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Biotechnologie Sommerbräune aus Pilzen – Gewinnung von Melanin

Von Dr. Andrea Six*

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Im Sommer zeigt sich beim Menschen wieder vermehrt ein besonderer Naturstoff: Melanin. Das Pigment wird u. a. in unserer Haut gebildet, um vor schädlicher UV-Strahlung zu schützen. Es könnte auch in zahlreichen technischen Anwendungen helfen, etwa bei der Wasseraufbereitung oder als Holzschutz – wäre seine Gewinnung nicht so teuer. Forscher der Empa haben aber bereits ein Verfahren entwickelt, mit dem sie besonders große Mengen Melanin mithilfe von Pilzen erhalten.

Pilzkultur von Armillaria cepistipes. Dunkle Areale enthalten besonders viel Melanin.
Pilzkultur von Armillaria cepistipes. Dunkle Areale enthalten besonders viel Melanin.
(Bild: Empa)

Dübendorf/Schweiz – Jeder hat es im Körper, doch in Reinform ist es teurer als Gold: Melanin. Was unsere Hautzellen vor UV-Strahlung schützt, bietet auch zahlreiche technische Anwendungsmöglichkeiten, etwa in Holzschutzmitteln oder Wasserfiltern. Obwohl diese Gruppe von Farbstoffmolekülen in der Natur vorkommt, ließen sich Melanine bis jetzt nur in teuren und aufwändigen Prozessen industriell herstellen, wobei aber nicht alle Eigenschaften reproduzierbar sind. Auch Prozesse, natürliches Melanin aus Mikroorganismen zu gewinnen, zeigten bisher eine geringe Ausbeute. Nicht verwunderlich also, dass die Substanz um ein Vielfaches teurer ist als Gold. Forscher der Empa haben nun Pilze dazu gebracht, das „schwarze Gold“ in einem einfachen und hochskalierbaren Verfahren herzustellen.

Hallimasch: ein gigantisches lebendes Netzwerk

Man nennt ihn den Honigpilz oder Hallimasch. Unscheinbar mag Armillaria cepistipes in klassischer Pilzgestalt auf dem Waldboden sprießen, lediglich mit einer schmückenden Leiste um den Stil verziert, einem Armband gleich, was ihm die lateinische Bezeichnung „Armillaria“ verleiht.

Die schwarzen Rhizomorphe von Pilzen schlingen sich um Baumstämme und entziehen ihrem Wirt Nährstoffe. Die dunkle Farbe beruht auf dem Pigment Melanin.
Die schwarzen Rhizomorphe von Pilzen schlingen sich um Baumstämme und entziehen ihrem Wirt Nährstoffe. Die dunkle Farbe beruht auf dem Pigment Melanin.
(Bild: Empa)

Viel eindrücklicher ist hingegen sein Netz aus schwarzen Strängen, die er über Holz und Boden zieht. Zu meterlangen dicken Bündeln schließen sich Pilzfäden zusammen, umgeben von einer schwarzen Melanin-haltigen Schutzschicht, und suchen nach neuen Lebensräumen und Nahrungsquellen. Diese so genannten Rhizomorphen können zudem als Parasiten in Baumwurzeln eindringen, im Stamm aufsteigen und ihren Wirt von innen zersetzen.

Mit einer Größe von mehreren Quadratkilometern bildet ein Hallimasch auch das größte Lebewesen der Welt: Im US-Bundesstaat Oregon erstreckt sich das 2400-Jahre alte Netz aus Pilz-Myzel. In der Schweiz ist wiederum der größte Pilz Europas zu finden, nah an der östlichen Landesgrenze am Ofenpass. Dieser Hallimasch bedeckt immerhin ein Gebiet von 50 Fußballfeldern. Sein Alter von ca. 1000 Jahren verdankt er auch dem Pigment Melanin, das die schwarzen Pilzfäden vor Umweltschäden schützt.

Ein Quell für das Schwarze Gold der Pilze

Auf der Suche nach einfacheren, günstigeren Verfahren zur Herstellung von natürlichem Melanin in großen Mengen, stießen Empa-Forscher Francis Schwarze und sein Team auf einen Pilz, der eigentlich als Pflanzenschädling im Wald zu finden ist: Armillaria cepistipes, der zwiebelfüßige Hallimasch. Sein Stoffwechsel bindet Schwermetalle, lässt Holz im Dunkeln leuchten – und produziert Melanin in großen Mengen. „Wir haben eine vielversprechende Linie des Hallimasch-Pilzes selektiert, die mit unserer Technologie nun rund 1000-mal so viel Melanin produziert wie andere Mikroorganismen, mit denen die Pigmentherstellung bereits versucht wurde“, sagt Schwarze.

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Doch wie kommen die Forscher an das wertvolle Pigment des Pilzes? Der Trick: Der ausgewählte Pilzstamm lebt in einer Nährflüssigkeit und gibt das Melanin in die Umgebung ab. „Dieses System ermöglicht nun eine nachhaltige Produktion, die keine aufwändigen Extraktionsschritte mehr benötigt wie bisherige mikrobiologische Prozeduren“, erklärt Javier Ribera, der das neue Verfahren mitentwickelt hat. Nach drei Monaten habe ein Liter Hallimasch-Kultur bereits rund 20 Gramm Melanin erzeugt.

Wasserfilter mit Pilzpigment

Die erleichterte und nachhaltige Produktion von Melanin ermöglicht es den Empa-Forschenden nun, Projekte zur Entwicklung neuartiger Materialien voranzutreiben. Darunter ist beispielsweise ein System zur Wasserreinigung: Da Melanin in der Lage ist, Schwermetalle zu binden, lassen sich damit neue Wasserfilter entwickeln. Die Empa-Forscher haben das organische Melanin in künstliche Polymere wie Polyurethan integriert und in feinen Fasern zu Membranen versponnen. Bis zu 94 Prozent Blei lassen sich mittels der Melanin-basierten Komposit-Membranen aus verschmutztem Wasser entfernen, fand das Empa-Team heraus.

Schutzeigenschaften für Hölzer nutzen

Eine weitere Anwendung ergibt sich aus der schützenden Wirkung von Melanin. In der Natur setzen Pilze die Pigmentierung unter anderem dazu ein, konkurrierende Organismen aus der Umgebung am Eindringen zu hindern. Die Empa-Forscher wollen den färbenden Stoff nun auch verwenden, um damit Holz zu behandeln. In einem Pilotprojekt wollen sie ein antikes Holzblasinstrument nachbauen und mit dem Melanin vor schädlichen Mikroben schützen.

Doch allein die Farbe macht Melanin interessant für Holzanwendungen. Tropisches Ebenholz gilt auch wegen seiner einmaligen dunklen Farbe als besonders kostbar. Dieses dunkle Aussehen lässt sich aber auch mithilfe von Melanin auf anderen, weiter verbreiteten Hölzern erhalten. So kann man beispielsweise Fichtenholz in eine Melanin-Suspension einlegen, um ihm einen für Ebenholz typischen tiefdunklen Ton zu verleihen.

Damit die schwarze Einfärbung das Holz besser durchdringen kann, griffen die Forscher zu einem weiteren Trick aus dem Pilzreich: dem wässrigen Porling. Als Erreger der Weißfäule ist er ebenfalls ein Holzschädling. Schwammartig wächst er auf Bäumen und zersetzt das stützende Lignin im Holz. Dies nutzten die Empa-Forscher nun aus, um die Melaninsuspension besonders tief in die Holzstrukturen eindringen zu lassen. Dabei darf der Weißfäule-Pilz nur nicht zu lange aktiv bleiben, damit das Holz noch stabil bleibt.

Originalpublikation: Anh N. Tran-Ly, Carolina Reyes, Francis W. M. R. Schwarze & Javier Ribera: Microbial production of melanin and its various applications, World Journal of Microbiology and Biotechnology volume 36, Article number: 170 (2020); DOI: 10.1007/s11274-020-02941-z

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Weiterführende Literatur: Javier Ribera, Guido Panzarasa, Annika Stobbe, Alina Osypova, Patrick Rupper, Daniel Klose, and Francis W. M. R. Schwarze: Scalable Biosynthesis of Melanin by the Basidiomycete Armillaria cepistipes, J. Agric. Food Chem. 2019, 67, 1, 132–139, December 12, 2018; DOI: 10.1021/acs.jafc.8b05071

* *Dr. A. Six, EMPA Eidgenössische Material- Prüfungs-und Forschungsanstalt, 8600 Dübendorf/Schweiz

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