Metastudie zum Biodiversitätsverlust Zusammenhang zwischen Chemikalieneinsatz und Artenrückgang im Fokus
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Die Artenvielfalt ist bedroht, nicht nur durch den Klimawandel und damit einhergehende Effekte. Auch der Einsatz von Chemikalien könnte ein wichtiger Faktor sein. Dieser wird laut einer aktuellen Studie aber bisher nicht ausreichend erforscht, wie Wissenschaftler der Goethe-Universität Frankfurt feststellen.

Der Rückgang der biologischen Vielfalt bedroht auch die Lebensgrundlage der Menschheit. Fachleute sehen eine Reihe von Gründen für diesen Rückgang verantwortlich, dazu gehören der Verlust von Lebensräumen, das Eindringen nicht-heimischer Arten oder der Klimawandel. All diese Aspekte sind beim Thema Artenschwund zu berücksichtigen und werden intensiv erforscht. Weniger Aufmerksamkeit schenkt die Wissenschaft bisher den Auswirkungen von Chemikalien auf die Biodiversität. Das belegt ein Forscherteam um Prof. Henner Hollert, Dr. Francisco Sylvester und Fabian Weichert von der Goethe-Universität Frankfurt in einer aktuellen Studie.
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Stärkere interdisziplinäre Ausrichtung erforderlich
Das Team hat die wissenschaftliche Literatur der Jahre 1990 bis 2021 zum Thema umfassend analysiert. Demnach werden die sehr zahlreichen Forschungsarbeiten zur Umweltbelastung durch Chemikalien in einer nur geringen Anzahl hochspezialisierter ökotoxikologischer Fachzeitschriften veröffentlicht, in denen nur sehr selten Arbeiten über den Verlust der Artenvielfalt zu finden sind. „Das lässt auf eine starke Abkapselung des Fachgebietes schließen und steht im starken Gegensatz zu dem Publikationsverhalten, wenn es um andere Ursachen des weltweiten Biodiversitätsverlustes geht“, sagt Hollert. „Die Forschung zur Umweltbelastung durch Chemikalien erfolgt bis heute meist losgelöst von der Bewertung des Verlusts der biologischen Vielfalt.“
Das Autorenteam fordert eine stärkere interdisziplinäre Ausrichtung der Forschungsaktivitäten, um die Auswirkungen von chemischen Stoffen auf die Biodiversität besser verstehen und mildern zu können. Hoffnungsvoll stimmt die Forschenden dabei, dass es in den letzten Jahren zahlreiche methodische Fortschritte im Bereich der Ökotoxikologie und Ökologie gab. So lassen sich etwa in Umweltproben mithilfe moderner chemischer und effektbasierter Analytik sowie Big-Data-Wissenschaft Tausende von bekannten und unbekannten Substanzen gleichzeitig aufspüren. Hinzu kommen unter anderem Technologien zur Umweltfernüberwachung etwa mit Satelliten, Computermodelle zur Vorhersage ökologischer Risiken von Chemikalien oder Methoden zur Bestimmung der Artenvielfalt mithilfe von Umwelt-DNA.
Empfehlungen für bessere Biodiversitätsforschung
Die Wissenschaftler sehen allerdings auch Herausforderungen, die trotz interdisziplinärem Ansatz erheblich sind. So fehlen häufig grundlegende Daten; jedes Untersuchungsgebiet hat spezifische Merkmale; die Prozesse auf der Skala eines Ökosystems sind komplex. Um diesen Herausforderungen zu begegnen, geben die Forschenden 16 Empfehlungen. Sie schlagen beispielsweise vor, die Industrie zu verpflichten, relevante Daten öffentlich zu machen. Oder sie regen an, ökologische Testmodelle zu entwickeln, die nicht nur einzelne Organismen, sondern auch Populationen, Gemeinschaften oder gar Ökosysteme erfassen.
Originalpublikation: Francisco Sylvester, et al.: Better integration of chemical pollution research will further our understanding of biodiversity loss, Nature Ecology and Evolution (2023); DOI: 10.1038/s41559-023-02117-6
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