Leseratten im Nachteil? Neue Studie legt mangelndes Sonnenlicht als Ursache für Kurzsichtigkeit nahe
„Mach Dir Licht an, Du verdirbst Dir ja die Augen!“ An dieser Binse, mit der Eltern seit jeher ihre Kinder nerven, könnte tatsächlich etwas dran sein: In einer internationalen Studie haben Forscher nun 161 neue genetische Faktoren für Fehlsichtigkeit identifiziert. Die meisten hängen mit der Verarbeitung von Licht zusammen. Dies unterstützt die Vermutung, dass mangelndes Sonnenlicht eine wichtige Ursache für Kurzsichtigkeit ist. Können besorgte Eltern von Leseratten Kurzsichtigkeit bei ihren Kindern demnach recht einfach vorbeugen?
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Mainz – Die Myopie, zu Deutsch Kurzsichtigkeit, ist die Augenerkrankung, von der die meisten Menschen betroffen sind – Tendenz steigend. Dies ist besonders für Menschen mit hoher Kurzsichtigkeit beunruhigend, da sie ein erhöhtes Risiko haben, Augenkomplikationen zu entwickeln. Die Ursachen sind sowohl genetisch als auch umweltbedingt.
161 genetische Faktoren für Kurzsichtigkeit identifiziert
Einen wichtigen Fortschritt im Verständnis der Wirkungsmechanismen der Krankheitsentstehung hat nun die internationale Forschergruppe CREAM erzielt, an der auch Wissenschaftler der Gutenberg-Gesundheitsstudie der Universitätsmedizin Mainz beteiligt sind. Gemeinsam mit dem Gentest-Anbieter „23andme“ untersuchten sie Daten von mehr als 250.000 Menschen aus Europa, Asien und Nordamerika.
Die Studie ergab 161 genetische Faktoren für sphärisches Äquivalent und Myopie, von denen die meisten noch unbekannt waren. Neben der Hauptrolle für die Lichtverarbeitung wurde nun deutlich, dass alle Zelltypen der Netzhaut an der Entstehung von Kurzsichtigkeit beteiligt sind. Dies bestätigt die Theorie, dass die innere Schicht des Auges mit der äußeren Schicht kommuniziert, um das Auge länger wachsen zu lassen – ein entscheidender Faktor bei der Entstehung von Kurzsichtigkeit.
Sonnenlicht gegen Kurzsichtigkeit
„Wir wissen schon länger, dass das Bildungsverhalten ein wichtiger Umweltfaktor bei der Entstehung von Kurzsichtigkeit ist, unter anderem aus der Mainzer Gutenberg-Gesundheitsstudie“, sagt Mitautor Univ.-Prof. Dr. Norbert Pfeiffer, Direktor der Augenklinik und Poliklinik der Universitätsmedizin Mainz. Welche Rolle dabei die Naharbeit beim Lesen spielt, oder ob es eher der Mangel an Sonnenlicht ist, war bisher unklar.
Die neuen Ergebnisse liefern nun wichtige Hinweise, über welche biologischen Mechanismen die Wirkung vermittelt werden könnte. Die Ergebnisse unterstützen damit den wichtigsten Rat, den Prof. Pfeiffer besorgten Eltern zur Vorbeugung der Kurzsichtigkeit geben kann: „Schicken Sie Ihre Kinder täglich für zwei Stunden zum Spielen nach draußen, und davon profitieren nicht nur die Augen.“
Wer viel liest, leistet viel Naharbeit bei meist wenig Sonnenlicht
Die Zunahme der Kurzsichtigkeit ist ein weltweites Phänomen, insbesondere in Südostasien hat der Anteil von kurzsichtigen Schulkindern in den letzten Jahrzehnten stark zugenommen. Dies ist vermutlich auf ein gestiegenes Bildungsniveau zurückzuführen. Wer viel liest, leistet viel Naharbeit bei meist wenig Sonnenlicht. Auf diese Sehgewohnheiten stellt sich das Auge ein, in dem der Augapfel stärker als normal wächst. Wird dieser aber zu lang, reicht die Brechkraft von Hornhaut und Linse nicht aus, um auf der Netzhaut ein klares Bild zu erzeugen. Entfernte Objekte erscheinen unscharf. Die Person ist kurzsichtig.
Originalpublikation: Milly S. Tedja et al.: Genome-wide association meta-analysis highlights light-induced signaling as a driver for refractive error. Nature Genetics (28 May 2018).
* O. Kreft: Universitätsmedizin Mainz, 55131 Mainz
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