Biologisches Pumpsystem untersucht Bessere Pumpen dank Schleimpilz?
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In der Natur findet man oft Inspiration für technischen Fortschritt. Und die ist nicht immer ansehnlich. So haben Forscher nun bei Experimenten mit Schleimpilzen untersucht, wie diese ihre Pumpleistung besonders effizient erhöhen. Das könnte dabei helfen, leistungsstärkere Pumpen für die Medizintechnik zu entwickeln.

Göttingen – Er ist gelb und glibberig – und besitzt zahlreiche überraschende Eigenschaften: Der Schleimpilz Physarum polycephalum. So ist er beispielsweise bereits dafür bekannt, dass er den kürzesten Weg durch ein Labyrinth findet oder eine ausgewogene Diät hält, obwohl er kein zentrales Nervensystem besitzt.
Nun haben Forscher des Max-Planck-Instituts für Dynamik und Selbstorganisation MPIDS in Experimenten gezeigt, dass der Schleimpilz auch seine Pumpeffizienz spontan anpassen kann, sobald sich seine Umgebungsbedingungen ändern. Durch ein Zusammenspiel von zwei überlagerten Pumpwellen benötigt er dabei nicht einmal mehr Energie und kann trotzdem eine beträchtliche Leistungssteigerung erreichen.
Ein pulsierendes Netzwerk
Durch den röhrenartigen Körper des Schleimpilzes fließen Nährstoffe rhythmisch vor und zurück, wobei die Röhren selbst auch als Pumpen fungieren, indem sie sich wiederkehrend zusammenziehen. Die Wellen nutzen dabei die Peristaltik aus, also das Zusammenziehen und Ausdehnen der Röhren, ein Effekt, der auch bei uns Menschen bekannt ist und beispielsweise in der Speiseröhre oder im Darm auftritt. Jedoch tritt beim Schleimpilz eine Überlagerung von zwei Wellen auf: Einer Grundwelle und einem Oberton mit der doppelten Frequenz.
Die Forscher fanden heraus, dass sich unter blauem Licht, dem der Schleimpilz entweichen möchte, eine der Wellen gegen die andere verschiebt, bis sie ein Optimum der Pumpleistung erreicht haben. Stehen die Wellen in der optimalen Konstellation, arbeiten sie zusammen, um die Röhre noch enger zusammenzudrücken. Dadurch erreichen sie eine Effizienzsteigerung, ohne mehr Energie in die Wellen selbst stecken zu müssen.
Im Zeitraffer-Video der BBC sieht man, wie sich ein Schleimpilznetzwerk auf der Suche nach Nährstoffen ausbreitet:
Große Leistung – auch ohne Gehirn
Die Beobachtungen könnten in Zukunft in der Medizintechnik oder in der Soft-Robotik eingesetzt werden, in denen die Peristaltik heute schon zum Einsatz kommt. Für die Autoren ist es jedoch insbesondere ein verblüffendes Beispiel, in dem die Natur der Technik voraus ist.
MPIDS-Forscher Stefan Karpitschka sagt dazu: „In dem kleinen gelben Waldbewohner Physarum polycephalum steckt eine Menge Komplexität, die es zu beherrschen gilt: Ein viskoelastisches Zellmaterial, sich ständig ändernde Umgebungsbedingungen und kein Gehirn, um das Ganze zu koordinieren. Und trotzdem schafft er nach nur zwanzig Minuten perfekt dem Lichtkegel zu entweichen, indem er seine Pumpeffizienz mit einem raffinierten Trick anpasst – und braucht dabei nicht einmal mehr Energie.“
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Originalpublikation: Felix Bäuerle, Stefan Karpitschka and Karen Alim, Living system adapts harmonics of peristaltic wave for cost-efficient optimization of pumping performance, Physical Review Letters 124 (2020) 098102; DOI: 10.1103/PhysRevLett.124.098102
* C. Hoffrogge, Max-Planck-Institut f.Dynamik u. Selbstorganisation, 37077 Göttingen
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