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Lebensstilbedingte Erkrankungen Der Bär als medizinisches Modell für den Menschen

Quelle: Pressemitteilung Veterinärmedizinische Universität Wien Lesedauer: 3 min

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Ein stressiges Leben wirkt sich negativ auf die Gesundheit aus. Die unter schlechtesten Bedingungen gehaltenen Bären aus so genannten Galle-Farmen sind ein Extrembeispiel dafür. Forscher haben nun gerettete „Gallebären“ untersucht und ähnliche lebensstil-bedingte Pathologien festgestellt, die auch für das beschleunigte und frühzeitige Altern beim Menschen verantwortlich gemacht werden.

An Schwarzbären untersuchten Forscher aus Wien Parallelen bei lebensstilbedingten Erkrankungen zwischen Bär und Mensch (Symblbild).
An Schwarzbären untersuchten Forscher aus Wien Parallelen bei lebensstilbedingten Erkrankungen zwischen Bär und Mensch (Symblbild).
(Bild: snaptitude - stock.adobe.com)

Bären können uns einiges über Krankheiten lehren, die auch beim Menschen durch einen schädlichen Lebensstil begünstigt werden. Dies zeigt eine aktuelle Studie von Forschern der veterinärmedizinischen Universität Wien (Vetmeduni). Sie haben die langfristigen Auswirkungen chronischer Entzündungen bei 42 asiatischen Schwarzbären (Ursus thibetanus) untersucht, die aus vietnamesischen Gallefarmen gerettet wurden. Während notwendiger medizinischer Eingriffe wurden die Bären mindestens zweimal unter Narkose untersucht und behandelt. Bei allen Bären diagnostizierten die Wissenschaftler eine Entzündung (chronisch, geringgradig, steril oder bakteriell hepatobiliär) zusammen mit anderen Erkrankungen.

Gallebären

In der traditionellen chinesischen Medizin gilt bis heute Bärengalle als wirksames Heilmittel. Die darin enthaltene Ursodeoxycholsäure (UDCA) soll entzündliche Krankheiten lindern und gegen Krämpfe, Augen- und Leberbeschwerden helfen. Zur Gewinnung der Bärengalle werden die Tiere auf eigenen Farmen in engen Käfigen gehalten und über einen Katheter „gemolken“, um an ihren Gallesaft zu kommen. Obwohl es bereits offizielle Verbote gibt sowie synthetische bzw. natürliche Alternativen zu UDCA, findet diese Praxis weiterhin in dutzenden Gallefarmen an hunderten Bären statt.

Bären zeigen pathologischen Parallelen zum Menschen

Grafik aus „Morbidity and Mortality of Asiatic Black Bears (Ursus thibetanus) Associated with Bile Farming“, Fowler' s Zoo and Wild Animal Medicine Current Therapy, Volume 10 2023, Pages 761-768
Grafik aus „Morbidity and Mortality of Asiatic Black Bears (Ursus thibetanus) Associated with Bile Farming“, Fowler' s Zoo and Wild Animal Medicine Current Therapy, Volume 10 2023, Pages 761-768
(Bild: DOI: 10.1016/B978-0-323-82852-9.00106-4)

Insgesamt zeigten die Bären ähnliche lebensstil-bedingte Pathologien, die auch für das beschleunigte und frühzeitige Altern beim Menschen verantwortlich gemacht werden, so das Fazit der Forscher. „Chronische Entzündungen in Verbindung mit schlechter Haltung und chronischem Stress scheinen das Risiko für die Entwicklung degenerativer Krankheiten wie fettleibiger Sarkopenie (verminderte Muskelmaße und -kraft), chronischer Nierenerkrankung und beeinträchtigter Herz-Kreislauf-Funktion zu erhöhen“, erläutert Studien-Erstautorin Szilvia K. Kalogeropoulu vom Forschungsinstitut für Wildtierkunde und Ökologie (FIWI) der Vetmeduni. „Diese Störungen sind ein Anzeichen beschleunigter Alterung.

Diese Erkenntnisse weisen weit über die untersuchten Tiere hinaus, wie Studien-Letztautorin Johanna Painer-Gigler vom FIWI erklärt: „Die pathologischen Parallelen zu entzündlichen und durch Immunseneszenz – also die Verschlechterung des Immunsystems – bedingten Zuständen beim Menschen lassen darauf schließen, dass die Erkenntnisse durch in Gallefarmen gehaltene Bären als Modellbeispiel zur Untersuchung der Pathophysiologie und der schädlichen Auswirkungen lebensstilbedingter Krankheiten dienen könnten. Dadurch kann man diese Pathologien aus einem weiteren Winkel betrachten und hoffentlich dadurch besser verstehen lernen.“

Biomimetik – Medizinforschung inspiriert durch die Natur

Bei ihrer Arbeit folgten die Forscher einem biomimetischen Ansatz, also der Inspiration durch die Natur. Im medizinischen Kontext sind biomimetische Studien an Wildtieren nützlich, um Mechanismen zu identifizieren, die vor der altersbedingten Belastung durch Zivilisationskrankheiten schützen oder wie in dieser Studie gezeigt, die Anfälligkeit dafür erhöhen.

Der bioinspirierte Ansatz kann neue Möglichkeiten für die Entwicklung von medizinischen Behandlungen und Arzneien für Mensch und Tier bieten. Man lernt aus der Natur, vergleicht verschiedene Erkenntnisse zwischen Tieren und Menschen und generiert dabei Wissen, welches zudem nicht auf Tierversuchen, sondern der vergleichenden Medizin gestützt wird. So auch in der vorliegenden Studie: Überwinternde freilaufende Bären (gesunde Kontrollgruppe) dienten als Bioinspiration aufgrund ihrer Mechanismen, die sie vor der Belastung durch Lebensstilkrankheiten schützen, die sich beim Menschen mit zunehmendem Alter häufen. Dazu zählen neben Muskelschwund u. a. auch Osteoporose, Gefäßerkrankungen und chronische Nierenerkrankungen.

Der Winterschlaf als evolutionäre Anpassung hat Bären im Allgemeinen widerstandsfähiger gegen Organschäden und Stoffwechselstörungen gemacht. Nicht so jedoch ihre in Gallefarmen gehaltenen Artgenossen, die unter extrem schlechten Haltungs- und unnatürlichen Lebensbedingungen Erkrankungsbilder zeigen, wie sie auch vom Menschen – bei ungesundem Lebensstil – bekannt sind.

Originalpublikation: Szilvia K. Kalogeropoulu, Hanna Rauch-Schmücking, Emily J. Lloyd, Peter Stenvinkel, Paul G. Shiels, Richard J. Johnson, Ole Fröbert, Irene Redtenbacher, Iwan A. Burgener & Johanna Painer-Gigler: Formerly bile-farmed bears as a model of accelerated ageing, Scientific Reports volume 13, Article number: 9691 (2023); DOI: 10.1038/s41598-023-36447-z

(ID:49600582)

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