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Nahrungsmittel-induzierte Darmentzündung Wie ein Protein den Darm durcheinander bringt

Redakteur: Christian Lüttmann |

Lebensmittelallergien sind ein weit verbreitetes Problem. Die Nahrungsmittel-induzierte Darmentzündung ist ein besonders unangenehmes Beispiel dafür. Wie es zu der Überreaktion des Immunsystems im Verdauungstrakt kommt, haben nun Forscher des Paul-Ehrlich-Instituts untersucht. Ein Signalprotein spielt dabei eine entscheidende Rolle.

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Viele Menschen leiden unter Lebensmittelallergien. Die Ursachen solcher Allergien sind nur selten vollständig verstanden.
Viele Menschen leiden unter Lebensmittelallergien. Die Ursachen solcher Allergien sind nur selten vollständig verstanden.
(Bild: gemeinfrei, mohamed_hassan / Pixabay )

Frankfurt am Main – Es gibt immer mehr Betroffene von Allergien. Dabei nehmen nicht nur Heuschnupfen und allergisches Asthma zu, auch Nahrungsmittelallergien sind immer weiter verbreitet. Laut einer Studie der US-amerikanischen Gesundheitsbehörde CDC gab es in den USA zwischen 1997 und 2011 beispielsweise eine 50-prozentige Zunahme von Nahrungsmittelallergien bei Kindern.

Die Folgen solcher Allergien sind vielfältig. Manchmal wirken sie sich nur lokal aus, wie Rötungen der Haut oder Reizung der Atemwege, manchmal sind sie systemisch und betreffen den gesamten Organismus. Häufig verursachen sie Beschwerden im Magen-Darm-Trakt (gastrointestinale Beschwerden). Solche Formen der Nahrungsmittelallergien werden am häufigsten bei Kindern mit Kuhmilch- oder Sojaallergie beobachtet und zum Teil auch bei Erwachsenen mit Allergien gegenüber anderen Nahrungsmitteln wie Hühnereiern und Weizen. Zu diesen Allergiereaktionen gehört auch die Nahrungsmittel-induzierte Darmentzündung bzw. Allergische Enteritis (AE).

Begrenzte Mittel gegen Allergien

Bei vielen Allergien wie Asthma oder der Nahrungsmittelallergie-assoziierten atopischen Dermatitis sind die Symptome und krankhaften Veränderungen recht gut erforscht. Jedoch sind die pathologischen Prozesse, die zur Allergischen Enteritis führen, bisher kaum verstanden.

Auch sind die Behandlungsmöglichkeiten der Lebensmittelallergien nach wie vor begrenzt. Betroffene haben oft nur die Möglichkeit, auf die Lebensmittel mit den entsprechenden Allergen zu verzichten und sich auf kleine Notfallsets zu verlassen, die im Falle eines allergischen Schocks Schlimmeres verhindern sollen. Bei bestimmten Nahrungsmittelallergien werden immerhin schon spezifische Immuntherapien erprobt, bei denen das Allergen in steigenden Dosen verabreicht wird.

Das LABORPRAXIS-Allergiedossier Sie interessieren sich für Themen wie Heuschnupfen, Erdnussallergie und Co? In unserem Dossier „Allergien“ finden Sie eine Übersicht von spannenden Forschungsprojekten und -ergebnissen dazu.

Protein lenkt Immunzellen

Um die immunologischen Prozesse bei der Entstehung der Allergischen Enteritis besser zu verstehen, braucht es geeignete Tiermodelle. Forscher des Paul-Ehrlich-Instituts (PEI) um Prof. Stefan Vieths haben nun ein Mausmodell mit einer Hühnereiweiß-induzierten Allergischen Enteritis etabliert. In den entzündeten Geweben Betroffener findet sich eine bestimmte Gruppe weißer Blutzellen – eosinophile Granulozyten. Diese Immunzellen gelten als Zielstrukturen für mögliche Therapien.

Die Wissenschaftler des PEI gingen der Frage nach, welche Rezeptoren und Liganden daran beteiligt sind, die weißen Blutzellen zum Ort der entzündlichen Veränderungen zu lenken. Es war bereits bekannt, dass so genannte Chemokine eine wichtige Rolle dabei spielen.

Chemokine sind eine Gruppe von Signalproteinen, die bei Zellen eine Wanderbewegung auslösen. Mit Genanalysen fanden die Forscher heraus, dass die Genexpression und damit die Aktivität eines spezifischen Rezeptors im entzündlichen Darmgewebe der AE-Mäuse hochreguliert wird. Dieser Chemokinrezeptor 8 (CCR8) und sein Bindungsprotein CCL1 (Chemokin-Ligand 1) sind daran beteiligt, dass sich weiße Blutzellen in den von der Allergie betroffenen entzündlichen Geweben anreichern. Jedenfalls zeigten die Forscher dies bei den AE-Mäusen.

Knockout des Signalproteins ist keine Lösung

Um die ersten Hinweise auf die Rolle des Chemokinrezeptors 8 bei der Nahrungsmittel-induzierten Darmentzündung zu untermauern, führten die Wissenschaftler weitere Versuche durch. Dazu untersuchten sie CCR8-Knockout-Mäuse, bei denen das Gen für CCR8 ausgeschaltet war. Die Ergebnisse weisen darauf hin, dass CCR8 an der Entwicklung klinischer Symptome bei der Allergischen Enteritis beteiligt ist. Allerdings scheint das Ausschalten von CCR8 keine erfolgsversprechende Strategie zu sein, um die Nahrungsmittelallergie-induzierte Darmentzündung zu unterdrücken. Denn den Forschern zufolge werden hierbei andere entzündliche Zellen hochreguliert, sodass die allergische Reaktion letztlich bestehen bleibt.

Bisher war nicht bekannt, dass der Rezeptor CCR8 daran beteiligt ist, die weißen Blutzellen bei AE an den Ort der entzündlichen Prozesse zu leiten. Mit dieser Erkenntnis hat das Team des PEI einen wichtigen Beitrag geleistet, der helfen könnte, Therapien gegen die Allergische Enteritis zu entwickeln.

Originalpublikation: Blanco-Pérez F, Kato Y, Gonzalez-Menendez I, Laiño J, Ohbayashi M, Burggraf M, Krause M, Kirberg J, Iwakura Y, Martella M, Quintanilla-Martinez L, Shibata N, Vieths S, Scheurer S, Toda M: CCR8 leads to eosinophil migration and regulates neutrophil migration in murine allergic enteritis, Sci Rep 9: 9608 (2019); DOI: 10.1038/s41598-019-45653-76

(ID:46135514)