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Botenstoff zur Gefäßneubildung Körper verschickt Wirkstoff-Pakete gegen Herzkrankheiten

Redakteur: Christian Lüttmann

Mit einem zielgerichtet verschickten Wirkstoff stärkt unser Körper das Herz. Forscher der Universität Bonn fanden nun heraus, dass bei einer Unterversorgung des Herzens ein Selbsthilfeprogramm startet, welches die Neubildung von Blutgefäßen beschleunigt. Die Ergebnisse ihrer Studie könnten helfen, Herzerkrankungen künftig besser zu therapieren.

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Wenn das Herz schwächelt, startet unser Körper ein Selbsthilfeprogramm (Symbolbild).
Wenn das Herz schwächelt, startet unser Körper ein Selbsthilfeprogramm (Symbolbild).
(Bild: gemeinfrei, Pixabay/sbtlneet / CC0 )

Bonn – Rund ein Viertel aller Todesfälle in Deutschland geht auf Herzerkrankungen zurück. Und wenn unser Körper nicht aktiv mithelfen würde, solche Erkrankungen zu bekämpfen, wäre der Anteil womöglich noch größer. Dass wir tatsächlich einen eigenen Schutzmechanismus gegen Gefäßverschluss und dessen Folgen haben, zeigt nun eine neue Studie von Wissenschaftlern der Universität Bonn.

Wirkstoffversand im Körper untersucht

In der Studie hatten die Forscher 180 Frauen und Männer untersucht. 41 davon waren gesund, der Rest litt unter einer chronischen Verengung der Herzkranzgefäße oder hatte gerade einen Herzinfarkt erlitten.

Die Wissenschaftler interessierten sich vor allem für die so genannten Mikrovesikel im Blut ihrer Teilnehmer. Das sind kleine Bläschen, die einen Mix verschiedener Substanzen enthalten und die mit dem Blut durch den Körper geschwemmt werden. Im Prinzip funktionieren sie wie ein Postpaket: Sie tragen auf ihrer Oberfläche einen molekularen Adressaufkleber, an dem die Empfängerzellen erkennen, welche Vesikel für sie bestimmt sind.

Unterschiedlicher Paketinhalt bei Gesunden und Herzkranken

Es gibt im Körper unterschiedliche Absender, die diesen Versandweg nutzen. Dazu zählen die Endothelzellen – das sind die Zellen, die die Blutgefäße wie eine Tapete auskleiden. Sie entlassen regelmäßig Mikrovesikel in den Blutstrom. „Wir wollten nun wissen, ob sich der Inhalt dieser Pakete bei Gesunden und Herzkranken unterscheidet“, sagt Dr. Felix Jansen vom Herzzentrum des Universitätsklinikums Bonn. Die Arbeitsgruppe des Privatdozenten hat die Studie mit den beiden Erstautorinnen Yangyang Liu und Qian Li durchgeführt.

Tatsächlich fiel den Wissenschaftler etwas Interessantes auf: Die Endothelzellen herzkranker Probanden verschickten in den Mikrovesikeln häufig ein ganz bestimmtes Molekül – einen Wirkstoff namens miRNA-92a. Dieser ist Medizinern schon bekannt: Studien zeigen, dass er bei einer Reihe verschiedener Erkrankungen eine wichtige Rolle spielt.

Verschickter Wirkstoff fördert Blutgefäßbildung

Die Substanz zählt zur Molekülgruppe der so genannten mikro-RNAs (miRNAs). Diese Wirkstoffe regulieren die Aktivität verschiedener Gene. Von der miRNA-92a weiß man beispielsweise, dass sie in das Wachstum und die Neubildung von Blutgefäßen eingreift. „Wir haben nun im Reagenzglas untersucht, warum Herzpatienten mehr miRNA-92a produzieren“, sagt Jansen.

Dazu kultivierten die Wissenschaftler Endothelzellen (die „Blutgefäß-Tapete“) und setzten sie auf Diät. Die Zellen schnürten daraufhin Mikrovesikel ab, die erhöhte Mengen miRNA-92a enthielten. Wurden die Bläschen nun zu anderen Endothelzellen gegeben, nahmen diese sie auf. In den Empfängerzellen blockierte die miRNA-92a dann ein Gen, das normalerweise das Gefäßwachstum bremst. In der Folge wurde die Blutgefäßbildung also gefördert.

„Wir nehmen an, dass der Körper so auf die schlechte Blutversorgung bei einer Verengung der Herzkranz-Arterien reagiert“, vermutet Jansen. „Das Endothel verschickt dann an benachbarte und weiter entfernte Zellen erhöhte Mengen miRNA-92a. Dadurch wird die Gefäßneubildung und damit die Durchblutung des Herzmuskels gefördert.“

Körpereigene Strategien für gezielte Medikation einsetzen

Die Studie gibt der These Rückenwind, dass sich die miRNA-92a als potenzieller neuer Wirkstoff bei Herzkrankheiten eignen könnte. Schon seit einigen Jahren wird das therapeutische Potenzial des Moleküls intensiv erforscht. „Unsere Studie zeigt nun, auf welchen Wegen der Körper die Substanz selber nutzt, um die Folgen einer koronaren Herzerkrankung abzuwenden“, sagt Jansen. „Eine mögliche Strategie könnte daher sein, bei einer Therapie die mikro-RNA ebenfalls in Vesikel zu verpacken. Diese würden einerseits den Wirkstoff vor Abbau schützen; andererseits könnte man sie so adressieren, dass sie nur zu den geeigneten Zielzellen gelangen.“

Möglicherweise erlauben die Ergebnisse mittelfristig auch eine differenziertere Diagnose von Herzerkrankungen. Schon heute werten Ärzte verschiedene Biomarker aus – etwa um die Schwere eines Infarkts abzuschätzen. Mit der miRNA-92a steht nun ein weiterer Marker zur Verfügung. Inwiefern dieser zusätzliche Erkenntnisse erlaubt, bleibt allerdings noch abzuwarten.

Originalpublikation: Yangyang Liu, Qian Li, Rabiul M. Hosen, Andreas Zietzer, Anna Flender, Paula Levermann, Theresa Schmitz, Daniel Frühwald, Philip Goody, Georg Nickenig, Nikos Werner und Felix Jansen: Oxidized LDL promotes the packaging of functional microRNA-92 into endothelial microvesicles. Circulation Research. 2018; DOI: 10.1161/CIRCRESAHA.118.314010

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