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Epigenetik und Immunsystem Warum gestresste Astronauten der Krebsforschung helfen

Von Andrea Mayer-Grenu*

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Dass ein Flug ins All aufregend ist, kann sich jeder leicht vorstellen. Tatsächlich ist der Körper bei einer Weltraum-Mission unter Dauerstress, was auch das Immunsystem beeinflusst. Wie sich dabei epigenetische Veränderungen ausbilden und welche Erkenntnisse man auf die Krebsforschung hier auf der Erde übertragen kann, soll ein Projekt der Uni Stuttgart untersuchen.

Ein „Weltraumspaziergang“ wie hier der des ersten US Astronauten Edward White ist alles andere als ein Spaziergang, sondern Stress für den Körper und das immunsystem.
Ein „Weltraumspaziergang“ wie hier der des ersten US Astronauten Edward White ist alles andere als ein Spaziergang, sondern Stress für den Körper und das immunsystem.
(Bild: NASA)

Stuttgart – Ein Langzeit-Einsatz im Weltraum klingt faszinierend, ist aber harte Arbeit: Astronauten wuchten mehrere hundert Kilo schwere Lasten und sind akut wie chronisch einer hohen Strahlungsintensität ausgesetzt, dazu kommen die physiologischen Auswirkungen der Schwerelosigkeit sowie eine enorme psychische Anspannung. All dies führt zu extrem hohem Stress, der das Immunsystem schwächt. „Wir wissen aus Untersuchungen nach abgeschlossenen Weltraumeinsätzen, dass sich die Immunantwort von Astronaut*innen unter den Extrembedingungen eines Langzeit-Orbitalflugs verändert, weil bestimmte Immunzelltypen weniger ausgeprägt sind, während andere ansteigen. Dies kann zum Beispiel dazu führen, dass ‚schlafende‘ Herpes- oder Eppstein-Barr-Viren aktiviert werden, sodass es zu einer vermehrten Ausscheidung großer Mengen an aktiven Viren und infolgedessen zu Hautentzündungen kommt“, erklärt Dr. Philipp Rathert vom Institut für Biochemie und Technische Biochemie (IBTB) der Universität Stuttgart.

Die Forscher erwarten, dass schon der kurze Aufenthalt im Weltall wie ein Verstärker für stressbedingte Effekte auf das Immunsystem wirkt. Sie hoffen, aus der Analyse von Astronauten-Blutproben Rückschlüsse auf stressbedingte Veränderungen der Immunzellen bei bösartigen Erkrankungen hier auf der Erde zu erhalten. Schließlich ist Stress im Verdacht, eine große Rolle bei der Entstehung von Tumorerkrankungen zu spielen. „Erkenntnisse auf diesem Gebiet könnten zum Beispiel zu alternativen Krebstherapien führen“, sagt der Biochemiker.

Umwelteinflüsse auf die Gene

Um diese Zusammenhänge zu untersuchen, setzen Rathert sowie Prof. Stephan Beck vom University College London gemeinsam mit den Firmenpartnern Active Motif und Microsynth im Projekt „Space-ChIP“ auf die Epigenetik. Dabei handelt es sich um ein Fachgebiet der Biologie, das sich mit Änderungen der Genfunktion befasst, welche nicht auf Veränderungen der DNA-Sequenz beruhen und dennoch an Tochterzellen weitergegeben werden – also quasi vererbbare Umwelteinflüsse.

Epigenetische Veränderungen spielen eine grundlegende Rolle bei biologischen und pathologischen Prozessen, indem sie Umweltsignale interpretieren und die Genexpression (die Ausprägung der genetischen Information) regulieren. Diese dynamischen Expressionsmuster, von der Einleitung bis zur Auslösung der Immunreaktion, sind auf unterschiedliche Zustände des genetischen Materials z. B. an regulatorischen Gen-Sequenzen zurückzuführen.

Für ihre anstehende Studie brauchen die Wissenschaftler u. a. Unterstützung aus der Raumfahrt. „Wir planen, genomweite Veränderungen epigenetischer Modifikationen zu identifizieren, die während eines Langzeit-Orbital-Fluges erworben wurden“, sagt Projektkoordinator Rathert. Hierzu wollen die Forscher Blutwerte von Astronauten mit denen von Kontrollpersonen auf der Erde vergleichen und die Ergebnisse mit umfangreichen Datenbanken von Krebspatienten abgleichen. „Auf diese Weise hoffen wir, erklären zu können, welche Rolle Stress bei der Entstehung und dem Verlauf von Krebserkrankungen tatsächlich spielt.“

Testpersonen gesucht

Für die Kontrollgruppe suchen die Forscher nun nach Testpersonen, die im Abstand von sechs Monaten zu drei (kleinen) Blutentnahmen bereit sind. Diese können an der Universität Stuttgart oder auch durch den Hausarzt durchgeführt werden. Anfragen bei Dr. Philipp Rathert, E-Mail philipp.rathert@ibtb.uni-stuttgart.de.

* A. Mayer-Grenu, Universität Stuttgart, 70174 Stuttgart

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