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Keimbelastung in Milch, Fleisch und Fisch untersucht Warum man Rohmilch vor dem Trinken besser abkocht

Redakteur: Christian Lüttmann

Rohmilch kommt sozusagen vom Euter direkt in die Flasche. Vor dem Konsum sollte man sie aber abkochen, um mögliche Krankheitserreger abzutöten, die besonders für Kleinkinder und Menschen mit geschwächtem Immunsystem gefährlich sind. Wie hoch die Keimbelastung in Rohmilch ist und welche Erreger in verschiedenen Fleisch- und Fischsorten lauern können, zeigen die Ergebnisse des aktuellen Zoonosen-Monitors vom Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit.

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Frische Milch, direkt vom Hof – hier sollte man sicherheitshalber die Milch vor dem Verzehr abkochen, um eventuell enthaltene Keime abzutöten.
Frische Milch, direkt vom Hof – hier sollte man sicherheitshalber die Milch vor dem Verzehr abkochen, um eventuell enthaltene Keime abzutöten.
(Bild: ©StockMediaProduction - stock.adobe.com)

Berlin – Weg vom Discounter, hin zum Bauernladen. Statt immer nur nach dem niedrigsten Preis zu schauen, legen mehr und mehr Konsumenten Wert auf Qualität, Nachhaltigkeit und Natürlichkeit. Doch die unbehandelte Rohmilch „direkt vom Hof“ ist mitunter nicht für jeden geeignet. Während Konsummilch in Deutschland vor der Abgabe an Verbraucher grundsätzlich wärmebehandelt wird, können in Rohmilch Zoonose-Erreger enthalten sein, also Krankheitserreger, die vom Tier auf den Menschen übergehen können. Empfindlichen Verbrauchergruppen wie Kleinkindern, älteren und immungeschwächten Menschen sowie Schwangeren wird deshalb geraten, auf den Verzehr von Rohmilchprodukten, wie Rohmilchkäse oder der Rohmilch selbst, generell zu verzichten.

5% der Rohmilchproben könnten Darmentzündungen hervorrufen

Im Zoonosen-Monitoring 2019 hat das Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL) über rund 370 Proben von Tankmilch, also unbehandelter Milch direkt vom Erzeugerbetrieb, auf verschiedene Krankheitserreger untersucht. So prüften die Laboranten die Rohmilch beispielsweise als eine mögliche Quelle für STEC-Infektionen. STEC steht für Shiga Toxin-bildende E. coli-Bakterien, die akute Darmentzündungen mit zum Teil schwerem Verlauf hervorrufen können. In 18 Proben wurden die Forscher fündig; rund 5% der getesteten Rohmilch war also mit STEC kontaminiert.

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Insbesondere für Kinder ist STEC gefährlich, weil die Bakterien das hämolytisch-urämische Syndrom (HUS) auslösen können, das u.a. mit einem akuten Nierenversagen einhergeht. In den untersuchten Bakterien-Isolaten wiesen die Forscher zudem besonders häufig das so genannte eae-Gen nach – einen der Hauptvirulenzfaktoren von STEC. Dies unterstreiche die potenzielle Erkrankungsgefahr für den Menschen.

Ratschlag: Rohmilch abkochen

Weitere Erreger, die in den Rohmilchproben nachgewiesen wurden, waren Campylobacter spp. in 2,5% der untersuchten Proben, Listerien in 3% der Proben und in 10,1% der Proben so genannte ESBL/AmpC-bildende E. coli. Letztere zeichnen sich dadurch aus, dass sie Enzyme bilden, die die Wirksamkeit von Penicillinen und Cephalosporinen herabsetzen bzw. aufheben können, sodass die Bakterien unempfindlich gegenüber diesen Antibiotika sind.

Die Ergebnisse unterstreichen, dass Rohmilch vor dem Verzehr durchzuerhitzen ist, zumal nach derzeitigem wissenschaftlichem Kenntnisstand davon auszugehen ist, dass diese resistenten Keime auch über Lebensmittel auf den Menschen übertragen werden können.

Hat ökologisch produziertes Schweinefleisch weniger Keime?

Neben Rohmilch testeten die Forscher auch diverse Fleischsorten, Fisch und Kräuter. So prüften sie beispielsweise die Keimbelastung von Schweinehack und fanden in 7,4% der Proben STEC-Erreger. Dies bestätige, dass auch rohes Schweinehackfleisch kein geeignetes Lebensmittel für empfindliche Verbrauchergruppen ist.

Bei frischem Schweinefleisch verglichen die Wissenschaftler Proben von Schweinen aus konventioneller Haltung mit solchen aus ökologischer Haltung. Die geprüften Keimbelastungen wiesen allerdings keine großen Unterschiede zueinander auf: Frisches Schweinefleisch aus konventioneller Produktion war zu 0,4 % mit Salmonellen belastet. Schweinefleisch aus ökologischer Produktion hatte mit 0,6 % eine vergleichbare Kontaminationsrate. Für ESBL/AmpC-bildende E. coli fanden sich bei konventionellem Schweinefleisch Erreger in 5,7% der Proben, bei ökologischem Fleisch waren es 4,8%. Und auch in Bezug auf antibiotikaresistente Keime traten keine deutlichen Unterschiede in den Resistenzraten der E.-coli-Isolate aus konventionell und ökologisch erzeugtem Schweinefleisch auftraten (34% vs. 28%).

Antibiotikaresistente Keime in Fisch und Fleisch

Zusätzlich zu den Schweinefleischproben untersuchten die Forscher auch Bakterien-Isolate aus den Lebensmittelketten Mastkälber und Jungrinder sowie aus Tankmilch und frischem Rindfleisch. Eine erhoffte Verringerung im Hinblick auf das Vorkommen von Resistenzen wurde nicht festgestellt. Auch bei Fisch bleiben Antibiotikaresistenzen ein ernst zu nehmendes Problem. Die E.-coli-Isolate aus importiertem Fisch aus Aquakultur waren zwar fast ausschließlich resistent gegenüber einem bestimmten Wirkstofftyp, den so genannten (Fluor)chinolonen. (Resistenzrate gegenüber Ciprofloxacin: 58,8%, gegenüber Nalidixinsäure: 20,6%). Diese hohen Resistenzraten sind aber besonders kritisch, da es sich bei den Fluorchinolonen um Antibiotika handelt, die für die Behandlung beim Menschen sehr wichtig sind. Die ermittelten resistenzraten basieren allerdings auf der minimalen Hemmkonzentration und erlauben keine unmittelbare Aussage über die Wahrscheinlichkeit eines Therapieerfolges mit einem bestimmten Antibiotikum. Sie gelten lediglich als frühzeitige Hinweise auf eine beginnende Resistenzentwicklung.

Nichtsdestotrotz verdeutlichen die Ergebnisse, dass man den Antibiotikaeinsatz in Zuchtbetrieben weiter senken muss, um die Resistenzraten deutlich zu reduzieren. Besonders kritische Antibiotika sollten weniger oder bestenfalls gar nicht mehr eingesetzt werden, also solche Substanzen, die von der WHO als „Highest Priority Critically Important Antimicrobials“ (HPCIA) klassifiziert sind, z.B. Glycopeptide.

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Zoonosen-Monitoring 2019

Für das Zoonosen-Monitoring 2019 haben die Überwachungsbehörden der Bundesländer 6792 Proben auf allen Ebenen der Lebensmittelkette genommen und auf das Vorkommen der wichtigsten über Lebensmittel übertragbaren Erreger untersucht. Insgesamt 2545 Bakterien-Isolate wurden in den Nationalen Referenzlaboratorien am Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) auf ihre Resistenz gegen ausgewählte Antibiotika untersucht.

Der vollständige Bericht zum Zoonosen-Monitoring 2019 ist online abrufbar unter: www.bvl.bund.de/ZoonosenMonitoring

Belastung von Hähnchen und Petersilie

Für frisches Hähnchenfleisch haben die Forscher beim Zoonosen-Monitor sich auf die Belastung mit Campylobacter spp. konzentriert. Die ermittelte Nachweisrate lag it 46,4% in derselben Größenordnung wie in den vorherigen Jahren. Die Ergebnisse des Zoonosen-Monitorings 2019 zeigen zudem, dass bei der Reduzierung hoher Keimzahlen von Campylobacter auf Schlachtkörpern von Masthähnchen nach wie vor keine Fortschritte erzielt wurden: Obwohl im Jahr 2018 ein Prozesshygienekriterium für Campylobacter eingeführt wurde, war der Anteil von Halshautproben mit Campylobacter-Keimzahlen von über 1000 koloniebildenden Einheiten pro Gramm (KbE/g) mit 23,4% etwa gleich hoch wie in den Jahren zuvor.

Bei der Analyse von tiefgefrorener Petersilie und frischen Babyspinat fanden die Laboranten in etwa 1% der Proben STEC-Erreger. Dies ist zwar ein sehr geringer Anteil an kontaminierten Proben, allerdings ist eine Keimbelastung hier kritischer zu sehen als bei rohem Fleisch. Denn Petersilie und auch Babyspinat wird meist roh konsumiert werden, die Keimbelastung wird also nicht durch Kochen oder Braten vor dem Verzehr reduziert. Damit stellen auch solche pflanzlichen Produkte eine mögliche Quelle für STEC-Infektionen des Menschen dar. Ursachen einer Kontamination von Obst und Gemüse mit STEC können beispielsweise fäkal verunreinigtes Bewässerungswasser oder mit STEC belasteter Dünger sein.

Den ausführlichen Bericht zum Zoonosen-Monitoring 2019 hat das BVL online zur Verfügung gestellt.

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