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Rückblick Praxistag Laborsicherheit 2019 Sicher Forschen – mit neuen Tools und geschärftem Gefahrensinn

Autor Christian Lüttmann

Sicherheit im Labor lässt sich immer noch weiter verbessern. Mit dem ersten „Praxistag Laborsicherheit“ hat LABORPRAXIS daher Experten und Anwender versammelt, um sich zu dem Thema auszutauschen. Erkenntnisreiche Vorträge, ausgewählte Exponate und intensive Diskussionen mit den Ausstellern haben die Teilnehmer für mehr Laborsicherheit sensibilisiert und ihnen Lösungsvorschläge mit auf den Weg gegeben.

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LP-Chefredakteur Marc Platthaus begrüßt die Teilnehmer des Praxistages Laborsicherheit am 19. September in Köln.
LP-Chefredakteur Marc Platthaus begrüßt die Teilnehmer des Praxistages Laborsicherheit am 19. September in Köln.
(Bild: LABORPRAXIS/Lüttmann)

Chemie ist, wenn es knallt und stinkt - so wird einem oft die Arbeit im Labor beschrieben. Doch Gestank oder gar Explosionsgeräusche sind im Labor eher selten erwünscht. Schließlich soll hier der Mitarbeiter gefahrlos seine Arbeit verrichten können. Sicherheit ist im Labor daher ein essenzielles Thema. Dabei muss es kein S4-Labor für hochansteckende Viren sein - auch in Lebensmittellaboren kommen bei den Analysen gesundheitsgefährdende Lösemittel zum Einsatz, z.B. bei der Qualitätssicherung von Bier.

Wie sich Anwender bei der täglichen Arbeit mit Gefahrstoffen schützen können, welche Möglichkeiten der sicheren Planung von Laboren es gibt und wie Laborleiter bei den zahlreichen Sicherheitsvorschriften trotzdem leicht einen Überblick behalten, zeigten die Referenten des ersten Praxistages Laborsicherheit am 19. September in Köln.

Der Grundstein für Laborsicherheit

Den Grundstein für sicheres Arbeiten im Laborumfeld wird schon beim Entwurf eines neuen Gebäudes festgelegt. Denn Laborsicherheit basiert im Wesentlichen auf drei Säulen: Organisatorischer beziehungsweise personenbezogener Sicherheit, technischen Sicherheitseinrichtungen und der baulichen Sicherheit. „Idealerweise entsteht ein Konzept, dass 70 bis 80 Prozent der notwendigen Schutzleistung durch bauliche und technische Maßnahmen abdeckt“, sagt Eröffnungsredner Dr. Peter Neurieder von der Europäischen Gesellschaft für nachhaltige Labortechnologien (Egnaton). „Andernfalls muss der Anwender später im Betrieb viel nacharbeiten, um den Schutz zu gewährleisten.“

Ein starkes Sicherheitskonzept in der Laborplanung durchzusetzen, ist allerdings oft schwierig. Es sei schließlich ein Ringen vieler Interessenvertreter und letztlich immer auch eine Frage des Geldes, wie Neurieder sagt. Der Rat des Referenten: „Bleiben Sie als Sicherheitsexperte am Ball und geben Sie nicht beim ersten Widerstand auf. Fehler oder Versäumnisse in der Planung sind später nur aufwändig zu korrigieren.“

Nachhaltig und sicher? Zwei sich ergänzende Konzepte

Doch egal wie ausgereift die Planung und das Sicherheitskonzept sind, letzten Endes kommt es immer auf den Anwender an, und wie er die täglichen Arbeiten durchführt. Ein Aspekt, der dabei oft Hand in Hand mit der Laborsicherheit geht, ist das Thema Nachhaltigkeit bzw Grüne Analytik. Hier zeigt Dr. Kerstin Hermuth-Kleinschmidt von der Niub-Nachhaltigkeitsberatung, wie gut diese beiden Aspekte oft zusammenpassen: „Denken Sie zum Beispiel an das Substitutionsgebot: Toxische oder gesundheitsgefährdende Stoffe sollten wenn möglich immer durch weniger schädliche ersetzt werden. Das ist nicht nur umweltfreundlicher, sondern auch sicherer für den Anwender.“

Praxistag Laborsicherheit: von „Zusatzhirnen“ und Worst-Practice-Beispielen
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Ähnlich harmonieren Nachhaltigkeit und Laborsicherheit, wenn es um den Einsatz von Lösemitteln geht, beispielsweise in der HPLC. Hier ist vor allem die Miniaturisierung ein Thema. „Es gibt Untersuchungen, die zeigen, dass durch die Mikro-LC der Lösungsmittelverbrauch um den Faktor 48 verringert werden kann, ohne die Ergebnisqualität negativ zu beeinflussen. Und in Bezug auf die Auswirkungen auf Umwelt, Sicherheit und Gesundheit wird der gesamte Impact um den Faktor 65 verringert“, sagt Hermuth-Kleinschmidt. So lassen sich Lösemittelabfälle minimieren – und damit auch die Menge an Gefahrstoffen, denen Anwender potenziell ausgesetzt sind. „Dazu spart man noch Zeit und Kosten“, ergänzt die Nachhaltigkeits-Beraterin. So soll die Mikro-LC etwa 4 Mal so schnell und über 40 Mal so preiswert sein wie eine herkömmliche HPLC.

Doch trotz vieler Vorteile für Umwelt, Sicherheit und langfristig gesehen auch Wirtschaftlichkeit: Die Umrüstung auf neue Systeme oder ein Umdenken im Betrieb ist oft harte Arbeit. „Impulse dafür müssen von beiden Seiten kommen, sowohl von den Mitarbeitern als auch von der Führungsebene“, meint Hermuth-Kleinschmidt. Nur bei beidseitigem Änderungswillen seien solche Anpassungen umsetzbar.

Ergänzendes zum Thema
Sicherheitsaspekte in den Zwölf Prinzipien der nachhaltigen Chemie der ASC

Die American Chemical Society (ASC) hat zwölf Prinzipien für eine „Grüne Chemie“ definiert. Darunter sind auch fünf Punkte, die direkt dem Thema Laborsicherheit zu Gute kommen:

  • Weniger gefährliche Synthesewege suchen
  • Sicherere chemische Produkte entwickeln
  • Sicherere Lösemittel und Hilfsstoffe verwenden
  • Echtzeitanalyse, um Entstehung/Freisetzung von Gefahrstoffen zu vermeiden
  • Grundsätzlich sichereres Arbeiten zur Unfallvermeidung

Ausführlichere Informationen zu den Prinzipien gibt es hier.

Verständliche Hilfe bei verklausulierten Sicherheitsvorschriften

Die Laborleitung spielt überhaupt eine wichtige Rolle für die Laborsicherheit. Denn obwohl jeder Mitarbeiter selbstständig arbeitet und die Sicherheitsvorschriften einhalten soll – am Ende des Tages ist stets der Laborleiter verantwortlich für die Sicherheit seiner Angestellten. Dies zu gewährleisten und zu kontrollieren ist eine wesentliche Aufgabe von Laborleitern, die allzu oft unterschätzt wird. Zumal hunderte und tausende Seiten Gesetzestexte nicht gerade dazu einladen, sich mit normengerechter, juristisch korrekter Laborsicherheit auseinanderzusetzen. „Der Gesetzgeber hat die Verordnungen gemacht, um den rechtlichen Rahmen für sicheres Arbeiten abzustecken – leider nicht, um den Anwendern im Labor eine verständliche Anleitung zum sicheren Arbeiten an die Hand zu geben“, bestätigt Christoph Niewöhner vom Software- und LIMS-Anbieter Maqsima die Vermutung der Teilnehmer.

Um Sicherheitsbeauftragten und Laborleitern einen Durchblick durch die Normen und Regeln zu verschaffen, bietet sein Unternehmen ein Technisches Management System (TMS) an. Darin sind alle relevanten Informationen aus den Gesetzestexten zusammengetragen und thematisch in einem umfassenden Kataster organisiert, wie der Experte erläutert. Gefährdungsbeurteilungen, Betriebsanweisungen oder einzuhaltende Sicherheitsprüfungen lassen sich so zentral und übersichtlich verwalten – damit letzten Endes bei der Laborsicherheit nichts unter den Tisch fällt. „Unser Ziel ist es, dass Sie als Anwender in die ganzen Regelwerke gar nicht mehr reinschauen müssen“, fasst Niewöhner zusammen.

Abzüge ohne Abluftanschluss? Filter machen es möglich

Welche konkreten Sicherheitslösungen es für Labore gibt, stellten die Aussteller des Praxistages Laborsicherheit am Mittag und Nachmittag der Veranstaltung vor. So informierte Gaëtan Nardone von Erlab die Teilnehmer über die Vorteile von Abzügen, die ohne Anschluss an die zentrale Absaugung funktionieren. Möglich wird dies durch Aktivkohlefilter, die Schadstoffe binden. Dieses Konzept bietet besonders viel Flexibilität in der Laborgestaltung, da Arbeitsplätze leicht versetzt werden können, ohne Einbußen bei der Sicherheit zu haben.

Gefahr durch Lösemitteldämpfe – einfach gekappt

Peter Rebehn von Scat Europe erklärte, warum eine Plastikkappe hochrelevant für die Sicherheit im Labor und die Qualität der Analysen ist. Die von seiner Firma angebotenen Schraubverschlüsse mit Belüftungsventil dienen neben der Arbeitssicherheit auch der Probensicherheit, indem sie die Flascheninhalte vor Verunreinigungen durch die Raumluft schützen. Einströmende Luft wird dazu durch einen Aktivkohlefilter geführt. In erster Linie sorgen die austrittssicheren Verschlusskappen aber für die Arbeitssicherheit beim Umgang mit leicht flüchtigen Lösemitteln.

„Gerade bei Lösemitteln werden die Gefahren oft unterschätzt“, sagt Rebehn. Die Piktogramme der Gefahrstoffe können mitunter zu dieser Unterschätzung beitragen, beispielsweise beim Vergleich von Methanol und Acetonitril. „Methanol hat das Totenkopf-Piktogramm, weil es giftig ist. Acetonitril hat das Ausrufezeichen-Piktogramm, weil es ‚nur‘ gesundheitsschädlich ist. Tatsächlich ist aber der Arbeitsplatzgrenzwert von Acetonitril um den Faktor zehn geringer.“ Behelfsmäßig zusammengebastelte Aufbauten z.B. die Lösemittelvorräte an HPLC-Anlagen, in denen der Flascheninhalt nur mit Klebeband oder Parafilm am Austritt gehindert werden soll, stellen deshalb ein nicht zu vernachlässigendes Risiko dar, betont der Experte.

Sicher heizen dank Gerät mit „Zusatzhirn“

Wie bei den Verschlusskappen von Scat, so ist Sicherheitstechnik oft unscheinbar und dem Anwender nicht immer auf den ersten Blick bewusst. Dies gilt auch für das Sicherheitskonzept der Rühr- und Heizplatten von IKA. Hier ist u.a. ein zusätzlicher Regelkreis integriert, der manuell per Schraubenzieher die Höchsttemperatur des Gerätes nach Bedarf drosseln kann. Zusätzlich zu den Temperatursensoren für die Probe und die Heizplatte ist noch ein dritter Sensor eingebaut. „Sie haben sozusagen ein zusätzliches Gehirn im Rührer, welches das Gerät überwacht“, sagt Thomas Ketterer von IKA.

Weitere Sicherheitsfeatures sind etwa die Anzeige der Restwärme – selbst nach Ausschalten des Gerätes – sowie die Abschaltautomatik. „Wenn die Sensoren beim Heizvorgang messen, dass sich die Probentemperatur nicht weiter verändert, schaltet das Gerät nach einer vom Nutzer festgelegten Zeit automatisch aus“, erklärt Ketterer. Dies kann passieren, wenn der Temperaturfühler nicht in die Probe ragt oder die Probe trockengelaufen ist. All diese Funktionen sollen Anwendern ein sicheres Arbeiten mit den Heizplatten ermöglichen.

Der Faktor „Mensch“ bei der Laborsicherheit

Doch ganz gleich wie viel Aufwand man bei den technischen Sicherheitseinrichtungen betreibt, dies allein ermöglicht keinen ausreichenden Schutz. „50% des Sicherheitspotenzials lässt sich leicht durch technische und bauliche Lösungen erreichen. Die anderen 50% stehen vor dem Abzug“, sagt Friedhelm Weichert von A1 Envirosciences. Daher seien Schulungen besonders wichtig, um die Mitarbeiter für das Thema Sicherheit zu sensibilisieren.

Weichert zeigte dazu in seinem Vortrag ein paar Bilder von Worst-Practice-Beispielen, wie sich Gefahrstoffkontaminationen verbreiten. „Eine Waage steht in einem Abzug. Das ist für den Messwert erst einmal irrelevant, denn es gibt mittlerweile Systeme, die auch im Abzug bis zu sieben Stellen hinter dem Komma genau sind. Aber warum steht der Etikettendrucker direkt daneben? Da klebt man sich die Gefahrstoffe später direkt ins Laborbuch und verteilt sie dann im Labor und unter den Kollegen. Für die Arbeitssicherheit ist das katastrophal, aber gut für eine klinische Studie – je mehr Teilnehmer desto besser“, überspitzt Weichert das Gedankenspiel. In solchen Situationen helfen die besten Laborabzüge nicht, selbst wenn sie mit neuen Tricks aufwarten. So hat das von Weichert mitgebrachte Exponat eine verschiebbaren, immer gleich große Frontscheibenöffnung, was für eine gleichmäßige Absaugung sorgt. Was die Labormitarbeiter aus den angebotenen Sicherheitseinrichtungen machen, liegt letztlich in der Hand jedes Einzelnen.

Fazit: Es gibt immer Optimierungsbedarf

„Wie sieht es bei ihnen aus, liebe Anwender: Ist in ihrem Labor das Sicherheitskonzept optimal?“, fragt Moderator und LP-Chefredakteur Marc Platthaus zum Abschluss des Veranstaltungstages ins Auditorium. „Optimale Sicherheit ist wohl leider Wunschdenken“, antwortet einer der Teilnehmer. „Aber man kann stets neue Wege finden, die Sicherheit im eigenen Labor zu verbessern.“

Der Praxistag Laborsicherheit ist so eine Gelegenheit. Am 8. Oktober 2020 gibt es die nächste Chance, sich umfassend über aktuelle Sicherheitskonzepte für das Labor zu informieren. Dann können Sie zum Erfahrungsaustausch mit Experten und anderen Anwendern nach Dresden kommen.

Link-Tipp: Die Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (BAUA) hat eine Hilfe für die Gefährdungsbeurteilung nach Gefahrstoffverordnung zusammengestellt. Das Einfache Maßnahmenkonzept Gefahrstoffe (EMKG) können Sie auf den Seiten der BAUA einsehen.

* C. Lüttmann Redaktion LABORORPRAXIS, E-Mail: christian.luettmann@vogel.de

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