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Lichtverschmutzung Schlafprobleme von Stadt-Fischen untersucht

Von Nadja Neumann*

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Auch Fische müssen schlafen. Und wie beim Mensch, ist ihr Schlafverhalten vom Hormon Melatonin mitbeeinflusst. Wie sich Lichtverschmutzung durch städtische Beleuchtung auf die Hormonproduktion bei Fischen auswirkt, haben nun Forscher des Leibniz-Instituts für Gewässerökologie und Binnenfischerei gezeigt.

Flussbarsche reagieren empflindlich auf Lichtverschmutzung.
Flussbarsche reagieren empflindlich auf Lichtverschmutzung.
(Bild: Michael Feierabend)

Berlin – Ob wir morgens nach dem Aufstehen müde sind oder nicht, hängt nicht nur vom Frühstückskaffee ab, sondern vor allem von der Melatonin-Konzentration in unserem Blut. Dieses Schlafhormon prägt den Tag-Nacht-Rhythmus beim Menschen und bei Wirbeltieren. Organe, Gewebe und Zellen stellen abhängig von der Konzentration dieses Hormons ihre innere Uhr, womit Melatonin auch Prozesse wie Fortpflanzung und Wachstum steuert.

Geregelt wird die Melatonin-Produktion über Licht: Wenn viel Licht auf die Rezeptoren (z.B. auf die Netzhaut im Auge) trifft, wird die Bildung von Melatonin unterdrückt, bei Dunkelheit hingegen wird diese Hemmung aufgehoben und viel Melatonin gebildet. Das sorgt für einen gesunden Schlaf. Wenn es jedoch nachts aufgrund von künstlicher Beleuchtung nicht dunkel wird (Lichtverschmutzung), kann der Melatoninhaushalt aus dem Gleichgewicht geraten und es kann zu Schlafstörungen kommen. Dieses Phänomen haben Forscher des Leibniz-Instituts für Gewässerökologie und Binnenfischerei (IGB) nun an Europäischen Flussbarschen untersucht.

Nächte bei kontrollierter Dunkelheit

Tagsüber herrschte für alle Tiere Tageslicht, nachts variierte die Beleuchtung je nach Gruppe: Die Kontrollgruppe verbrachte die Nacht in vollkommener Dunkelheit, die anderen drei Gruppen waren Lichtintensitäten von 0,01, 0,1 und 1 Lux ausgesetzt. Zum Vergleich: In einer sternenklaren Nacht liegt die Beleuchtungsstärke bei weniger als 0,001 Lux; bei Vollmond erreicht sie ein Maximum von 0,3 Lux.

Nach zehn Tagen kontrolliertem Tag-Nacht-Wechsel bestimmten die Forscher die Melatoninkonzentrationen der Fische im Abstand von drei Stunden über 24 Stunden hinweg. Das Ergebnis: Schon die geringste Beleuchtungsintensität von 0,01 Lux verringerte die Melatoninbildung, bei den höheren Beleuchtungsintensitäten reduzierte sich Melatonin stufenweise immer stärker.

Lichtglocke von Städten kann Melatoninbildung hemmen

Die Ergebnisse zeigen, wie empfindlich der Melatoninhaushalt von Organismen auf Licht reagiert. Und das macht die Gefahr von Lichtverschmutzung deutlich. Denn die Lichtglocke über einer Stadt kann bereits Beleuchtungsstärken von 1 Lux und mehr erreichen. Die direkte Straßenbeleuchtung sorgt sogar für bis zu 150 Lux.

Wie die Forscher gezeigt haben, ist die Helligkeit der Lichtglocke über einer Stadt mehr als ausreichend, um die Melatoninproduktion der Fische zu stören. Von dieser Art Lichtverschmutzung sind weltweit große Areale betroffen. Denn das Licht von künstlicher Beleuchtung strahlt in den Himmel und wird an Wolken und Partikeln reflektiert, wodurch eine große Lichtglocke entsteht, die über den eigentlichen Beleuchtungsradius der Lichtquelle weit hinausgeht.

Schlafstörungen noch nicht nachgewiesen, aber wahrscheinlich

Auf die Rhythmik der Melatoninbildung hatte die Beleuchtungsintensität keinen Einfluss. Bei allen Tieren stieg die Melatoninbildung im Laufe des Nachmittags an und erreichte ihren Maximalwert in der Nacht. „Frühere Studien haben gezeigt, dass höhere Intensitäten von nächtlicher Beleuchtung wie 10 und 100 Lux auch die Melatoninrhythmik der Flussbarsche beeinflussen, da das nachts gebildete Melatonin so stark reduziert wurde, dass kein Unterschied mehr zu den niedrigen Tageswerten messbar war“, erläutert Dr. Franz Hölker vom IGB.

Fische verschlafen einen Großteil ihres Lebens, man sieht es nur nicht, da sie keine Augenlider haben. Wie auch bei anderen Lebewesen dient ihnen der Schlaf zur Regeneration. „Ob Stadt-Fische durch Lichtverschmutzung unter einem Schlafdefizit leiden, können wir mit unseren bisherigen wissenschaftlichen Methoden nicht bewerten“, betont Studienleiter Professor Werner Kloas. „Wir vermuten es allerdings, da Melatonin ein wichtiger Einflussfaktor für den Schlaf von Wirbeltieren ist, auch von Fischen. Sicher ist, dass andere Körperfunktionen wie die Immunabwehr, das Wachstum und die Fortpflanzung durch eine veränderte Melatoninbildung gestört werden können.“

Originalpublikation:Franziska Kupprat, Franz Hölker, Werner Kloas: Can skyglow reduce nocturnal melatonin concentrations in Eurasian perch?, Environmental Pollution

Volume 262, July 2020, 114324 ; DOI: 10.1016/j.envpol.2020.114324

* N. Neumann, Leibniz-Institut für Gewässerökologie und Binnenfischerei (IGB), 12587 Berlin

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