Infektionspotenzial von Blasinstrumenten im Vergleich Trompeter oder Tenor – wer ist ansteckender?
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Lieber singen oder Trompete spielen? Aus musikalischer Sicht ist das Geschmackssache, in Hinblick auf den Infektionsschutz gibt es aber eine deutliche Antwort. Was ansteckender ist – Gesang oder Blasmusik – haben Forscher in einer Studie herausgefunden und dazu über ein Dutzend Instrumente verglichen.

Göttingen – Können wir in Zeiten von Corona noch gefahrlos ein klassisches Konzert genießen? Oder begeben wir uns dort in eine hochansteckende Risiko-Zone? Schließlich sind die Blasinstrumente im Orchester allesamt Virenschleudern und verteilen die feinsten Flüssigkeitströpfchen aus dem Atem der Musizierenden im ganzen Saal… oder etwa nicht? Wie sich die Infektionsgefahr beim Spielen von Blasinstrumenten im Vergleich zu normalem Sprechen oder Singen tatsächlich verhält, haben Forscher des Max-Planck-Instituts für Dynamik und Selbstorganisation (MPI-DS) untersucht.
Klassik-Fans können beruhigt sein. Denn laut den Forschern ist das risikoreichste „Instrument“ die Stimme selbst, zumindest wenn es um die Verbreitung von Viren wie SARS-CoV-2 geht. Beim Singen und Sprechen bringen infizierte Personen in der gleichen Zeit mehr als 500-mal mehr Partikel in die Luft, die Viren enthalten können, als beim ruhigen Atmen. Beim Spielen von Blasinstrumenten gelangt hingegen deutlich weniger Aerosol in die Umgebung als beim Singen – aber auch hier immer noch 5- bis 50-mal mehr als beim ruhigen Atmen. Ganz risikoarm ist das Beiwohnen eines klassischen Konzerts also auch nicht.
Wir haben überraschenderweise festgestellt, dass Musikinstrumente weniger riskant sind als Sprechen oder Singen.
Gemeinsam mit Kollegen des Instituts für Krankenhaushygiene und Infektiologie an der Universitätsmedizin Göttingen (UMG) haben die Forscher analysiert, wie viele Partikel welcher Größe beim Spielen von 20 verschiedenen Blasinstrumenten freigesetzt werden. Die Messungen nahmen sie unter kontrollierten Bedingungen in einem Reinraum vor und ermittelten aus den Ergebnissen jeweils die obere Grenze für das Infektionsrisiko mit der Omikronvariante von Sars-CoV-2.
Welches Blasinstrument verteilt die meisten Viren?
Wie die Untersuchung des Göttinger Teams zeigt, bleiben vor allem die größeren für die Übertragung von Viren besonders wichtigen Atemtröpfchen in den Blasinstrumenten hängen. Die Instrumente wirken somit wie ein Filter für größere Partikel. Trotzdem ist Blasmusik aus Sicht des Infektionsschutzes für die Musizierenden und das Publikum nicht ungefährlich. Das liegt daran, dass Partikel mit einer Größe von weniger als fünf Mikrometer weitestgehend ungehindert aus dem Instrument nach außen dringen. Sie bleiben länger in der Luft und breiten sich weiter aus, sodass sie vor allem in ungelüfteten Räumen hohe Konzentrationen erreichen können.
Wie viele solche kleinen Partikel die Blasmusik freisetzt, hängt dabei auch vom Instrument ab: Während das Team bei verschiedenen Flöten eine sehr geringe Konzentration freigesetzter Partikel gemessen hat, erreichte diese bei der Klarinette beinahe so hohe Werte wie beim Singen.
So beträgt das Ansteckungsrisiko etwa bei der Klarinette und der Posaune in einem Abstand von anderthalb Metern nach vier Minuten bereits bis zu 50 Prozent. Im selben Abstand zu einer Flöte wird dieses Infektionsrisiko erst nach drei Stunden erreicht. Alle anderen gemessenen Instrumente lagen dazwischen.
Schutzmasken für Instrumente getestet
In der Studie untersuchte das Team auch, wie gut sich die Ansteckungsgefahr durch eigens angefertigte Partikelfilter für die Instrumente reduzieren lässt, ähnlich dem Vlies von FFP2-Masken. Die Prototypen der Masken setzten sie dabei auf die Enden der Blechblasinstrumente; Holzblasinstrumente umhüllten sie fast vollständig mit dem Filtermaterial.
„Bei Blechblasinstrumenten funktionieren Masken auf dem Schallstück zuverlässig, um den Ausstoß infektiöser Partikel zu reduzieren“, sagt Oliver Schlenczek, Erstautor der Studie. Tragen darüber hinaus auch Zuhörer eine FFP2-Maske, liege die Ansteckungsgefahr selbst nach einer Stunde bei maximal 0,2 Prozent. Simone Scheithauer, Direktorin des Instituts für Krankenhaushygiene und Infektiologie der UMG, bewertet diese Ergebnisse positiv. „Auf dieser Grundlage können wir zukünftig viel gezielter Schutzmaßnahmen empfehlen und den musikalischen Kulturbetrieb auch in kritischen Situationen mit nur geringen Einschränkungen aufrechterhalten“, sagt sie.
Das Fazit aus der Studie gibt also weitgehend Entwarnung und zeigt, dass auch in Zeiten von Corona der Konzertbesuch im Opernhaus mit weitgehend geringem Ansteckungsrisiko möglich ist. „Bei ausreichender Belüftung und dem Tragen von FFP2-Masken können Unterricht, Proben und Konzerte mit Blasinstrumenten sicher durchgeführt werden“, schließt der Aerosolforscher du Studienleiter Eberhard Bodenschatz.
Originalpublikation: Oliver Schlenczek, Birte Thiede, Laura Turco, Katja Stieger, Jana M.Kosub, Rudolf Müller, Simone Scheithauer, Eberhard Bodenschatz, Gholamhossein Bagheri: Experimental measurement of respiratory particles dispersed by wind instruments and analysis of the associated risk of infection transmission, Journal of Aerosol Science, Available online 16 September 2022; DOI: 10.1016/j.jaerosci.2022.106070
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