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Szenario zum Aussterben einer Art Das letzte Refugium der Mammuts

Autor / Redakteur: Dr. Karl Guido Rijkhoek, Antje Karbe* / Christian Lüttmann

Vor rund 4000 Jahren starb eine der größten Säugetierrassen des Planeten aus: Das Mammut. Innerhalb kürzester Zeit verschwanden diese Giganten vom Planeten. Und schuld daran war nicht der Mensch – jedenfalls nicht allein. Was zum Ende der Mammuts geführt haben könnte, hat nun ein internationales Forscherteam rekonstruiert.

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(v.l.) Kiril Kavokin, Sergey Vartanyan, Juha Karhu mit Mammutknochen und -zahn auf der Wrangelinsel
(v.l.) Kiril Kavokin, Sergey Vartanyan, Juha Karhu mit Mammutknochen und -zahn auf der Wrangelinsel
(Bild: Juha Karhu)

Tübingen – Evolutionsgeschichtlich ist es noch gar nicht so lange her, dass Mammuts die Weiten der Nordhalbkugel durchstreiften. Noch vor etwa 100.000 bis 15.000 Jahren waren sie von Spanien bis Alaska ein selbstverständlicher Anblick. Doch die letzte Eiszeit sollte auch das Ende der Mammuts bedeuten: Aufgrund der Klimaerwärmung, die vor 15.000 Jahren begann, verkleinerte sich ihr Lebensraum auf Nordsibirien und Alaska. Einige Mammuts wurden auf der russischen Wrangelinsel durch den steigenden Meeresspiegel vom Festland abgeschnitten. Für diese Population stellte sich die Isolation vom Rest der Welt als Glücksfall heraus – sie überlebte ihre Verwandten auf dem Festland um mehrere tausend Jahre, bevor auch auf der Insel im Arktischen Ozean das letzte Mammut sein Ende fand.

Spurensuche in Zähnen und Knochen

Doch wie kam es zum Aussterben der Mammuts? Ein internationales Forschungsteam der Universitäten Tübingen und Helsinki sowie der Russischen Akademie der Wissenschaften hat diese Frage untersucht und ein mögliches Szenario entworfen. Das Forscherteam untersuchte dazu die Isotopenzusammensetzung von Kohlenstoff, Stickstoff, Schwefel und Strontium von mehr als 170 Mammutknochen und -zähnen aus Nordsibirien, Alaska, dem Yukon und der Wrangelinsel. Die Funde waren zwischen 40.000 und 4000 Jahre alt.

Ziel war es, mögliche Veränderungen der Ernährung und des Lebensraums der Mammuts zu dokumentieren, um Störungen in der Umwelt belegen zu können. Für die Mammuts von der Wrangelinsel zeigte sich, dass die Isotopenzusammensetzungen von Kollagen-Kohlenstoff und Stickstoff während der Klimaerwärmung vor rund 10.000 Jahren unverändert blieben. Die Werte waren stabil, bis die Mammuts verschwanden – anscheinend mitten aus unverändert günstigen Lebensbedingungen.

Milderes Klima aber schlechtes Wasser im Inselparadies

Dieses Ergebnis steht im Gegensatz zu den Erkenntnissen über Wollhaarmammuts aus der ukrainisch-russischen Ebene, die vor 15.000 Jahren ausstarben. Und auch bei Mammuts der Insel Saint-Paul in Alaska, die vor 5.600 Jahren verschwanden, machte man eine andere Beobachtung der Isotopenzusammensetzung. In beiden Fällen zeigten die letzten Vertreter dieser Populationen nämlich deutliche Veränderungen in ihrer Isotopenzusammensetzung. Dies deutet auf eine Veränderung ihrer Umwelt kurz vor dem lokalen Aussterben hin.

Frühere DNA-Studien weisen darauf hin, dass der Fettstoffwechsel der Mammuts auf der Wrangelinsel durch Mutationen beeinträchtigt wurde. Professor Hervé Bocherens und sein Team vom Senckenberg Centre for Human Evolution and Palaeoenvironment (HEP) der Universität Tübingen machten eine bemerkenswerte Entdeckung beim Vergleich von Proben der Wrangelinsel-Mammuts und ihren sibirischen Vorgängern: Bestimmte Kohlenstoffisotopenwerte offenbarten Unterschiede in den Fetten und Kohlenhydraten, von denen sich die Mammuts ernährten.

„Wir nehmen an, dass die sibirischen Mammuts eher von ihren Fettreserven zehrten, um die extrem harten Eiszeitwinter zu überstehen. Die Mammuts von der Wrangelinsel lebten hingegen unter milderen Bedingungen, sie brauchten keine Fettreserven“, sagt die Teamleiterin Dr. Laura Arppe vom Finnischen Museum für Naturgeschichte an der Universität Helsinki. Doch die Wrangelinsel bot nicht nur Vorteile. So wiesen die Mammutknochen von dort Schwefel- und Strontiumwerte auf, die darauf hindeuteten, dass das Grundgestein zum Ende der Mammutpopulation stärker verwitterte. Dies könnte sich auf die Qualität des Trinkwassers ausgewirkt haben.

Wetterextreme und Mensch führten wohl zum Untergang

Warum also verschwanden die letzten Wollhaarmammuts so plötzlich? Die Forscher vermuten, dass sie durch kurzfristige Ereignisse ausgestorben sind. Zum Beispiel könnten extreme Wetterereignisse wie Regenfälle auf Schnee dazu geführt haben, dass der Boden von einer dicken Eisschicht bedeckt wurde, sodass die Tiere nicht genügend Nahrung fanden. Solche Szenarien hätten einen dramatischen Populationsrückgang zur Folge, der schließlich bis zum Aussterben geführt haben könnte. „Es ist vorstellbar, dass die Population, die vielleicht durch genetische Mutationen und schlechte Trinkwasserqualität geschwächt war, durch Einwirkung von extremen Wetterbedingungen ausgestorben ist“, sagt HEP-Forscher Bocherens.

Ein weiterer möglicher Faktor könnte die Ausbreitung der Menschen gewesen sein. Die frühesten archäologischen Zeugnisse von Menschen auf der Wrangelinsel sind nur wenige hundert Jahre jünger als der jüngste Mammutknochen. Die Chance, tatsächlich Spuren der Jagd durch Menschen auf die Mammuts zu finden, ist aber sehr gering. Dennoch kann die Möglichkeit nicht ausgeschlossen werden, dass auch Menschen zum Aussterben der Mammuts beigetragen haben, wie die Forscher betonen.

Was der Fall des Mammuts den heutigen Artenschutz lehrt

Die Ergebnisse der Studie sind auch für die Gegenwart von Bedeutung. So zeigt sie, dass selbst große Säugetiere stark durch extreme Umwelteinflüsse oder menschliches Verhalten gefährdet sind, wenn nur noch kleine, isolierte Populationen existieren. Um Tierarten vor dem Aussterben zu bewahren, sollten möglichst große, nicht voneinander isolierte Populationen bewahrt werden, raten die Forscher. Andernfalls könnte das gleiche Schicksal drohen, das auch die Mammuts vor 4000 Jahren ereilt hat.

Originalpublikation: Arppe, L., Karhu, J.A., Vartanyan, S., Etu-Sihvola, H., Drucker, D.G., Bocherens, H.: Thriving or surviving? The isotopic record of the Wrangel Island woolly mammoth population, Quaternary Science Reviews 222, 105884 (2019); DOI: 10.1016/j.quascirev.2019.105884

* Dr. K. G. Rijkhoek, A. Karbe, Eberhard Karls Universität Tübingen, 72074 Tübingen

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