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Frequenzverdopplung von Licht Unordentliche Nanokristalle als Lichtwandler

Von Oliver Morsch*

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Ein Bildschirm, der unsichtbare Wärmestrahlung direkt in sichtbares Licht umwandelt. Dies ist nur eine mögliche Anwendung der neu entwickelten Mikrokugeln eines ETH-Forscherteams. Die Kügelchen bestehen aus ungeordneten, viel kleineren Nanokristallen und ermöglichen eine Frequenzverdopplung von einfallendem Licht. Das gelingt mit den Mikrokugeln sogar unabhängig von der Einstrahlrichtung und für eine große Frequenzbreite.

Rotes Licht wird in Mikrokügelchen aus Nanokristallen durch Frequenzverdopplung in blaues Licht verwandelt.
Rotes Licht wird in Mikrokügelchen aus Nanokristallen durch Frequenzverdopplung in blaues Licht verwandelt.
(Bild: Jolanda Müller / ETH Zürich)

Zürich/Schweiz – Vom Mikroskop über die Datenübertragung durch Glasfasern bis hin zu modernen Quantentechnologien spielt Licht eine wichtige Rolle in Wissenschaft und Industrie. Insbesondere Methoden, mit denen die Farbe – also die Frequenz und Wellenlänge – von Licht verändert werden kann, sind in modernen Anwendungen von großer Bedeutung. Dazu braucht es nichtlineare Kristalle. In diesen Kristallen kann zum Beispiel aus zwei Photonen einer bestimmten Frequenz ein Photon mit der doppelten Frequenz entstehen, also etwa aus zwei roten Photonen ein blaues.

Damit das funktioniert, muss das Licht allerdings in der Regel in einer ganz bestimmten Richtung und mit einer bestimmten Polarisierung auf den Kristall treffen. Diese so genannte Phasenanpassung schränkt die Anwendungsmöglichkeiten oft ein. Forscher um die ETH-Professorin Rachel Grange am Institut für Quantenelektronik haben nun gemeinsam mit der Arbeitsgruppe von Prof. Lucio Isa am Departement für Materialwissenschaft eine Methode entwickelt, mit der sich eine effiziente Frequenzverdopplung auch ohne eine solche Feinabstimmung erreichen lässt und die gleichzeitig noch andere Vorteile gegenüber herkömmlichen Verfahren aufweist.

Unordnung und Winzigkeit führen zum Ziel

Das Rezept der Forscher lässt sich etwa so zusammenfassen: Lieber durcheinander als geordnet und besser klein als groß. Dies fasst die zwei Arbeitsansätze des Teams zusammen.

Beim ersten Ansatz benutzt man anstelle eines einzelnen großen Kristalls sehr viele, nur wenige Mikrometer große Mini-Kristalle, deren Kristallachsen in alle möglichen Richtungen zeigen. Dadurch muss nicht mehr streng auf die Richtung der einfallenden Lichtstrahlen geachtet werden. Unter den vielen Mini-Kristallen werden immer einige sein, die günstig ausgerichtet sind, und andere, die ungünstig ausgerichtet sind, aber in Summe kommt dennoch eine beträchtliche Menge an frequenzverdoppeltem Licht heraus. So kann Unordnung dabei helfen, die Frequenzverdopplung zu erzielen.

Der zweite Ansatz wiederum beruht auf der verstärkenden Wirkung von Resonanzen. Dafür müssen die kugeligen Minikristalle sehr klein sein. Genauer gesagt muss ihr Durchmesser, in etwa der Wellenlänge des Lichts entsprechen. Dann erhöht sich durch wiederholte Reflexion der Lichtwellen an den Kugelwänden die Lichtintensität im Innerem der Kugel um ein Vielfaches, und dadurch auch die Ausbeute an frequenzverdoppeltem Licht.

Die Idee: Eine Kugel aus Nanokristallen

Um beide Effekte gleichzeitig optimal anzuwenden, planten die Forscher, ein ungeordnetes Kristallpulver zu mikrometergroßen Kügelchen zu formen, um so den resonanten Verstärkungseffekt des Lichts auszunutzen. Die einzelnen Bariumtitanat-Kristalle, die sie dazu verwenden wollten, mussten sehr klein sein – nur etwa 50 Nanometer lang –, damit sie durchsichtig genug waren, um das Licht mehrmals passieren zu lassen und so Resonanzen in den Mikrokügelchen zu erzeugen.

„Wir hatten also diese tolle Idee, aber keine Ahnung, wie wir die vielen winzigen Nanokristalle in perfekte Mikrokügelchen verwandeln sollten“, sagt Romolo Savo, der als Postdoktorand das Projekt leitete. „Eines Tages trafen wir dann in der Kaffeepause Lucio Isa, erzählten ihm von unserem Problem, und er hatte gleich einen Tipp parat.“

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Rezept für perfekt ungeordnete Mikrokugeln

Isas Vorschlag war, das Nanokristall-Pulver in Wasser aufzulösen, die Wasserlösung mit Öl zu mischen und das Ganze kräftig zu schütteln – ähnlich, wie man es bei einer Vinaigrette mit Essig und Öl machen würde. In der so hergestellten Emulsion bilden sich dann kleine Bläschen der Wasser-Kristall-Lösung, aus denen das Wasser nach und nach durch das Öl hindurch verdunstet. Übrig bleiben perfekt geformte Kügelchen aus ungeordneten Nanokristallen, also genau das, was Grange und ihre Mitarbeiter wollten.

Nanokristall-​Kügelchen werden hergestellt, indem man mit Kristallen gefüllte Wassertröpfchen in einer Öl-​Wasser Emulsion erzeugt. Das Wasser verdunstet und hinterlässt perfekt geformte Kügelchen.
Nanokristall-​Kügelchen werden hergestellt, indem man mit Kristallen gefüllte Wassertröpfchen in einer Öl-​Wasser Emulsion erzeugt. Das Wasser verdunstet und hinterlässt perfekt geformte Kügelchen.
(Bild: Romolo Savo / ETH Zürich)

Das Rezept für die Emulsion funktionierte – sogar noch besser, als die Forscher erwartet hatten. „Die Frequenzverdopplung mit den Kügelchen aus ungeordneten Nanokristallen funktioniert sowohl unabhängig von der Einfallsrichtung des Lichts als auch über eine große Spanne an Frequenzen. Damit ist sie wesentlich vielseitiger als die Frequenzverdopplung mit herkömmlichen Kristallen“, erklärt Savo. Zudem erhielten die Forscher dieselbe Ausbeute an frequenzverdoppeltem Licht bei 70 Prozent weniger Materialeinsatz. Im Gegensatz zu normalen Kristallen, bei denen ab einer bestimmten Größe die Lichtausbeute nicht weiterwächst, stieg sie bei den Mikrokügelchen weiter mit deren Volumen an.

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Potenzial für Überwachungstechnik

Demnächst wollen Grange und ihre Kollegen die Methode noch weiter verbessern, zum Beispiel durch Einfügen eines Abstandhalters zwischen den Mikrokügelchen und der Glasscheibe, auf der sie ruhen. Dadurch sollen Lichtverluste minimiert werden. Auch an mögliche Anwendungen denken die Forscher bereits. Die Aussicht, aus einem simplen und billigen Nanokristall-Pulver leistungsfähige nichtlineare Kristalle herzustellen, ist für Lasertechnologien allgemein interessant. Außerdem kann man die Mikrokügelchen über große Flächen verteilen. Damit könnten dann beispielsweise neuartige Bildschirme hergestellt werden, die Bilder im Infrarotbereich durch Frequenzverdopplung direkt in sichtbare Bilder umwandeln. Solche Bildschirme könnten in Überwachungskameras oder in den Lebenswissenschaften zur Anwendung kommen.

Originalpublikation: Savo R, Morandi A, Müller JS, Kaufmann F, Timpu F, Reig Escalé M, Zanini M, Isa L, Grange R: Broadband Mie-driven random quasi-phase-matching, Nature Photonics, 1. October 2020, doi: 10.1038/s41566-020-00701-x

* O. Morsch, ETH Zürich, 8093 Zürich/Schweiz

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