Mikrobiologie Der Mikrobiologie von Lebensmitteln auf der Spur
Anlässlich des 10. Fachsymposium Lebensmittelmikrobiologie an der Universität Hohenheim sprach LaborPraxis mit dem Lebensmittelmikrobiologen und Mit-Initiator Prof. Dr. Herbert Schmidt über den Einfluss von Mikroorganismen auf die Lebensmittelqualität.
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LaborPraxis: Herr Prof. Schmidt, mikrobiologische Organismen spielen eine große Rolle in unserem täglichen Leben. Welchen Einfluss haben sie auf unsere Lebensmittel?
Prof. Schmidt: Gerade bei Lebensmitteln gibt es erwünschte und nicht-erwünschte Effekte von Mikroorganismen. Positive Einflüsse werden bei der Fermentation und Veredelung von Lebensmitteln erzielt, negative Einflüsse werden im Verderb und der Übertragung von Krankheitserregern durch Lebensmittel deutlich.
LaborPraxis: Können Sie dies konkretisieren?
Prof. Schmidt: Bakterien und Pilze werden weltweit schon seit langer Zeit für die Produktion und Veredelung fermentierter Lebensmittel eingesetzt. Als Beispiele sind hier Joghurt, Käse, Sauerkraut und Sojasauce zu nennen. Für die Industrie ist auch der mikrobielle Verderb von Lebensmitteln von großer Bedeutung, denn die Zeiträume von der Herstellung des Lebensmittels bis zur sicheren Abgabe an den Endverbraucher nehmen zu und Maßnahmen zur Verlängerung der Haltbarkeit müssen getroffen werden. Aus den Veröffentlichungen des Robert-Koch-Instituts wird deutlich, dass lebensmittelbedingte mikrobielle Erkrankungen einen großen Stellenwert in Deutschland einnehmen. Dies sind besonders Infektionen mit Salmonella spp., Campylobacter spp. und in den letzten Jahren verstärkt Noro- und Rotaviren. Die Lebensmittelmikrobiologie beschäftigt sich mit dem schnellen und sicheren Nachweis der Erreger aus verschiedenen Lebensmitteln, den Bedingungen der Übertragung und den Möglichkeiten, dies zu verhindern.
LaborPraxis: Welche neuen Erkenntnisse ergaben sich auf dem Fachsymposium über Mikrobiologie in Lebensmitteln an der Uni Hohenheim?
Prof. Schmidt: Das 10. Fachsymposium Lebensmittelmikrobiologie wurde von der DGHM-Fachgruppe Lebensmittelmikrobiologie und -hygiene in Zusammenarbeit mit der VAAM-Fachgruppe Lebensmittelmikrobiologie in der GENO-Akademie in Stuttgart-Hohenheim ausgerichtet. Bei der Tagung waren mehr als 140 Lebensmittelmikrobiologen aus allen Bereichen vertreten. Es wurde über Nachweis- und Identifizierungsverfahren für lebensmittelassoziierte Mikroorganismen wie die Weiterentwicklung der FTIR-Spektroskopie durch die Anwendung neuronaler Netze, Detektion von DNA mittels Real-Time-PCR oder den Nachweis von Pathogenen auf RNA-Ebene berichtet. Insbesondere die Anreicherung von Bakterien unter Verwendung von Bakteriophagenproteinen zeigte neue Perspektiven auf. Besonderes Augenmerk wurde auf die praxisnahe Beurteilung tiefgefrorener Lebensmittel und Wasser sowie auf die Identifizierung möglicher Gefahren von Zoonosen (Hepatitis-E-Virus in deutschen Wildschweinbeständen) gelegt. Weiterhin wurde die Wechselwirkung verschiedener Mikroorganismen-Gruppen im Lebensmittel behandelt.
LaborPraxis: Fließen solche aktuellen Themen auch in die Forschung Ihrer Arbeitsgruppe ein?
Prof. Schmidt: Aber natürlich. Um die positiven Einflüsse der Mikroorganismen auf Lebensmittel zu erforschen und auch für die Industrie umzusetzen, bearbeiten wir mit Kollegen aus dem Fachgebiet Getreidetechnologie und Prozessanalytik und Industriepartnern ein Projekt, in dem wir Backwaren mithilfe der Pseudocerealien Amaranth, Buchweizen und Hirse herstellen. Pseudocerealien sind ernährungsphysiologisch wertvoll und Produkte daraus weisen interessante neue Aromen auf. Als Mikrobiologen sind wir mit der Identifizierung und Charakterisierung neuartiger Starterkulturen beschäftigt, die in diesen Produkten eingesetzt werden sollen. Hierbei kommen neben klassischen mikrobiologischen Methoden auch modernste molekulare Techniken zum Einsatz. Im Bereich des mikrobiellen Verderbs bearbeiten wir kleinere Projekte zu der Wirksamkeit natürlicher antimikrobieller Substanzen, die zur Verlängerung der Haltbarkeit in Fleischprodukten oder Fruchtaufstrichen eingesetzt werden sollen. Im Bereich der Krankheitserreger sind wir Spezialisten für enterohämorrhagische Escherichia coli (EHEC). In diesem Zusammenhang bearbeiten wir mehrere Forschungsprojekte zur Identifizierung dieser Bakterien aus Risikolebensmitteln, den genetischen und physiologischen Voraussetzungen ihrer Vermehrung und Verbreitung im Lebensmittel und arbeiten an der Aufklärung der Pathomechanismen der EHEC.
LaborPraxis: Sie sind ebenfalls Sprecher der Sektion 2 des Life Science Center an der Uni Hohenheim. Was sind die Aufgaben des Forschungszentrums, und wie ist es in die Universität eingebunden?
Prof. Schmidt: Das Life Science Center (LSC) versteht sich als Forschungszentrum der Universität Hohenheim, das den lebenswissenschaftlich orientierten Fachgebieten eine zentrale Plattform bietet. Gemeinsam werden in inter- und transdisziplinären Ansätzen Forschungsvorhaben und wissenschaftliche Weiterentwicklungen auf dem Gebiet der Life Sciences mit einer starken Ausrichtung an der Nahrungskette vorangetrieben. Es gliedert sich in drei wissenschaftliche Sektionen. Die Sektion 1 hat als Thema „Biomolekulare Signale und Genomik“. Sektion 2 beschäftigt sich mit „Qualität und Biofunktionalität von Lebensmitteln“, und in der Sektion 3 werden „Ökosysteme und Ressourcen-Management“ behandelt. Die Hauptziele des Life Science Centers sind die Bildung von Forschungsschwerpunkten, die Schaffung von konkurrenzfähigen Forschungseinheiten, die forschungsorientierte Nachwuchsförderung, die Intensivierung der Drittmitteleinwerbung und die Unterstützung von Wissens- und Technologietransfers.
LaborPraxis: Gibt es hier auch übergreifend genutzte Bereiche?
Prof. Schmidt: Ja, ein wichtiger Bestandteil des LSC ist die zentrale Serviceeinheit für Genom- und Proteomanalysen. Sie verfügt über eine moderne Geräteausstattung für differenzielle Gen- und Proteinexpressionsanalysen sowie für massenspektrometrische Analysen von Proteinen, Peptiden und anderen Biomolekülen. Die Nutzung dieser Plattform steht auch externen Interessenten offen.
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