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Biologische Mikroschwimmer untersucht Mit Loopings auf Tempo – so schnell schwimmen Bakterien

Redakteur: Christian Lüttmann

Bakterien haben außergewöhnliche Fortbewegungsformen entwickelt. Mit ihren Geißeln schwimmen sie durchs Wasser und vollführen dabei Spiralen und Loopings. Wie schnell sie dabei sind und was es mit dieser ungewöhnlichen Fortbewegungsart auf sich hat, hat nun ein internationales Forscherteam untersucht.

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Dr. Sarah Mohammadinejad und Prof. Dr. Stefan Klumpp aus Göttingen haben Simulationen zum Schwimmstil von Bakterien durchgeführt.
Dr. Sarah Mohammadinejad und Prof. Dr. Stefan Klumpp aus Göttingen haben Simulationen zum Schwimmstil von Bakterien durchgeführt.
(Bild: Vitali Telezki, Universität Göttingen)

Göttingen – Das magnetotaktische Bakterium Magnetococcus marinus ist bestens zur Fortbewegung im Wasser ausgerüstet: Zum Schwimmen nutzt es zwei Bündel von Geißeln, die ihm den nötigen Schub verleihen. Außerdem besitzen die Bakterienzellen eine Art intrazelluläre Kompassnadel zur Orientierung. Sie können daher auch mit einem angelegten Magnetfeld gesteuert werden, weshalb man sie als biologisches Modell für Mikroroboter benutzt.

Ein internationales Team der Universität Göttingen, des Max-Planck-Instituts für Kolloid- und Grenzflächenforschung in Potsdam und der CEA Cadarache (Frankreich) hat nun aufgeklärt, wie sich diese Bakterien bewegen und hat deren Schwimmgeschwindigkeit bestimmt. Die Forscher kombinierten dazu neue experimentelle Methoden und Computersimulationen: Sie verfolgten die Bewegung der „Mikroschwimmer“ mithilfe von dreidimensionaler Mikroskopie und analysierten sie mit einer hochfrequenten Dunkelfeld-Bildgebung. Ergänzend dazu simulierten sie die Bewegung am Computer, um herauszufinden, welcher Antriebsmechanismus für die beobachteten Schwimmbahnen der Bakterien verantwortlich ist.

Schnelle und wendige Schwimmer

Das Ergebnis: Die beiden Geißelbündel, die nahe beieinander auf dem Zellkörper verankert sind, zeigen beim Schwimmen in entgegengesetzte Richtungen. Dadurch wird die Bakterienzelle von einem Bündel gezogen und vom anderen geschoben. Diese Art des Antriebs wurde noch bei keinem anderen Mikroorganismus beobachtet. Die daraus resultierenden Schwimmbahnen beschreiben doppelte oder sogar dreifache Spiralen. Das Bakterium macht gewissermaßen Loopings.

Und auch die Geschwindigkeit ist erstaunlich, da die Spiralen die zurückgelegte Strecke erheblich vergrößern: so legen die Bakterien etwa 400 bis 500 Mikrometer pro Sekunde zurück. Verglichen mit einem menschlichen Olympiaschwimmer sind sie rund 500 Mal schneller im Wasser unterwegs. In einer Minute können sie somit theoretisch bis zu 3 Zentimeter vorwärtskommen – sofern sie statt Loopings nur geradeaus schwimmen würden.

Möglicher Grund für Spiralschwimmen

Doch was ist der Zweck dieser ungewöhnlichen Schwimmweise? „Wir nehmen an, dass diese Art des Spiralschwimmens in einer sedimentären Umgebung voller Hindernisse, die durch Schleifen umgangen werden können, von Vorteil ist“, sagt Prof. Dr. Stefan Klumpp vom Institut für Dynamik komplexer Systeme der Universität Göttingen. „Diese Besonderheit könnte auch in der medizinischen Mikrorobotik ausgenutzt werden, um sich im Blut von Patienten zu bewegen und zum Beispiel schnell einen Tumor zu erreichen.“ Tatsächlich bewegen sich diese Bakterien von sich aus in anaerobe Umgebungen hinein. Sie können daher Chemotherapeutika direkt in die Nähe eines Tumors bringen, der ebenfalls in einer sauerstoffarmen Umgebung liegt.

Originalpublikation: K. Bente, S. Mohammadinejad, et al.: High-speed motility originates from cooperatively pushing and pulling flagella bundles in bilophotrichous bacteria, eLife 2020, 9; DOI: 10.7554/eLife.47551

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