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Erstmals historisches Syphilis-Genom entschlüsselt Neue Erkenntnisse zu alter Geschlechtskrankheit

Autor / Redakteur: Petra Mader* / Christian Lüttmann

Erst im 20. Jahrhundert gelang es, die seit dem Spätmittelalter weit verbreitete Geschlechtskrankheit Syphilis durch Antibiotika in ihre Schranken zu weisen. Doch trotz Jahrhunderte langer Forschung wirft sie noch immer Rätsel auf. Ein internationales Forschungsteam hat nun mit der Entschlüsselung historischer Syphilis-Genome neue Erkenntnisse über die Evolution der Krankheit erhalten. Ein wichtiger Fortschritt, besonders in Anbetracht erneut steigender Syphilis-Ansteckungen.

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Klare Krankheitszeichen: Die Knochenüberreste eines Syphiliserkrankten weisen charakteristische Zeichen auf.
Klare Krankheitszeichen: Die Knochenüberreste eines Syphiliserkrankten weisen charakteristische Zeichen auf.
(Bild: Rodrigo Barquera. Santa Isabel collection, Lab. of Osteology, ENAH, Mexico)

Jena – Das Bakterium Treponema pallidum verursacht Infektionen bei Menschen, unter anderem ruft es Syphilis und die Tropenkrankheit Frambösie hervor. Vor allem die sexuell übertragene Syphilis breitet sich inzwischen wieder aus, jährlich werden weltweit Millionen von Neuinfektionen gemeldet. Trotz ihrer historischen Bedeutung sind Ursprung und Evolution der Syphilis sowie verwandter Krankheiten nicht gut erforscht.

Ein internationales Team mit Forschern des Max-Planck-Instituts für Menschheitsgeschichte in Jena hat nun die bisher ältesten Genome des Bakteriums Treponema pallidum entdeckt. Zuvor hatte man es für unmöglich gehalten, das Bakterium aus alten Proben zu extrahieren. Der Fund eröffnet die Möglichkeit, die Herkunft und Evolution der Krankheit, die sich in jüngster Vergangenheit wieder verstärkt verbreitet, direkt zu untersuchen.

An dem Projekt waren neben Forschern des Max-Planck-Instituts für Menschheitsgeschichte auch die Universität Tübingen, die National School of Anthropology and History in Mexiko-Stadt sowie die Universität Zürich beteiligt.

Erstmals Unterarten der Krankheitserreger getrennt

Für die aktuelle Studie untersuchten die Forscher die Überreste von meist minderjährigen Individuen, die vor rund 350 Jahren in der Unterstadt von Mexiko-Stadt beerdigt worden waren. Die Skelettteile wiesen charakteristische Zeichen von Krankheiten auf, die durch Treponema-Bakterien verursacht werden. Da die verschiedenen mit Syphilis verwandten Krankheiten ähnliche Spuren an Knochen verursachen, war es bisher jedoch nicht möglich gewesen, historische Syphilisfälle sicher als solche zu identifizieren, sagen die Forscher.

Durch Analyse der DNA ließen sich nun aber erstmals die beiden Unterarten der Krankheitserreger voneinander trennen, die entweder Syphilis oder Frambösie verursachen. Aus den Knochen konnten nämlich jeweils gesamte Treponema-Genome extrahiert werden. Die Forscher identifizierten dabei zwei Genome der Unterart, die Syphilis verursacht, und eines der Unterart, die zu Frambösie führt.

Allein aufgrund der äußeren Merkmale der Funde wäre die Trennung zwischen Frambösie und Syphilis nicht möglich gewesen, betonen die Forscher. Nur mit genetischen Methoden ließen sich die Krankheitserreger unterscheiden. „Unsere Arbeit belegt den Wert einer molekularen Identifikation alter Krankheitserreger, vor allem bei den mit Syphilis verwandten Krankheiten, die zu ähnlichen Knochenveränderungen führen“, erklärt Dr. Verena Schünemann von der Universität Zürich, die Erstautorin der Studie.

Herkunft noch unklar

Ob Syphilis eine Krankheit der Neuen Welt ist, die in der Kolonialzeit nach Europa eingeschleppt wurde oder ob sie schon vor der Pandemie im 15. Jahrhundert in der europäischen Bevölkerung verbreitet war, konnten die Untersuchungen bisher nicht klären. „Bei früheren Forschungen wurde der Frambösie-Erreger bei Altweltaffen gefunden. Unsere Erkenntnisse legen nahe, dass zwei Treponema-pallidum-Unterarten in der Vergangenheit ähnliche Veränderungen am Skelett bewirkten. Daraus schließen wir, dass die Evolutionsgeschichte des Bakteriums wohl komplexer ist, als bisher angenommen“, sagt der Mitautor der Studie Dr. Alexander Herbig vom Max-Planck-Institut für Menschheitsgeschichte.

Die erste Rekonstruktion von Treponema-pallidum-Genomen aus archäologischem Material eröffnet die Möglichkeit, deren Evolutionsgeschichte zu erforschen, was zuvor nicht machbar schien. „Weitere Untersuchungen von zusätzlichen alten Proben aus aller Welt werden unser Verständnis der Krankheit weiter verfeinern“, gibt sich Mitautor Prof. Johannes Krause vom Max-Planck-Institut für Menschheitsgeschichte und der Universität Tübingen zuversichtlich.

Originalpublikation: Verena J. Schuenemann, Aditya Kumar Lankapalli, Rodrigo Barquera, Elizabeth A. Nelson, Diana Iraíz Hernández, Víctor Acuña Alonzo, Kirsten I. Bos, Lourdes Márquez Morfín, Alexander Herbig, Johannes Krause: Historic Treponema pallidum genomes from Colonial Mexico retrieved from archaeological remains. PLOS Neglected Tropical Diseases (2018), DOI: 10.1371/journal.pntd.0006447

* P. Mader, Max-Planck-Institut für Menschheitsgeschichte, 07745 Jena

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