Funktionalisierung von Oberflächen Wie Wasserläufer Stahl vor Erosion schützen sollen
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Stahl ist hart, aber nicht unverwüstlich. Bei Schiffsschrauben können sogar Luftblasen die Oberfläche des Stahls angreifen und zu Materialschädigungen führen. Um derartige Kavitationsblasen abzuwehren, entwickeln Forscher der Universität Marburg eine neue Oberflächenstruktur nach dem Vorbild von Wasserläufern.

Marburg – Kleine Luftbläschen im Sekt sind sanft prickelnd. Im Whirlpool sorgen sie für eine angenehme Massage. Doch unter bestimmten Umständen können Luftblasen zu zerstörerischen Geschossen werden, die selbst gehärtetem Stahl zusetzen. So etwa im Fall von Turbinen oder Schiffsschrauben. Dort kommt es langfristig zu Materialschädigung durch Kavitationserosion: Wenn Flüssigkeiten mit hoher Geschwindigkeit strömen oder sich ein Objekt sehr schnell durch eine Flüssigkeit bewegt, bilden sich an den Oberflächen bestimmte Blasen, so genannte Kavitationsblasen.
Diese Kaviation kann bei großen Schiffspropellern und Düsen ebenso auftreten wie bei künstlichen Herzklappen. Die dabei entstehenden Blasen brechen nach kurzer Zeit implosionsartig in sich zusammen. Dabei entstehen extreme Drücke von über tausend Bar. Derartige Kräfte führen zum Beispiel an einer sich schnell drehenden Schiffsschraube zur stetigen Erosion des Materials.
Kavitation – ein Feind der Schifffahrt
„Materialschädigung durch Kavitationsblasen ist ein sehr altes und vor allem noch ungelöstes Problem in Maschinen und Anlagen“, sagt der Physiker Prof. Dr. Claus-Dieter Ohl von der Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg. „Mit dem Beginn der motorgetriebenen Transatlantik-Schifffahrt im 19. Jahrhundert hat man bemerkt, dass die Schiffspropeller nur eine einzige Überfahrt überstehen.“
Obwohl weltweit viele Gruppen an der Kontrolle von Kavitation arbeiteten, hätten es Materialwissenschaftler bisher aber nicht geschafft, zum Beispiel Legierungen zu finden, die resistent gegen die Erosion durch Kavitation seien, erläutert Ohl. „Wir sind mit unserer Forschung deshalb einen anderen Weg gegangen und haben nicht das Material selbst, sondern dessen Oberflächenstruktur so verändert, dass die Kavitationsblasen erst gar keinen Kontakt mit der Oberfläche finden und somit sie auch nicht zerstören können.“
Ein Schild aus Gasblasen
Das neue Verfahren der Magdeburger Forscher basiert darauf, die Oberflächen gezielt so zu verändern, dass die Kavitationsblasen von ihnen abgestoßen werden. Dazu wurden in die Oberflächen, zum Beispiel in Metall, mikroskopisch kleine Löcher gebohrt. Die spezifische Struktur dieser Löcher führt zur Bildung von Gasblasen an der Oberfläche, die extrem wasserabweisend wirken. Wenn sich nun Kavitationsblasen diesem „Schild“ aus Gasblasen nähern, werden sie von den dortigen Gasblasen abgestoßen und an der Erosion des Materials gehindert. Diese Abstoßung haben die Forscher sowohl experimentell als auch mit mathematischen Modellen bewiesen.
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Beim Wasserläufer abgeguckt
Die größte Herausforderung sei gewesen, die durch die Löcher entstandenen Gasblasen an den Oberflächen zu stabilisieren, berichtet Materialforscher Ohl: „Hier haben wir uns einen Trick von der Natur abgeschaut. Die Öffnungen im Material haben eine ähnliche Struktur wie der Brustbereich von Meerwasserläufern ‚Halobates germanus‘. Der Wasserläufer braucht für seinen Auftrieb stabile Gasblasen am Körper. Genauso wie die Natur benötigen wir auch keine chemische Behandlung, um die Oberflächenstrukturen wasserabweisend zu machen.“
Die neue Methode zur Oberflächenbehandlung wurde bereits beim Europäischen Patentamt eingereicht. Ziel der weiteren Arbeit ist es, daraus ein marktreifes Verfahren zu entwickeln, um kavitationsgefährdete Oberflächen preisgünstig zu behandeln.
Originalpublikation: Silvestre Roberto Gonzalez-Avila, Dang Minh Nguyen, Sankara Arunachalam, Eddy M. Domingues, Himanshu Mishra and Claus-Dieter Ohl: Mitigating cavitation erosion using biomimetic gas-entrapping microtextured surfaces, Science Advances 27 Mar 2020: Vol. 6, no. 13; DOI: 10.1126/sciadv.aax6192
* Dr. G. Olias, Leibniz-Institut für Lebensmittel-Systembiologie an der TU München, 85354 Freising
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