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Die erste Zelle – mögliche Entstehung im Labor simuliert Stammt das Leben aus den Tiefen der Erde?

Von Birte Vierjahn*

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Wo liegt der Ursprung des Lebens? Viele Forscher vermuten ihn in der „Ursuppe“, also dem urzeitlichen Ozean. Kometen als Keimzellen des Lebens sind ebenfalls eine verbreitete Theorie. Doch auch unterirdische, wassergefüllte Spalten könnten eine Rolle gespielt haben. Solche Brutkammern des Lebens haben nun Forscher der Universität Duisburg-Essen nachgestellt und dort primitive Vorstufen lebender Strukturen erzeugt.

Stammt das Leben aus dem Erdinneren, und kam erst über Geysire an die Oberfläche? (Symbolbild)
Stammt das Leben aus dem Erdinneren, und kam erst über Geysire an die Oberfläche? (Symbolbild)
(Bild: gemeinfrei, Andreas Strandman / Unsplash)

Duisburg, Essen – Unsere Erde vor rund 3,8 Milliarden Jahren: Noch ist sie ein trister, lebloser Ort im Universum. Doch in ihrem Inneren brodelt es. Ein Vielzahl verschiedener Peptide, Temperaturen von 40 bis 80 °C und ein erhöhter Druck von 60 bis 80 bar – das sind die Bedingungen, um aus toter Materie die ersten Vorstufen des Lebens entstehen zu lassen.

Ob sich das Leben in einem Kilometer Tiefe unter der Erdoberfläche entwickelt haben könnte, untersuchen der Chemiker Prof. Christian Mayer vom Center for Nanointegration und der Geologe Ulrich Schreiber, ebenfalls Professor an der Universität Duisburg-Essen (UDE). Sie haben wassergefüllte Spalten im Erdinnern und geothermale Quellen simuliert, wie es sie auch auf der noch jungen Erde gegeben haben könnte. Im Zentrum des Interesses standen dabei so genannte Vesikel: Von selbst entstandene Bläschen mit einer Membran aus einer Lipiddoppelschicht.

Kreislauf aus Zerstören und Neubilden

In ihrem Laborversuch änderten die Forscher alle 20 Minuten den Druck im System und damit die Qualität des Lösungsmittels. So stellten sie nach, was in der Natur durch Gezeitenkräfte und Geysire passiert. Dabei wurden die Vesikel in der Lösung periodisch zerstört und wieder neu gebildet. Insgesamt 1500 Vesikel-Generationen ließen sie so innerhalb von zwei Wochen entstehen und wieder zerfallen.

Dabei stellten die Forscher fest, dass eine zunehmende Zahl von Vesikeln den Generationenwechsel überstand, also nicht durch die wechselnden Bedingungen zerstört wurde. Analysen ergaben, dass diese Vesikel bestimmte Sequenzen aus zehn bis zwölf Aminosäuren clusterförmig in ihre Membran eingelagert hatten.

Eine vereinfachte Form von Evolution

Hochdruckkammer, in der die Evolutions-Versuche stattfinden. Ihr Durchmesser beträgt etwa 6 cm.
Hochdruckkammer, in der die Evolutions-Versuche stattfinden. Ihr Durchmesser beträgt etwa 6 cm.
(Bild: C. Mayer, CENIDE/UDE)

Weitere Tests, die gezielt mit einem dieser Peptide durchgeführt wurden, ließen drei Effekte auf die betreffenden Vesikel erkennen: Sie wurden thermisch stabiler, kleiner und dadurch widerstandsfähiger und – der wichtigste Aspekt – die Permeabilität ihrer Membran war deutlich erhöht.

„Wir haben daraus geschlossen, dass die Peptid-Cluster in der Membran erste Kanalstrukturen gebildet haben. So können die Vesikel den osmotischen Druck ausgleichen“, erklärt Mayer. „Alle genannten Effekte sind Überlebensstrategien, wenn man so will.“ Peptid und Vesikel stabilisieren sich gegenseitig. Wird ein solches Gebilde nach einigen Zyklen doch noch zerstört, so nehmen die nachfolgenden Generationen die Peptidstruktur auf und integrieren sie wiederum in ihre Membran. Auf diese Weise wird eine Funktion über den molekularen Pool weitergegeben und im Verlauf einer Evolution fortentwickelt, wie es auch beim horizontalen Genaustausch zwischen Bakterien vorkommt.

Es lebt – zumindest laut NASA-Definition

Bei den erzeugten, sich „weiterentwickelnden“ Vesikeln, lässt sich bereits von einer Art Leben sprechen, zumindest nach der sehr großzügigen Definition der US-Raumfahrtbehörde NASA. Denn manche Astrobiologen sehen ein System bereits als lebendig an, wenn es zu irgendeiner Art der Evolution fähig ist. Nach der biologischen Definition, die sich bisher auf irdische Lebensformen beschränkt, fehlen jedoch noch wesentliche Punkte der Checkliste, wie zum Beispiel Stoffwechsel, Vermehrung und Wachstum.

Doch die Versuche haben zumindest einen Weg zu einer primitiven Vorstufe von Leben aufgezeigt, da sind sich Mayer und Schreiber sicher. „Wie wir es im Zeitraffer simuliert haben, könnten vor Milliarden von Jahren Funktionen entstanden sein, die solche Vesikel stabil genug werden ließen, um zum Beispiel mit dem Fluss tektonischer Flüssigkeiten oder aber bei Geysir-Ausbrüchen aus der Tiefe an die Oberfläche zu kommen“, sagt Schreiber.

Mehrere Mechanismen gemeinsam

Anschließend könnte sich ein erster Stoffwechsel mit Konzentrationsgradienten als Energiequelle ausgebildet haben, gefolgt von der Fähigkeit zur Selbstreplikation. Damit wäre auch nach biologischer Definition aus unbelebten Komponenten langsam ein lebendiger Organismus geworden, eine erste Zelle.

Kam das Leben also aus dem Inneren der Erde statt aus dem Urozean oder per Meteorit aus den Weiten des Alls? Grundsätzlich gibt es für all diese Theorien Anhaltspunkte und gängige Annahmen in der Wissenschaft. „Wir vermuten, dass diese Art der molekularen Evolution in der Tiefe parallel zu anderen Mechanismen oder zeitlich versetzt zu ihnen stattgefunden hat“, fasst Mayer zusammen.

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Originalpublikation: Schreiber, Ulrich; Mayer, Christian: The First Cell – The Mystery Surrounding the Beginning of Life, Springer Nature Switzerland AG, Juli 2020, ISBN 978-3-030-45381-7; DOI: 10.1007/978-3-030-45381-7

* B. Vierjahn, Cenide – Center for Nanointegration Duisburg-Essen, 47057 Duisburg

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