English China

Wechselwarme Tiere und Erderwärmung Klimawandel: Keine sonnigen Aussichten für Echsen

Autor / Redakteur: Dr. Gesine Steiner* / Christian Lüttmann

Eidechsen brauchen die Sonne, um ihre Körper auf Betriebstemperatur zu bringen. Doch trotzdem macht der Klimawandel tropischen Echsenarten zu schaffen. Einer international durchgeführten Studie zufolge werden viele von ihnen die zunehmende Erderwärmung nicht überleben. Wie dies evolutionsgeschichtlich zu erklären ist, haben die Forscher durch Genanalyse von über 200 Echsenarten herausgefunden.

Anbieter zum Thema

Auch wenn Eidechsen sich gerne Sonnen, um ihre bevorzugte Aktivitätstemperatur zu erreichen, kann es ihnen auch zu viel werden. Diese Scharreidechse (Meroles cuneirostros) hat einen schattigen Bereich in der Hitze der Namib-Wüste in Afrika gefunden.
Auch wenn Eidechsen sich gerne Sonnen, um ihre bevorzugte Aktivitätstemperatur zu erreichen, kann es ihnen auch zu viel werden. Diese Scharreidechse (Meroles cuneirostros) hat einen schattigen Bereich in der Hitze der Namib-Wüste in Afrika gefunden.
(Bild: Sebastian Kirchof)

Berlin – Als wechselwarme Tiere benötigen Eidechsen Wärme und Sonneneinstrahlung, um die Körpertemperatur zu erreichen, die sie mögen. Profitieren Eidechsen also vom Klimawandel? Dieser Frage ist ein Team mit 45 Wissenschaftlern aus 17 Ländern nachgegangen und hat in einer Studie untersucht, wie sich der Klimawandel auf verschiedene Echsenarten auswirkt.

Nicht jede Echse mag es heiß

Die Waldeidechse (Zootoca vivipara) ist am stärksten an relativ kühle und feuchte Lebensräume angepasst.
Die Waldeidechse (Zootoca vivipara) ist am stärksten an relativ kühle und feuchte Lebensräume angepasst.
(Bild: Miguel Vences)

Bekannt ist, dass Echsen in vielen verschiedenen Klimazonen heimisch sind. Die in Europa, Asien und Afrika weitverbreiteten Halsbandeidechsen (Lacertiden) beinhalten sowohl Arten, die Hitze und Trockenheit in Wüsten aushalten, als auch solche, die kühle Bergregionen bevorzugen. Und das Verbreitungsgebiet der auch in Deutschland vorkommenden Waldeidechse erstreckt sich sogar nördlich des Polarkreises, was die Art zur nördlichsten Echse der Welt macht.

„Seit mehr als 20 Millionen Jahren gehören Halsbandeidechsen zu den häufigsten Reptilen Europas, aber mittlerweile sind sie zunehmend gefährdet“, sagt Johannes Müller, Professor für Paläozoologie am Museum für Naturkunde Berlin. Studienkoordinator Miguel Vences von der Technischen Universität Braunschweig ergänzt: „Wir sehen, wie die Mauereidechse in Deutschland mit der Klimaerwärmung beinahe jährlich weiter nach Norden vordringt, aber gleichzeitig verschwinden andere Eidechsenarten in den Bergregionen Spaniens. Um zu verstehen, warum einige Arten vom Klimawandel profitieren und andere aussterben, müssen wir ihre Physiologie verstehen – aber auch die Evolutionsgeschichte.“

Evolutionsbedingt temperaturempfindlich

In ihrer Studie vergleichen die Forscher experimentell ermittelte Vorzugstemperaturen und Wasserverlust-Raten der Halsbandeidechsen in ihren verschiedenen Lebensräumen vor dem Hintergrund ihrer evolutionären Verwandtschaftsverhältnisse. Mit modernen DNA-Sequenzierungsmethoden und der Analyse fossiler Arten rekonstruierte das Team die Verwandtschaftsbeziehungen von 262 Arten von Halsbandeidechsen.

„Wir finden einen starken Zusammenhang zwischen der Physiologie der Halsbandeidechsen und der vorherrschenden Umgebungstemperatur in ihren Lebensräumen. Dieser Umstand macht diese Tiere höchstwahrscheinlich sehr empfindlich gegenüber der Klimaerwärmung“ sagt Erstautor Joan Garcia-Porta vom spanischen Centre for Research on Ecology and Forestry Applications.

Oft keine „Erfahrung“ mit Hitze und Trockenheit

Ein Rückblick in die Vergangenheit der Halsbandeidechsen-Evolution zeigt, dass viele dieser Arten während warmer Klimabedingungen entstanden und sich dann über sehr lange Zeiträume an langsam abkühlende Verhältnisse auf der Erde anpassten. Für Millionen von Jahren haben die Echsen keine Erfahrungen mit extremer Hitze oder Trockenheit gemacht. Dies wird nun zum Problem für diese Arten. Die jüngsten Bestandsrückgänge betreffen vor allem Halsbandeidechsen in Gebirgen oder in dichten Wäldern.

Das LABORPRAXIS-Klimadossier In unserem Dossier „Klimaforschung“ finden Sie weitere aktuelle Forschungsprojekte und -ergebnisse rund um das Klima.

Die wahrscheinlich am stärksten kälte- und feuchtigkeitsliebende Art, die Waldeidechse, scheint die Befürchtungen der Wissenschaftler plakativ zu bestätigen. „In Teilen der Pyrenäen, wo die Umgebungstemperaturen besonders hoch sind, sind diese Tiere schon ausgestorben – eine Ankündigung dessen, was anderen Arten droht“ sagt Barry Sinervo, von der US-amerikanischen University of California, der seit über zehn Jahren Aussterbevorgänge bei Eidechsen untersucht. Wenn der Klimawandel weiter so voranschreitet, wird sich die Vielfalt der Echsen also vermutlich drastisch verändern.

Originalpublikation: Joan Garcia-Porta, Iker Irisarri, Martin Kirchner, Ariel Rodríguez, Sebastian Kirchhof, Jason L. Brown, Amy MacLeod, Alexander P. Turner, Faraham Ahmadzadeh, Gonzalo Albaladejo, Jelka Crnobrnja-Isailovic, Ignacio De la Riva, Adnane Fawzi, Pedro Galán, Bayram Göçmen, D. James Harris, Octavio Jiménez-Robles, Ulrich Joger, Olga Jovanović Glavaš, Mert Karış, Giannina Koziel, Sven Künzel, Mariana Lyra, Donald Miles, Manuel Nogales, Mehmet Anıl Oğuz, Panayiotis Pafilis, Loïs Rancilhac, Noemi Rodríguez, Benza Rodríguez Concepción, Eugenia Sanchez, Daniele Salvi, Tahar Slimani, Abderrahim S’khifa, Ali Turk Qashqaei, Anamarija Žagar, Alan Lemmon, Emily Moriarty Lemmon, Miguel Angel Carretero, Salvador Carranza, Hervé Philippe, Barry Sinervo, Johannes Müller, Miguel Vences, Katharina C. Wollenberg Valero: Environmental temperatures shape thermal physiology as well as diversification and genome-wide substitution rates in lizards, Nature Communications, Volume 10, Article number: 4077 (2019); DOI: 10.1038/s41467-019-11943-x

* Dr. G. Steiner, Museum für Naturkunde, 10115 Berlin

(ID:46127268)