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Isotopenmessung in Sedimenten Wie Korallen die Klimageschichte erzählen

Redakteur: Christian Lüttmann

Schon lange vor unserer Zeit entstanden und zerfielen Korallen an den Küstenregionen. Dabei hinterließen sie chemische Spuren im Wasser und den Sedimenten. Diesen Spuren sind nun Wissenschaftler des Geomar-Forschungszentrums nachgegangen und haben Details des Kohlenstoffkreislaufs der vergangenen 35 Millionen Jahre rekonstruiert.

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Tropische Steinkorallen im Versuchsbecken am Geomar
Tropische Steinkorallen im Versuchsbecken am Geomar
(Bild: Jan Steffen, GEOMAR Helmholtz Centre for Ocean Research Kiel)

Kiel, Santa Cruz/USA – Kohlenstoff ist ein wahrer Verwandlungskünstler unter den Elementen. Mit Kalzium bildet er beispielsweise Kalziumkarbonate, aus denen Korallenskelette oder die Schalen von Kalkalgen bestehen. In Verbindung mit Sauerstoff bildet er das Treibhausgas Kohlendioxid, in Verbindung mit Wasserstoff das noch wirksamere Treibhausgas Methan. Kohlenstoff ist also ein wichtiger Indikator der Klimageschichte: Je mehr Kohlenstoff in biologischer Form, im Meeresboden oder im festen Untergrund gebunden ist, desto kühler war es auf der Erde – und umgekehrt. Den Kohlenstoffkreislauf in allen Details nachzuvollziehen ist daher fundamental, um das Klimasystem der Erde zu besser zu verstehen.

Kalkschalen als Kohlenstoffsenke

Wissenschaftler haben nun neue Einblicke in den globalen Kohlenstoffkreislauf der vergangenen 35 Millionen Jahre gewonnen. Das Team der amerikanischen University of California Santa Cruz und des Geomar Helmholtz-Zentrums für Ozeanforschung Kiel hat insbesondere Prozesse untersucht, die Kohlenstoff durch die Ablagerung von Karbonaten aus der Umwelt entfernen. „Wir konnten so nicht nur die Verknüpfung zwischen Kohlenstoffkreislauf und Klimaveränderungen nachvollziehen, sondern auch den Einfluss von Meeresspiegelschwankungen auf den Kohlenstoffkreislauf nachweisen“, sagt Prof. Dr. Anton Eisenhauer vom Geomar, Co-Autor der Studie.

Zentral für die Studie war die Analyse von Isotopen des Elements Strontium in Meeresbodenproben. Strontium ist Kalzium chemisch gesehen sehr ähnlich und findet sich deshalb auch in Kalziumkarbonat-Schalen von Meeresorganismen. Über das Strontium lassen sich so Rückschlüsse auf die Bildung von Kalziumkarbonat im Meer ziehen. Das neuartige Verfahren zur präzisen Messung so genannter „stabiler Strontium-Isotope“ war zuvor am Geomar entwickelt worden.

Korallen und der Strontiumgehalt im Meer

Das internationale Team fand heraus, dass die stabilen Strontium-Isotopenverhältnisse im Ozean großen Schwankungen von bis zu 20 Prozent unterlagen, die im Zusammenhang mit den Veränderungen des Kohlenstoffkreislaufs der letzten 35 Millionen Jahre stehen. Dabei spielt auch der Meeresspiegel eine entscheidende Rolle. Das ergab der Vergleich von Karbonatablagerungen in Küstennähe und im tiefen Ozean.

Im freien Ozean sind vor allem Kieselalgen und andere Kalkschalen-bildendende Einzeller wie Foraminiferen oder Coccolithophoriden dafür verantwortlich, dass sich Karbonate im Sediment ablagern. Im flacheren Wasser der Küstenregionen sind es eher Korallen. Dabei unterscheiden sich die Kalziumminerale von Einzellern und Korallen deutlich in ihrer chemischen Zusammensetzung. Dies gilt insbesondere im Hinblick auf den Einbau des Elements Strontium. Koralle bilden hauptsächlich das Kalziummineral Aragonit und entfernen dabei viel mehr Strontium aus dem Meerwasser, als dies die einzelligen Foraminiferen tun, wenn sie ihre aus dem Kalziummineral Kalzit bestehenden Schalen aufbauen.

Umgekehrt wird viel Strontium aus Korallen frei, wenn die Ozeanschelfe aufgrund von Klimaschwankungen trockenfallen und Verwitterungsprozesse sie erodieren lassen. So haben Schwankungen im Meeresspiegel dafür gesorgt, dass sich der Strontiumgehalt im Meer und damit auch in den Sedimenten über die Jahrmillionen mehrfach deutlich geändert hat.

Wie Veränderungen im Meeresspiegel, der Strontiumgehalt im Meer und klimatische Veränderungen zusammenhängen, erklärt das folgende Video mit anschaulichen Animationen. Quelle: WasteFEW ULL

Strontium als Klimaindikator

Mit den Strontium-Analysen haben die Wissenschaftler mehr über die Prozesse gelernt, die ablaufen, wenn Kohlenstoff aus der Umwelt entfernt und im Meer deponiert wird. „So konnten wir auch zeigen, dass die Meeresspiegelschwankungen nicht nur Folge, sondern auch Verursacher von Klima- und atmosphärischen CO2-Variationen sind“, sagt Eisenhauer.

Die Erkenntnisse der Forscher könnten dabei helfen, besser gegen den aktuellen Klimawandel anzusteuern und die schlimmsten Auswirkungen der Versauerung der Ozeane abzumildern.

Originalpublikation: Paytan, A., E. M. Griffith, A. Eisenhauer, M. Hain, K. Wallmann, A. Ridgewell: A 35-million-year record of seawater stable Sr-isotopes reveals a fluctuating global carbon cycle, Science 26 Mar 2021: Vol. 371, Issue 6536, pp. 1346-1350; DOI: 10.1126/science.aaz9266,

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