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50 Jahre Mondlandung Die verlorenen Mondkrümel

Autor / Redakteur: Helmut Hornung* / Christian Lüttmann |

Vor 50 Jahren hielt die Welt den Atem an, als Neil Armstrong den ersten Schritt auf den Mond machte. Als die Astronauten der Apollo-11-Mission zur Erde zurückkehrten, hatten sie fast 22 Kilogramm Mondgestein im Gepäck. Dieser Wissenschaftsschatz wurde zur Analyse an zahlreiche Institute weltweit aufgeteilt, darunter auch an Forscher der Max-Planck-Institute in Heidelberg und Mainz. Was die Wissenschaftler Spannendes und Amüsantes bei der Probenanalyse erlebt haben, erfahren Sie in diesem Beitrag.

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Der Stoff, aus dem die Träume waren: Anhand solcher vergleichsweise kleinen Mengen Mondgestein erkundeten Max-Planck-Forscher im Labor die Vergangenheit des Erdtrabanten.
Der Stoff, aus dem die Träume waren: Anhand solcher vergleichsweise kleinen Mengen Mondgestein erkundeten Max-Planck-Forscher im Labor die Vergangenheit des Erdtrabanten.
(Bild: MPI für Chemie)

Heidelberg, Mainz – Es ist Donnerstag, 18. September 1969, später Nachmittag. Am Frankfurter Flughafen steigt ein müde aussehender Mann mit fahler Gesichtsfarbe aus dem Flieger. Im Handgepäck hat er eine unbezahlbar wertvolle Fracht: 105,9 Gramm Mond. Jetzt liegt Dr. Hans Voshages letzte Etappe seiner langen Reise vor ihm, die Fahrt zum Max-Planck-Institut für Chemie nach Mainz. Dort war er vor weniger als 48 Stunden aufgebrochen und ins texanische Houston geflogen, um die außergewöhnliche Probe nach Deutschland zu holen.

Am Abend des 18. September 1969 betritt Voshage das Institut, wo er von einem ungeduldigen Direktor Heinrich Wänke und seinen Mitarbeitern erwartet wird. Schon wenige Minuten später starten die Wissenschaftler mit ihren Messungen. Die zweite Eroberung des Mondes beginnt.

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Rückblick auf die Mondlandung

Sonntag, 20. Juli 1969, 21.18 Uhr Mitteleuropäische Zeit. Mit dem letzten Tropfen Sprit setzte die Landefähre Adler im Mare Tranquillitatis auf. Wenige Stunden später betrat Neil Armstrong als erster Mensch den Mond, 20 Minuten darauf folgte Buzz Aldrin. 600 Millionen Menschen sahen die verschwommenen Fernsehbilder, auf denen zwei grießelige Gestalten über die Mattscheibe hüpften wie Kängurus in Zeitlupe.

Im Studio des Westdeutschen Rundfunks in Köln sah Heinrich Wänke die Übertragung. Der Wissenschaftler war einer der Experten, die den „großen Sprung für die Menschheit“ live im deutschen Fernsehen kommentierten. Wänke verfolgte das Geschehen mit besonderer Spannung, denn sein Institut gehörte zu denen, die einen Teil der fast 22 kg zur Erde gebrachten Mondgesteins später im Labor untersuchen durften.

„Die NASA hatte für die Analyse der Proben eine Ausschreibung gemacht. Wir haben uns daran beteiligt – und waren erfolgreich“, erinnert sich Wänke heute. Die Forscher in seiner Abteilung Kosmochemie hatten sich mit der Untersuchung von Meteoriten über die Jahre internationales Ansehen erworben. Ebenso akzeptiert die amerikanische Raumfahrtbehörde die Anträge von Wissenschaftlern in Köln und Tübingen. Und auch das Max-Planck-Institut für Kernphysik in Heidelberg ist dabei. Direktor Josef Zähringer wird eine besondere Ehre zuteil: Er ist nach Houston eingeladen, um an der vorläufigen Auswertung des Materials mitzuarbeiten.

„Wie ein Haufen Koks“

Die auf dem Mond versiegelten Behälter wurden nach ihrer Rückkehr zunächst mit ultraviolettem Licht bestrahlt und mit Peracetat desinfiziert, danach in sterilem Wasser abgewaschen und in Stickstoffgas getrocknet. Dann erst bekamen sie die Forscher zu Gesicht. „Die Ankunft der Apollo-11-Proben war recht aufregend. Es gab Probleme unter den Wissenschaftlern – wer darf den ersten historischen Blick wagen?“, schreibt Zähringer in einem Beitrag für das Jahrbuch 1970 der Max-Planck-Gesellschaft. „Als der Probenbehälter schließlich geöffnet war und die Steine zum Vorschein kamen, sah man allerdings nur enttäuschte Gesichter. Die Steine sahen aus wie ein Haufen Koks. Sie waren mit einer Schicht sehr feinen Staubes behaftet und ließen keine mineralogischen Einzelheiten erkennen.“

Mit ausgefeilten Analysen rückten die Wissenschaftler – im Bild Bernhard Spettel vom Mainzer Max-Planck-Institut für Chemie – dem extraterrestrischen Material zu Leibe.
Mit ausgefeilten Analysen rückten die Wissenschaftler – im Bild Bernhard Spettel vom Mainzer Max-Planck-Institut für Chemie – dem extraterrestrischen Material zu Leibe.
(Bild: MPI für Chemie)

Dennoch standen die Messungen unter historischem Vorzeichen und verliefen unter ungewöhnlichen Bedingungen: Aus Angst vor tödlichen Mondbakterien oder giftigem Staub mussten die Forscher in hermetisch abgeschlossenen Handschuhkästen hantieren. Dabei kam es gelegentlich zu Pannen. So riss der eine oder andere Handschuh auf oder barst eine Zuleitung an der Probenkammer. Die Verantwortlichen der NASA fürchteten, dass die Wissenschaftler dadurch gefährdet und eventuell mit Keimen verseucht würden. Sie mussten deshalb zu den Astronauten, die seit der Landung in einem transportablen Quarantänemodul saßen und nur durch ein kleines Fenster einen Blick in die die Außenwelt hatten.

Drei Wochen Pokern mit Astronauten

Auch den MPI-Leiter Zähringer traf ein solches Arbeitsmissgeschick – und so hieß es für ihn „ab in Quarantäne“. Der Max-Planck-Forscher nahm es jedoch gelassen und gewann dem Ganzen sogar positive Seiten ab: „Der direkte Kontakt mit den Astronauten war für die Identifizierung der Gesteinsproben sehr vorteilhaft, da sie noch viele Fragen frisch aus dem Gedächtnis beantworten konnten“, schreibt er. Zähringer erlebte die Mondfahrer als „normale, sehr nette und äußerst humorvolle Menschen“. Trotz der dreiwöchigen Isolation hatte die Mannschaft ihren Spaß und vertrieb sich die Zeit beim Pokern.

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