrobielle Effekte aufweisen. Cerium ist allerdings weniger giftig für Körperzellen als beispielsweise Silber. Die Forscher nehmen derzeit an, dass die Nanopartikel auf die Zellmembran der Bakterien einwirken, wobei reaktive Sauerstoffverbindungen entstehen, die zur Zerstörung der Keime führen. Da die Membran von menschlichen Zellen anders aufgebaut ist, bleiben Körperzellen von diesem Vorgang verschont.
Gegen einen derartigen Mechanismus würden sich vermutlich weniger Resistenzen entwickeln können, glauben die Wissenschaftler. „Zudem regenerieren sich die Ceroxid-Partikel mit der Zeit wieder, sodass der oxidative Effekt der Nanopartikel auf die Bakterien erneut einsetzt“, sagt der Empa-Forscher Tino Matter. So könnten die Cerium-Partikel eine nachhaltige Wirkung erzielen.
Als nächstes wollen die Wissenschaftler die Interaktionen der Partikel im Infektionsgeschehen genauer analysieren, um die Struktur und Zusammensetzung der Nanowirkstoffe weiter zu optimieren. Das Ziel ist, ein einfaches, robustes antibakterielles Mittel zu entwickeln, das im Inneren infizierter Zellen wirksam ist.
Stand vom 15.04.2021
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Cer – Alleskönner unter den chemischen Elementen
Das Metall Cer
(Bild: Institut für Seltene Erden, Mönchengladbach)
Zu Unrecht wurde das chemische Element Cer, oder Cerium, nach dem Zwergplaneten Ceres benannt. Denn das silbrige Metall hat viele große Anwendungsmöglichkeiten. Als Ceroxid wird es in Autokatalysatoren verbaut, darüber hinaus nutzt man es bei der Herstellung von selbstreinigenden Backöfen, Windschutzscheiben und Leuchtdioden. Aufgrund seiner antimikrobiellen und entzündungshemmenden Eigenschaften ist es zudem für medizinische Anwendungen interessant.