Extreme Überlebenskünstler Tapsiges Dornröschen: Wie Bärtierchen dem Frost trotzen
Anbieter zum Thema
Bärtierchen fürchten keine Extreme: Bei großer Hitze trockenen sie zeitweise ein, aber kommen mit dem ersten Tropfen Wasser wieder zurück ins Leben. Und auch Kälte überstehen sie mühelos. Denn eine neue Studie hat nun bestätigt: Gefrorene Bärtierchen altern nicht.

Stuttgart – Bärtierchen, auch Wasserbären genannt, haben eine Gangart, die an die eines Bären erinnert. Damit sind die Gemeinsamkeiten zwischen tatsächlichen Bären und den zu Fadenwürmern gehörenden Mikroorganismen bereits erschöpft. Die nur knapp einen Millimeter großen Bärtierchen sind aber nicht weniger beachtlich. Sie haben es geschafft, sich im Laufe der Evolution perfekt an schnell wechselnde Umweltbedingungen anzupassen und können bei extremer Hitze austrocknen und bei Kälte gefrieren. ,,Sie fallen in einen Dornröschenschlaf ohne zu sterben“, sagt Ralph Schill, Professor am Institut für Biomaterialien und biomolekulare Systeme der Universität Stuttgart.
:quality(80)/images.vogel.de/vogelonline/bdb/1732700/1732761/original.jpg)
Meeresmikroben im Tiefschlaf
Lebt es noch? Wie Mikroorganismen die Jahrtausende überdauern
Für einen Zellorganismus bedeutet es unterschiedlichen Stress, je nachdem ob er gefriert oder austrocknet. Doch Bärtierchen überstehen Hitze und Kälte gleichermaßen unbeschadet. Sie zeigen in einer solchen Extremsituation keine offensichtlichen Lebenszeichen mehr. Daraus ergibt sich die Frage, was mit der inneren Uhr der Tiere im Kälte- oder Hitzeschlaf passiert und ob sie in diesem Ruhezustand altern.
Dornröschenschlaf als Überlebensmaßnahme
Für getrocknete Bärtierchen, die viele Jahre in ihrem Lebensraum auf den nächsten Regen warten, haben Schill und sein Team die Frage nach dem Altern schon vor einigen Jahren beantwortet. Es ist wie in einem Märchen der Gebrüder Grimm, in dem die Prinzessin in einen tiefen Schlaf fällt. Als ein Prinz sie nach 100 Jahren küsst, erwacht sie und sieht noch immer so jung und schön aus wie zuvor. Bei den Bärtierchen im getrockneten Zustand ist es ähnlich und daher wird dies auch als Dornröschen-Hypothese bezeichnet („Sleeping Beauty“-Model). „Während inaktiver Perioden bleibt die innere Uhr stehen und läuft erst wieder weiter, sobald der Organismus reaktiviert wird“, sagt Schill. „So können Bärtierchen, die ohne Ruheperioden normalerweise nur wenige Monate leben, viele Jahre und Jahrzehnte alt werden.“
Bislang war noch unklar, ob dies auch für gefrorene Tiere gilt. Altern sie schneller oder langsamer als die getrockneten Tiere oder kommt das Altern auch zum Stillstand?
Alterungsprozess stoppt auch in gefrorenem Zustand
Um dies zu erforschen, haben Schill und sein Team in mehreren Experimenten insgesamt über 500 Bärtierchen bei -30 °C eingefroren, wieder aufgetaut, gezählt, gefüttert und wieder eingefroren. Dies geschah so lang bis alle Tiere gestorben sind. Zur selben Zeit wurden Kontrollgruppen bei gleichbleibender Raumtemperatur gehalten. Die Zeit in gefrorenem Zustand ausgenommen, zeigte der Vergleich mit den Kontrollgruppen eine nahezu identische Lebensdauer. „Bärtierchen halten also auch im Eis wie Dornröschen ihre innere Uhr an“, schlussfolgert der Studienleiter.
Originalpublikation: J. Sieger, F. Brümmer, H. Ahn, G. Lee, S. Kim, R. O. Schill: Reduced ageing in the frozen state in the tardigrade Milnesium inceptum (Eutardigrada: Apochela), Journal of Zoology, First published: 26 September 2022; DOI: 10.1111/jzo.13018
(ID:48655497)